Mehr soziale Gerechtigkeit und Zukunftsinvestitionen

Zum Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD

Liebe Leserinnen und Leser,

Mitte November habe ich auf meiner Facebook-Seite zur damals strittigen Frage einer Großen Koalition geschrieben, was ich mir wünschte: eine selbstbewusste SPD, gute Verhandlungsergebnisse für die Menschen in Deutschland und eine solidarische Mitgliedschaft. Alle drei Wünsche sind in Erfüllung gegangen.

Nach intensiven Verhandlungen haben sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, der in weiten Teilen eine sozialdemokratische Handschrift trägt. Mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, der Eingrenzung von Leih- und Zeitarbeit, der abschlagfreien Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren sowie mehr Investitionen in Kommunen, Bildung und Infrastruktur konnten zentrale Wahlversprechen umgesetzt werden.

Es stehen zusätzlich 9 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur Verfügung, was die Länder zum Beispiel für den Kita-Ausbau, Schulen, Hochschulen und für die Weiterfinanzierung der Schulsozialarbeit nutzen können. Der Bund wird schrittweise die Kosten der Eingliederungshilfe für Behinderte übernehmen, was die Kommunen jährlich um 5 Milliarden Euro entlasten wird. Zudem werden die Städtebaumittel um 600 Millionen auf 700 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt, was insbesondere auch dem Leitprogramm „Soziale Stadt“ zugute kommt. Und für die Verkehrsinfrastruktur gibt es zusätzlich 5 Milliarden Euro. Die solide Finanzierung erfolgt ohne neue Schulden aus den zu erwartenden Steuereinnahmen.

Der Koalitionsvertrag ist im Kern eine Kombination aus Zukunftsinvestitionen und Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit und gute Arbeit. Dies waren auch die Schwerpunkte des SPD-Wahlkampfs. Klar ist, dass in einer Koalition auch Kompromisse geschlossen werden müssen und wir an manchen Stellen gerne noch mehr erreicht hätten. Aber es war nicht zu erwarten, dass sich die Unterschiede zwischen Union und SPD in Luft auflösen. Angesichts eines schlechten Wahlergebnisses von 25,7 % haben wir jedoch viel mehr durchgesetzt, als uns die meisten zugetraut hätten.

Hinzu kommt, dass sich das Mitgliedervotum als genialer Schachzug von Sigmar Gabriel und beeindruckende Belebung der innerparteilichen Demokratie erwiesen hat. 369.680 Mitglieder (78 %) haben sich beteiligt. Mit rund 76 % fiel die Zustimmung zur Großen Koalition sehr deutlich aus. Wir haben über Wochen eine so spannende Debatte in der Partei über sozialdemokratische Inhalte und politische Strategien erlebt, wie wohl noch niemals zuvor. Viele haben sich am Ende gerade durch die Verhandlungserfolge überzeugen lassen. Insgesamt geht die SPD aus dem Prozess deutlich gestärkt und mit viel Selbstbewusstsein hervor.

Diesen Schwung müssen wir nun für die Regierungsarbeit nutzen. Drei starke SPD-Frauen und ‑Männer verantworten in ihren jeweiligen Ministerien wichtige Politikfelder. Daneben wird die SPD-Bundestagsfraktion mit ihrem neuen Vorsitzenden Thomas Oppermann darauf achten, dass sozