Artikel aus dem Jahr 2011

Berlin Depesche Nr. 67

Wahlkreiszeitung mit aktuellen Informationen aus Berlin und Köln.

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Diskussion mit Prof. Dr. Frank Decker

decker

Trends im deutschen Parteiensystem

Im Rahmen des Forum Bundespolitik

Dienstag, 10. Januar 2012, 19:00 bis 21:00 Uhr

Hans Jürgen Wischnewski Haus, Magnusstraße 18b, 50672 Köln (Innenstadt)

 

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SPD-Bundesparteitag setzt Signal des Aufbruchs

Artikel aus Berlin Depeche Nr. 67

Vorstandswahlen, wichtige Beschlüsse und viel beachtete Reden

Vom 4. bis 6. Dezember fand in Berlin der Bundesparteitag der SPD statt. Er stand unter dem Motto: „Unser Kapital: Demokratie und Gerechtigkeit“. Sowohl inhaltlich wie auch personell wurde ein deutliches Signal des Aufbruchs gesetzt. Viel beachtet waren vor allem die starken Reden von Helmut Schmidt, Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück.

Mit wichtigen Beschlüssen in der Steuer- und Finanzpolitik, für Europa, Bildung, Gesundheit, Arbeit, Rente, Familie und für mehr direkte Demokratie entwickelt die SPD ihre Programmatik weiter. Mit einer Parteireform erneuert sie die Parteiorganisation. Das Ziel ist nun die Regierungsübernahme 2013.

Bei den Vorstandswahlen wurde Sigmar Gabriel mit 91,7 Prozent als Parteivorsitzender bestätigt. Hannelore Kraft, Aydan Özoguz, Olaf Scholz, Manuela Schwesig und Klaus Wowereit wurden als stellvertretende Vorsitzende gewählt. Andrea Nahles bleibt Generalsekretärin, Barbara Hendricks Schatzmeisterin.

Einen besonderen Schwerpunkt des Parteitags bildete das Thema Europa: mit prominenten Gastrednern von Helmut Schmidt über den Präsidentschaftskandidaten der französischen Sozialisten, Francois Hollande bis hin zum norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg. Im Parteitagsbeschluss positionierte sich die SPD klar als die Europapartei Deutschlands: mit einer Stärkung der Institutionen, Solidarität mit den Partnern – aber auch scharfer Kontrolle der Haushaltsdisziplin und einer Rückbesinnung auf das Prinzip der Subsidiarität.

Um Europa langfristig als erfolgreichen Wirtschafts- und Sozialraum und eine starke politische Kraft in der globalen Welt von heute zu etablieren, spricht  sich die SPD für eine Europäische Wirtschaftsregierung aus. Eine abgestimmte Wirtschaftspolitik müsse dafür sorgen, dass Europa wirtschaftlich nicht auseinanderdrifte, sondern gemeinsam wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt erreiche.

Grundlage sozialdemokratischer Europapolitik ist die Überzeugung, dass ein Rückfall in nationalstaatlichen Chauvinismus den Wohlstand und die Bedeutung in allen Mitgliedstaaten massiv gefährde. „Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur europäischen Solidarität. Wir lassen uns von den Märkten nicht auseinandertreiben“, forderte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Scharf kritisierte er das Krisenmanagement der Bundesregierung: „Europa brennt“, und Schwarz-Gelb bleibe eine Antwort schuldig.

Auch Altkanzler Helmut Schmidt, der gleich zu Beginn des SPD-Bundesparteitags eine bewegende Rede zu den Delegierten und Gästen des Parteitages hielt, ließ an der Bundesregierung in puncto Europapolitik kaum ein gutes Haar. „Wenn ein deutscher Außenminister meint, dass ein Besuch in Kabul und Tripolis wichtiger sei als Athen, Lissabon und Dublin, und andere meinen, sie müssten eine Transferunion verhüten, dann ist das eine schädliche deutsch-nationale Kraftmeierei.“

Ihm bereite Sorge, dass bei den europäischen Nachbarn erhebliche Zweifel an der Stetigkeit deutscher Politik aufgetaucht sind. Die deutsche Volkswirtschaft habe sich zur größten und leistungsfähigsten Europas entwickelt. Diese Stärke und der soziale Friede im Land habe auch Neid ausgelöst, so Schmidt. „Doch uns ist nicht ausreichend bewusst, dass wir von der Weltkonjunktur abhängig sind.“

In seinem Plädoyer für Europa rief er den SPD-Mitgliedern zu: „Lasst uns dafür kämpfen, dass die historisch einmalige Europäische Union aus ihrer gegenwärtigen Schwäche gestärkt hervorgeht.“

 

Zusammenfassung wichtiger Beschlüsse des SPD-Bundesparteitages

Organisationspolitisches Grundsatzprogramm

Die SPD will die Rechte ihrer Mitglieder in beispielloser Weise stärken, Frauen stärker fördern und offener für Menschen mit Migrationshintergrund werden. Die SPD setzt sich das Ziel, dass in allen Führungsgremien der Bundespartei zukünftig 15 Prozent der Mitglieder über eine Migrationsgeschichte verfügen.

Die Mitglieder der SPD erhalten so viel Mitsprache wie noch nie zuvor: Mitgliederbegehren und Mitgliederentscheide werden erleichtert. Das Quorum wird gesenkt. Der Mehrheits-Entscheid ist bereits erfolgreich, wenn sich mindestens ein Fünftel der Stimmberechtigten beteiligt hat (bisher musste ein Drittel der Mitglieder zustimmen). Die Mitglieder können künftig auf allen Gliederungsebenen Sachentscheide durchführen.

Wir wollen die Partei für Unterstützer öffnen. Gliederungen können – wie bisher – bei der Aufstellung von Einzelkandidaten/innen für öffentliche Ämter und Mandate Nichtmitglieder beteiligen, wenn es mindestens zwei Kandidat/innen gibt.

Die Arbeitsgemeinschaften werden durch Themenforen ergänzt. Ihr Einfluss auf die Bundespolitik steigt: Die Themenforen und Arbeitskreise auf Parteivorstandsebene erhalten Rede- und Antragsrecht auf dem Bundesparteitag. Der Anreiz für Nichtmitglieder (Unterstützer/innen), bei der SPD mitzuwirken, wird erhöht: Nichtmitglieder können in den Arbeitsgemeinschaften und Themenforen volle Mitgliedsrechte erhalten.

Die Parteigremien werden so umgebaut, dass vor allem die Basis mehr Einfluss erhält. Der Parteivorstand wird von 45 auf 35 Mitglieder verkleinert. Das Präsidium wird abgeschafft. Der Parteivorstand wird damit als Führungsgremium der SPD gestärkt. Er tagt alle zwei Wochen.

Es wird ein Parteikonvent mit 200 Delegierten eingeführt, der an die Stelle des bisherigen Parteirates tritt. Der Parteikonvent hat den Charakter eines „kleinen Parteitages“. Er wird das wichtigste Parteigremium zwischen den ordentlichen Bundesparteitagen und hat im Gegensatz zum heutigen Parteirat echte Entscheidungskompetenzen. Zusätzlich tagt einmal im Jahr eine Konferenz der Unterbezirks- und Kreisvorsitzenden. Um die Gliederungen zu stärken, wird der Bundesparteitag vergrößert. Statt 480 Delegierte sollen ihm 600 angehören.

Den Wert der Arbeit und die Lebensqualität im Alter erhöhen

Für die SPD steht der Wert der Arbeit im Mittelpunkt unserer Politik. Sie will einen Arbeitsmarkt ohne Armutslöhne. Die SPD fordert einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 €. Jeder, der Vollzeit arbeitet, muss davon ohne weitere Unterstützung leben können. Frauen und Männer sollen das gleiche verdienen und gleiche Aufstiegschancen haben. Die SPD will ein neues Gleichgewicht von Arbeit und Leben ermöglichen, indem die Beschäftigten mehr Zeitautonomie erhalten

Der Missbrauch von Minijobs und Leiharbeit muss beendet werden. Als ersten Schritt soll eine Begrenzung der Wochenarbeitszeit bei Minijobs auf 12 Stunden eingeführt werden. Der Grundsatz „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ muss für Stammbeschäftigte und Leiharbeiter ohne Ausnahme gelten.

Den für 2012 vorgesehenen Einstieg in die Rente mit 67 will die SPD aussetzen, bis mindestens 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Der Übergang in die Rente soll flexibler gestaltet werden, weil starre Regeln nicht der persönlichen Leistungsfähigkeit der Menschen gerecht werden. Zeiten geringen Verdienstes sowie der Arbeitslosigkeit sollen bei der Berechnung der Rente höher bewerten werden. Im Alter soll niemand nach einem langen Erwerbsleben auf Grundsicherung angewiesen sein.

Fortschritt und Gerechtigkeit: Wirtschaftlicher Erfolg, solide Finanzen und sozialer Zusammenhalt

Deutschland ist besser durch die Weltwirtschaftskrise gekommen als die meisten anderen Länder. Doch immer mehr Menschen werden vom Wohlstand abgekoppelt. Zwar sinkt die Arbeitslosigkeit, aber die Zahl der schlecht bezahlten, unsicheren Arbeitsplätze steigt. Die SPD will, dass wirtschaftlicher und technischer Fortschritt allen Menschen zu Gute kommt. Die SPD will Schulden abbauen, Steuern gerecht gestalten und in Bildung und Kommunen investieren.

Dafür müssen die Finanzmärkte konsequent reguliert werden. Die SPD fordert u.a. eine Spekulationssteuer (Finanztransaktionssteuer) mindestens im Euro-Raum einzuführen und bestimmte hochspekulative Geschäfte zu verbieten. Eine schlagkräftige europäische Aufsicht für Banken, Versicherungen und Wertpapiere soll ebenso aufgebaut werden wie die effektivere Kontrolle von Ratingagenturen.

Um nachfolgende Generationen zu entlasten, müssen die Schulden abgebaut werden. Deshalb will die SPD die konjunkturellen Steuermehreinnahmen dafür verwenden, die Neuverschuldung zu senken. Die SPD macht keine Steuersenkungsversprechen, für die neue Schulden aufgenommen werden müssten. Unnötige und ökologisch nachteilige Subventionen sollen ebenso abgebaut werden wie selektive Steuerbegünstigungen, wenn sie nicht zielgerichtet sind, keine sozialen Nachteile ausgleichen oder sogar gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten fördern. Insgesamt werden so knapp 15 Mrd. € gesamtstaatlich eingespart, davon 9 Mrd. beim Bund.

Um mehr in Bildung und Kommunen zu investieren, soll der Spitzensteuersatz für Bezieher höherer Einkommen auf 49 Prozent erhöht werden (ab einem jährlichen Einkommen von 100.000 €). Die SPD fordert eine Reform der Vermögens- und Kapitalertragsbesteuerung.

Für Bildung sollen ab 2016 10 Mrd. € mehr an Bundesmitteln zur Verfügung stehen. Um die Lebensqualität für alle zu steigern, sollen die Städte und Gemeinden mehr Geld für Soziales und Kultur zur Verfügung haben. Deshalb sollen Städte und Gemeinden ab 2016 zusätzlich zur Übernahme der Grundsicherungskosten jährlich rund 4 Mrd. € mehr erhalten.

Neuer Fortschritt für ein starkes Europa

Die SPD will die politische Einigung Europas ausbauen, um die Handlungsfähigkeit Europas zu stärken. Dazu gehört, wirtschafts- und finanzpolitisch enger zusammen zu arbeiten und die demokratische Legitimation zu erhöhen.

Um Europa langfristig als erfolgreichen Wirtschafts- und Sozialraum und als eine starke politische Kraft in der globalen Welt von heute zu etablieren, setzt die SPD sich für eine europäische Wirtschaftsregierung ein. Zu einer Währungsunion gehört eine europaweit abgestimmte stabilitäts- und wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik. Sie muss dafür sorgen, dass Europa wirtschaftlich nicht auseinanderdriftet, sondern gemeinsam wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt erreicht.

Um Europa erst einmal auf eine gesunde finanzielle Basis zu stellen, fordert die SPD, dass:

– alle EU-Mitgliedstaaten ihre Haushalte konsolidieren.

– Krisenstaaten, die den Rettungsschirm beanspruchen, ihre nationale Souveränität in der Stabilitäts- und Finanzpolitik teilweise aufgeben.

– alle Gläubiger einen gerechten Anteil an der Schuldentilgung tragen. Denn es geht nicht, dass ihr Risiko von den Steuerzahlern getragen wird.

– die internationalen Finanzmärkte reguliert werden.

Deshalb brauchen wir eine schärfere Regulierung hochspekulativer Produkte wie z.B. Derivate, höhere Eigenkapitalquoten der Banken, eine echte europäische Bankenaufsicht, ein spezielles Insolvenzrecht für alle Finanzmarktakteure. Die SPD fordert eine europaweite Finanztransaktionssteuer, um den Finanzsektor an den Kosten der Finanz- und Eurokrise zu beteiligen.

Solidarische Gesundheitspolitik für alle Bürgerinnen und Bürger

Die SPD wird gegen eine zunehmende Zwei-Klassen-Medizin vorgehen: Es soll nicht länger von der Versicherungskarte (privat oder gesetzlich) abhängen, wie jemand behandelt wird.

Deshalb fordert die SPD die Bürgerversicherung. Sie gewährleistet Gleichbehandlung und verhindert einen massiven Kostenanstieg für Gesetzlich- und Privatversicherte. Auch für die Pflege wird eine Bürgerversicherung angestrebt, deren Kosten Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gleichen Teilen tragen. Zudem soll Pflege durch Angehörige und professionelle Helfer aufgewertet und prekäre Beschäftigung zurückgedrängt werden.

Bürgerversicherung im Gesundheitssystem bedeutet: Es gibt nur noch ein Versicherungssystem für alle Bürgerinnen und Bürger. Auch die privaten Versicherungsunternehmen können die Bürgerversicherung anbieten. Damit wird die Bevorzugung von Privatversicherten beendet. Allein die Krankheit ist künftig ausschlaggebend, wie und wann jemand behandelt wird. So werden auch die Privatversicherten vor massivem Beitragsanstieg geschützt, weil es zukünftig keine überhöhte Abrechnung für Behandlungen gibt.

Die Arbeitgeber müssen wieder zur Hälfte an den Kosten des Gesundheitssystems beteiligt werden. Die Arbeitnehmerbeiträge sinken. Aber nur diejenigen Arbeitgeber müssen mehr zahlen, die besonders hohe Löhne zahlen und Boni, wie zum Beispiel Banken und Versicherungen. Eine aufwendige Erhebung von Beiträgen auf Mieten und Vermögen soll es nicht geben, sondern eine Beteiligung durch einen Steuerzuschuss aus der Kapitalbesteuerung. Ein unbürokratisches System.

Netzpolitische Anträge

Der netzpolitische Leitantrag wurde in einigen Teilen online mittels der Software „Adhocracy“ erstellt. Dabei konnte sich jeder Nutzer mit Vorschlägen und Bewertungen beteiligen. Die beiden ergänzenden Anträge zum Breitbandausbau und zur Netzneutralität wurden von Martin Dörmann für die SPD-Medienkommission erarbeitet und vom Parteitag ebenfalls einstimmig verabschiedet.

Die SPD will die sozialdemokratischen Grundwerte Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität auch in der „digitalen Gesellschaft“ verankern. Ohne gleiche Zugänge für alle, ohne gleiche Informationsmöglichkeiten, ohne die materiellen und technischen Voraussetzungen, ohne chancengleiche Bildung wird das Internet ein soziales Medium der Wenigen und nicht der Vielen sein. Die SPD will daher einen Hochgeschwindigkeitszugang für alle und Netzneutralität, also die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel.

Der Zugang zum schnellen Internet ist für uns Teil der Daseinsvorsorge. Deshalb wollen wir die flächendeckende Grundversorgung durch eine europarechtskonforme Universaldienstverpflichtung absichern. Wir wollen prüfen, freie WLAN-Netze in allen städtischen Kommunen gemeinsam mit Stadtwerken oder privaten Partnern vorzuhalten. Die Stellung von Medienpädagogik und die Vermittlung von Medienkompetenz müssen im gesamten Bildungssystem gestärkt werden.

Die SPD will die „digitale Welt“ gestalten und die sozialen Sicherungssysteme auf die bereits bestehenden und wachsenden Arbeitswelten im digitalen Raum ausdehnen. Es muss daher um gerechte Bezahlung und fairen Lohn für kreatives Schaffen gehen, aber auch um die Alterssicherung. Das Konzept „Gute Arbeit“ muss auch im boomenden Wirtschaftszweig rund um die neuen Kommunikationsinstrumente gelten.

 

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SPD-Kontrastprogramm zur Regierungskonfusion

Personell und inhaltlich starke SPD demonstriert Geschlossenheit

Liebe Leserinnen und Leser,

gut zwei Jahre nach der verlorenen Bundestagswahl hat die SPD die Phase der Konsolidierung und Erneuerung erfolgreich abgeschlossen. Vom Bundesparteitag im Dezember ging ein starkes Signal der Geschlossenheit und des Aufbruchs aus.

Zu praktisch allen wichtigen Themen gab es lebendige Debatten. Grundlegende Anträge wurden mit breiten Mehrheiten verabschiedet. Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück sind ein überzeugendes Führungsteam und ergänzten sich durch starke Auftritte nahezu perfekt. Und mit der großen Europarede von Helmut Schmidt bekam die Zusammenkunft in Berlin gar noch historischen Glanz. Die Sozialdemokratie hat damit in beeindruckender Weise ihre Regierungsfähigkeit demonstriert.

Jetzt geht es darum, bei den Menschen für einen Politikwechsel in Deutschland zu werben. Zunächst bei den nächsten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern, wo gute SPD-Kandidaten die Unionsregierungen knacken könnten, 2013 dann im Bund.

Unser Land wird schlecht regiert. Die schwarz-gelbe Bundesregierung schleppt sich von Anfang an durch und bietet keine überzeugenden Konzepte. Frau Merkel springt seit Beginn der Krise in Europa zu kurz. Ihre Aussagen und Ankündigungen werden in immer kürzeren Abständen von der Wirklichkeit eingeholt. Die Vertrauenskrise ist noch längst nicht überwunden, weil die bisherigen Beschlüsse unzureichend sind. Die Kanzlerin hat die Krise nicht verursacht – aber sie hat es versäumt, von Anfang an entschlossen gegenzusteuern und somit die Risiken für Deutschland weiter erhöht.

Bei ihrem Koalitionspartner FDP hat man immer mehr den Eindruck, man könnte doch gleich die Stelle eines Konkursverwalters ausschreiben. Der einseitig populistische Klientel- und Steuerentlastungskurs Westerwelles hat die inhaltliche Ausrichtung sträflich verengt und die Glaubwürdigkeit dieser Partei grundlegend erschüttert. Man hat so eine Ahnung, dass der kürzliche Rücktritt des Generalsekretärs Lindner nicht der letzte war. Insgesamt bietet diese Regierungskoalition ein Bild der Konfusion, also der Verwirrung und Unklarheit.

Dazu bietet die SPD ein deutliches Kontrastprogramm. Unsere personellen und inhaltlichen Alternativen können sich sehen lassen. Die SPD hat insbesondere konkrete Konzepte für mehr Gerechtigkeit, sozialen Zusammenhalt und wirtschaftlichen Erfolg.

Bildung darf nicht von der Herkunft abhängen, Gesundheit nicht vom Einkommen. Es geht um Arbeit, von der man anständig leben kann, um die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, um gleiche Aufstiegschancen für Frauen und Männer.

Wir haben unsere Vorschläge durchgerechnet und bieten eine solide Finanzierung an. Ja, wir brauchen zusätzliche Steuern von den besonders gut Verdienenden, weil wir notwendige Investitionen in die Zukunft nicht auf Pump finanzieren wollen, etwa für Bildung.

Wir stehen zu Europa und dem Euro, weil sie gerade in einer globalisierten Welt Arbeitsplätze und unsere wirtschaftliche Zukunft sichern.

Wir wollen die Demokratie innerhalb und außerhalb der Parlamente stärken und die Menschen gerade bei schwierigen Entscheidungen mitnehmen. Die auf dem Parteitag beschlossene Parteireform verankert zusätzliche Mitwirkungsrechte für Mitglieder und Beteiligungsmöglichkeiten für Unterstützer. Zudem gab es erstmals einen ausführlichen Leitantrag zur Netzpolitik, der die Grundsatzpositionen der SPD zur digitalen Gesellschaft definiert.

Die Zeit bis zur Bundestagswahl wollen wir nutzen, unser Programm weiter zu konkretisieren. Noch sind nicht alle Arbeiten erledigt. Gerade die Krise in Europa wird uns in besonderer Weise fordern.

Insgesamt aber präsentiert sich die SPD schon heute auf der Höhe der Zeit.

Herzlichst

Ihr

Martin Dörmann


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Änderung des Telekommunikationsrechts

Artikel aus Berlin Depesche Nr.67

Schwarz-Gelb verweigert Absicherung der Breitband-Grundversorgung

Am 28. Oktober hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Telekommunikationsrechts sowie einige Anträge der Opposition hierzu in 2./3. Lesung beraten. Der Gesetzentwurf wurde mit den Stimmen der Koalition angenommen. Allerdings steht ein endgültige Entscheidung noch aus, da der Bundesrat zwischenzeitlich den Vermittlungsausschuss angerufen hat. Das Gesetz ist zustimmungspflichtig.

In der Plenardebatte Ende Oktober hatte Martin Dörmann als zuständiger Berichterstatter der SPD-Fraktion auf Wirtschaftsminister Philipp Rösler geantwortet (siehe nachfolgend abgedruckte Rede).

Die von der schwarz-gelben Regierungskoalition vorgelegten Gesetzesänderungen bringen einige Verbesserungen, die von der SPD-Fraktion begrüßt werden. Allerdings resultieren die meisten davon aus den Vorgaben der einschlägigen EU-Richtlinien, die eigentlich bereits längst hätten umgesetzt werden müssen.

An vielen Stellen springt die Koalition deutlich zu kurz. Weder kommt es zu einer gesetzlichen Definition und wirksamen Absicherung der Netzneutralität im Internet, noch werden die notwendigen Impulse für den weiteren Breitbandausbau gesetzt. Damit verweigert die Regierungskoalition vielen Menschen Teilhabemöglichkeiten am technischen Fortschritt und lässt wirtschaftliche Potenziale ungenutzt.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat umfassende Anträge zum Breitbandausbau, zur gesetzlichen Absicherung der Netzneutralität und für besseren Verbraucherschutz im Bereich der Telekommunikation vorgelegt. Alle Anträge gehen deutlich über die Ansätze der Bundesregierung hinaus (siehe letzte Berlin Depeschen).

Unverständlich ist vor allem, dass die Koalition sich auch weiterhin einer gesetzlichen Absicherung der Breitband-Grundversorgung verweigert, die inzwischen Teil der Daseinsvorsorge geworden ist. Eine der zentralen politischen Aufgaben muss es sein, schnelles Internet für alle zu verwirklichen. Nach den Ankündigungen der Mobilfunkunternehmen rückt mit dem bereits begonnenen LTE-Ausbau eine flächendeckende Versorgung nahe, wird aber immer noch nicht vollständig umgesetzt. Um die drohende verbleibende Lücke zu verhindern, hat die SPD-Bundestagsfraktion eine europarechtskonforme Universaldienstverpflichtung vorgeschlagen. Damit wäre das Problem der „weißen Flecken“ endgültig gelöst.

Zudem haben wir dargelegt, welche weitergehenden Initiativen notwendig sind, um neben einer Grundversorgung auch für eine dynamische Entwicklung durch einen weiteren Glasfaserausbau zu sorgen. Planungsrechtliche Vorgaben und staatliche Förderprogramme müssen verbessert und erweitert werden, damit Wirtschaftlichkeitslücken schrittweise geschlossen werden. Alleine durch ein Sonderprogramm Breitbandausbau bei der KfW und damit verbundene Zinsverbilligungen könnten zusätzliche Investitionen in Milliardenhöhe angestoßen werden. Eine investitionsfreundliche Regulierung und ein „Open access“-Marktmodell können ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten.

Im Gesetzgebungsverfahren hat sich gezeigt, wie tief zerstritten die Koalitionsfraktionen insbesondere bei der Frage des Universaldienstes ist. Nachdem monatelang Stillstand herrschte, hat sie ihren Änderungsantrag erst auf die letzte Minute vorgelegt und damit eine angemessene parlamentarische Beratung verhindert. Dabei ist die europäische Umsetzungsfrist bereits seit Monaten abgelaufen. Das ist Politikstau statt Datenturbo. Da es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, setzt die SPD-Fraktion nun darauf, dass mit Hilfe der Länder Versäumtes nachgeholt werden kann.

Bundestagsrede von Martin Dörmann in der Plenardebatte am 28. Oktober:

Herr Präsident!

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister, wir haben durchaus positiv vernommen, dass Sie hier das Thema Netzneutralität in den Vordergrund gestellt haben. Ich denke, wir werden Sie an Ihren Worten messen.

Ich komme gerade von einer Diskussion, wo ein Unionskollege gesagt hat:

(Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Wer denn?)

Netzneutralität ist ein staatlicher Eingriff. ‑ Das hat er kritisch gemeint. Ich bin gespannt, wie die Koalition das zusammenbringt.

(Zuruf von der FDP: Wer war es denn?)

Ich denke, der Kollege Jarzombek wird nachher selber dazu Stellung nehmen.

Ich komme gerade von einer Veranstaltung der Amerikanischen Handelskammer mit dem Titel: Das TKG in der Warteschleife? Ich finde, die Fragestellung passt sehr gut zu dem gesetzgeberischen Stillstand in den mehr als fünf Monaten seit der ersten Lesung der Novelle. Immer wieder hat die Koalition die abschließenden Beratungen verschoben, weil es innerhalb der Unionsfraktionen oder zwischen FDP und Union hin- und herging. Zum zentralen Thema Breitbandausbau fand man lange keine gemeinsame Position. Inzwischen ist übrigens die Umsetzungsfrist für die einschlägigen EU-Richtlinien längst verstrichen, sodass Deutschland eine Strafzahlung droht.

Am Dienstag dieser Woche jedoch hat die Koalition ihr eigenes Chaos noch einmal gesteigert. Morgens hieß es, das TKG würde beraten. Mittags wurde den Parlamentarischen Geschäftsführern dann mitgeteilt, die Beratung müsse um eine Woche verschoben werden. Als dann die Fraktionssitzungen zum Teil schon beendet waren, kam am späten Nachmittag überraschend die Nachricht: Das Thema wird doch wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

Erst am Abend wurde dann der umfangreiche Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen per E-Mail zugesendet. Den meisten Abgeordneten wurde so die Möglichkeit genommen, die Unterlagen vor den Ausschusssitzungen am nächsten Tag sorgfältig zu prüfen.

(Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Unverschämtheit!)

Doch damit nicht genug. Im Innenausschuss kam es am Mittwoch zum Eklat, weil die Koalitionsmehrheit eine Debatte zur Gesetzesnovelle verhinderte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, das ist kein angemessener Umgang mit einem wichtigen Gesetz. Sie sollten Ihre Streitigkeiten zukünftig nicht mehr auf dem Rücken des Parlamentes austragen.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Auch das inhaltliche Ergebnis lässt doch an vielen Stellen zu wünschen übrig. Immerhin wollen wir aber anerkennen, dass es in einigen Punkten durchaus Verbesserungen gab, die wir ausdrücklich begrüßen. Namentlich will ich den auch von uns geforderten besseren Zugang zu alternativen Infrastrukturen nennen, der Kostenvorteile für den Breitbandausbau ermöglicht. Wichtige unserer Forderungen wurden jedoch nicht umgesetzt. Ich will in diesem Zusammenhang auf die von der SPD-Fraktion vorgelegten umfassenden Anträge zu den Themenbereichen Breitbandausbau, Netzneutralität und Verbraucherschutz hinweisen. So springt die Regierungskoalition insbesondere beim Thema Breitbandausbau trotz einiger Einzelverbesserungen weiterhin zu kurz.

Zwei Aspekte müssen wir beim Breitbandausbau unterscheiden: Zum einen geht es um eine flächendeckende Grundversorgung, damit schnelles Internet für alle endlich verwirklicht werden kann. Zum anderen brauchen wir eine dynamische Entwicklung und damit einen weiteren Ausbau der Glasfasernetze. Eine schnelle Internetverbindung ‑ darin sollten wir uns eigentlich einig sein ‑ wird inzwischen in vielen Lebensbereichen einfach vorausgesetzt. Damit ist ein Breitbandanschluss aber auch zu einem Teil der Daseinsvorsorge geworden.

Deshalb will die SPD-Bundestagsfraktion mit Hilfe einer gesetzlichen Universaldienstverpflichtung die Grundversorgung sicherstellen. Noch immer sind zahlreiche Kommunen und Hunderttausende von Haushalten nur unzureichend versorgt. Universaldienst bedeutet dabei: Jeder hat einen Anspruch auf die Leistung, aber eben nicht kostenlos, sondern zu einem angemessenen Preis.

(Dr. Erik Schweickert (FDP): Wie hoch soll der denn sein?)

Nach meiner festen Überzeugung haben wir hierfür als einzige Fraktion einen wirklich europarechtskonformen Weg aufgezeigt.

(Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir auch!)

Wir orientieren uns dabei an einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, das wir frühzeitig in Auftrag gegeben und übrigens allen Fraktionen zur Verfügung gestellt haben. Die EU-Universaldienstrichtlinie erlaubt keine beliebige Verpflichtung, sondern setzt dafür klare Grenzen und Kriterien.

Der Universaldienst muss technologieneutral ausgestaltet werden und Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Die konkrete Bandbreite muss sich an der Bandbreite orientieren, die von der Mehrheit der Nutzer tatsächlich verwendet wird. Es geht also um die abgeschlossenen Verträge und um die Übertragungsgeschwindigkeiten, die mehrheitlich erreicht werden.

(Dr. Erik Schweickert (FDP): Nennen Sie doch einmal eine Zahl!)

Nach Einschätzungen der Branche und der Bundesnetzagentur dürften diese Bandbreiten irgendwo in einem Bereich zwischen 2 und 6 Megabit pro Sekunde liegen. Exakte Erhebungen und Zahlen gibt es allerdings noch nicht. Gerade deshalb fordert die SPD-Fraktion in ihrem Antrag, dass zunächst die zulässige Bandbreite ermittelt und dann auch konkret in das Gesetz aufgenommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Nur ein solcher Weg schafft echte Planungssicherheit und vermeidet mögliche Klagen von Unternehmen.

Nun wollen auch Grüne und Linksfraktion den Universaldienst; sie legen sich aber bereits heute auf eine konkrete Bandbreite fest, die eben nicht solide ermittelt wird.

(Dr. Konstantin von Notz (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN): Wie die EU!)

Die Grünen etwa zitieren aus einem eigenen Gutachten, in dem die Berechnungsmethode nicht dargelegt ist. Es gibt also zurzeit noch keine verifizierten Zahlen.

Die FDP ist bekanntlich aus ideologischen Gründen ganz gegen den Universaldienst,

(Claudia Bögel (FDP): Das sind gute Gründe! ‑ Gegenruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dagegenpartei!)

und in der Union gibt es ein ziemlich großes Durcheinander. Noch am Dienstagmorgen hieß es, der Universaldienst sei im Antragsentwurf enthalten. In einem Papier der Unionsfraktion war zwischenzeitlich sogar von einem Universaldienst mit 16 oder 50 Megabit die Rede, obwohl jeder Experte weiß, dass das rechtlich erst recht nicht umzusetzen wäre.

Ich glaube, gerade diese unseriöse Diskussion hat am Ende berechtigte Kritik provoziert und vielleicht auch verhindert, dass heute ein vernünftiges Modell seitens der Koalition zur Abstimmung gestellt wurde. Ich hoffe, dass die Diskussion durch den Umweg über den Bundesrat ‑ der Gesetzentwurf ist schließlich zustimmungspflichtig ‑ vielleicht noch nicht ganz abgeschlossen ist.

Ich will an dieser Stelle noch auf die Argumente eingehen, die gegen eine Universaldienstverpflichtung vorgetragen werden. So heißt es, der Wettbewerb werde schon zu den richtigen Ergebnissen führen, und es wird auf den bereits begonnenen LTE-Ausbau hingewiesen. Ich will ausdrücklich betonen: Auch wir sind für Wettbewerb und Investitionen möglichst vieler Unternehmen. Die Mobilfunkunternehmen haben aber keine vollständige, sondern nur eine weitgehende Abdeckung angekündigt. Die höchste Zahl, die genannt wird, ist 99 Prozent. Das ist bekanntlich weniger als 100 Prozent.

Eine vollständige Abdeckung ist also noch nicht sicher. Sie war im Übrigen auch seinerzeit in den Versteigerungsbedingungen nicht enthalten. Darin ging es nur um 90 Prozent. Deshalb sagen wir: Verbleibende weiße Flecken dürfen wir nicht weiter hinnehmen.

(Beifall bei der SPD – Claudia Bögel (FDP): Das machen wir auch nicht!)

Im Übrigen sind auch keine Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten. Denn der Universaldienst würde nur dort greifen, wo nicht investiert wird. Wo kein Wettbewerb ist, kann auch nichts verzerrt werden.

Hinzu kommt: Unser Vorschlag sieht vor, dass wir die Universaldienstverpflichtung erst zum 1. Januar 2013 wirksam werden lassen. Damit erhalten die Unternehmen selbst die Möglichkeit, durch einen vollständigen Ausbau die Auferlegung von Verpflichtungen zu vermeiden.

Sollte sich Ende 2012 hoffentlich herausstellen, dass es keine weißen Flecken mehr gibt, bräuchte also auch kein aufwendiges Verfahren in Gang gesetzt zu werden. Mit einer gesetzlichen Regelung hätten wir aber endlich die Gewissheit, dass alle Kommunen und Haushalte versorgt werden.

Neben einer Grundversorgung im Sinne der Daseinsvorsorge brauchen wir eine dynamische Entwicklung beim weiteren Breitbandausbau. Das bedeutet in erster Linie einen schrittweisen Ausbau des Glasfasernetzes.

(Abg. Thomas Jarzombek (CDU/CSU) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Präsident, ich glaube, der Kollege Jarzombek hat eine Frage.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das klingt sehr stark nach einer seit Tagen bestehenden Absprache. Aber zu dieser frühen Morgenstunde wollen wir besonders großzügig sein. ‑ Bitte schön, Herr Kollege Jarzombek.

Thomas Jarzombek (CDU/CSU):

Vielen Dank, Herr Präsident. ‑ Herr Kollege Dörmann, wir führen schon fast die Diskussion von vorhin fort.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Sehen Sie? Ich fühle mich bestätigt.

Thomas Jarzombek (CDU/CSU):

Habe ich Sie richtig verstanden, dass der Universaldienst, den Sie ins Gesetz aufnehmen wollen, zum 1. Januar 2013 greift? Sie wissen, dass man dann erst einmal den jeweiligen Bedarf feststellen muss. Anschließend muss ausgeschrieben werden. Die Unternehmen müssen sich auf diese Ausschreibungen hin bewerben. Es wird Widersprüche bei den Vergabekammern geben. Dann wird die Infrastruktur ausgebaut. Dieser Prozess wird, vorsichtig geschätzt, zwei bis vier Jahre dauern.

Das heißt: Ausgehend vom 1. Januar 2013 streben Sie, wenn man die zwei bis vier Jahre dazurechnet, für 2016 eine Bandbreite von 2 Megabit an. Ist das heute Ihr Vorschlag?

(Dr. Erik Schweickert (FDP): Das ist die SPD!)

Martin Dörmann (SPD):

Nein, Herr Jarzombek. Erstens ist Ihr Zeitplan falsch. Richtig ist: Das Ganze soll ab dem 1. Januar 2013 als gesetzliche Verpflichtung greifen. Richtig ist auch, dass dann natürlich erst einmal der Bedarf festgestellt werden muss und dass es dann gegebenenfalls eine Ausschreibung geben muss. Wir haben die Hoffnung, dass Ihre Prognose, dass der LTE-Ausbau sehr weit reicht, dazu führen wird, dass es eine überschaubare Anzahl von Regionen gibt, in denen man eine Prüfung vornehmen muss. Dann wird ausgeschrieben. Dort, wo weiße Flecken bleiben, greift die Regelung.

Da Sie auf 2 Megabit abzielen: Wir haben in unserem Antrag ausdrücklich das aufgenommen, was die EU vorgibt. Wir müssen erst einmal feststellen, welche Bandbreite von einer Nutzermehrheit verwendet wird. Wir haben in unserem Antrag die Bandbreite nicht konkretisiert, weil wir noch keine exakten Zahlen haben.

Wenn Sie argumentieren, dass es letztendlich kein Problem gibt, weil der Ausbau so umfassend vorgenommen wird, dann wird es auch nicht zu einer solchen Zeitabfolge kommen. Eigentlich ist Ihre Argumentation die beste Begründung dafür, endlich eine gesetzliche Absicherung vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe gerade angedeutet: Es geht auch um eine dynamische Entwicklung des Glasfaserausbaus. Wir brauchen in Zukunft höhere Übertragungsgeschwindigkeiten. Beim Glasfaserausbau haben wir aber das Problem, dass die Tiefbaukosten sehr hoch sind, fast 80 Prozent der Gesamtkosten betragen und dass sich deshalb ein entsprechender Ausbau in ländlichen Gebieten oft nicht lohnt, zumal die Bereitschaft der Kunden, für größere Bandbreiten mehr Geld zu zahlen, nicht sehr ausgeprägt ist. Höhere Übertragungsraten lassen sich noch nicht in ausreichendem Maße vermarkten. Doch alle Erfahrung zeigt: Der Datenhunger wird dynamisch wachsen. Künftig wollen die Menschen über ihren HD-Fernseher Streaming-Angebote und Internetanwendungen abrufen, vielleicht sogar auf mehreren Geräten im Haushalt. Das bietet eine enorme wirtschaftpolitische Chance, weil diese Dynamik zu Wachstum führt. Auch an dieser Stelle sollte Deutschland Spitze sein.

Vor diesem Hintergrund brauchen wir ein Maßnahmenbündel, das die Wirtschaftlichkeitslücke schrittweise schließt. Dazu gehört die konsequente Hebung von Synergieeffekten, etwa der Zugang zu vorhandenen Infrastrukturen, um Grabungskosten zu vermeiden. Gezielte Förderprogramme können ebenfalls helfen. Oft würde es bereits ausreichen, wenn das investierende Unternehmen langfristige Kredite zu günstigeren Zinsen aufnehmen könnte. Deshalb regen wir ein Sonderprogramm bei der KfW an, das zu einer Zinsverbilligung führt. Ich freue mich, dass das Wirtschaftsministerium in der gestrigen Ausschusssitzung zugesagt hat, diesen Vorschlag konstruktiv zu prüfen.

Dazu gehören ebenfalls eine investitionsfreundliche Regulierung und ein Open-Access-Marktmodell. Wir brauchen eine Vielzahl an Maßnahmen, um hier weiterzukommen. Viele Baustellen bleiben auch nach Verabschiedung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen bestehen.

Ich komme zum Schluss. Lassen Sie uns heute und in Zukunft die Rahmenbedingungen schaffen, damit Warteschleifen im Netz und in der Politik der Vergangenheit angehören.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)


 

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Berlin Depesche Nr. 67

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Register 2011

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Das Register 2011 ist eine Ãœbersicht aller Artikel der Wahlkreiszeitung Berlin Depesche von Januar bis Dezember 2011.

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Jahrbuch 2011

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Das neue Jahrbuch 2011 ist nun als download verfügbar.
Es ist eine Dokumentation über meine Arbeit als Bundestagsabgeordneter von Januar bis Dezember 2011.

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Untätige Bundesregierung scheitert an eigenen Breitbandzielen

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Anlässlich des von der Bundesregierung vorgelegten zweiten Monitoringberichts zur Breitbandstrategie und des anstehenden Bundesrats-Vermittlungsverfahrens zur Novellierung des Telekommunikationsrechts erklärt Martin Dörmann:

Die Bundesregierung droht sämtliche Vorgaben ihrer Breitbandstrategie zu verfehlen. Mit dem Ziel einer flächendeckenden Breitbandabdeckung bis Ende 2010 ist sie bereits gescheitert. Das weitergehende Ausbauziel von 50 MBit/s für 75 Prozent der Haushalte bis Ende 2014 ist nach Einschätzung der Länder und selbst des Wirtschaftsstaatssekretärs Stefan Kapferer kaum noch erreichbar.

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Das Grundgesetz-Quiz

Nur noch bis zum 15.Januar haben interessierte Bürgerinnen und Bürger die Chance, am Grundgesetz-Quiz im Rahmen der Ausstellung „Faszination Grundgesetz“ des Bürgerbüros Porz teilzunehmen.

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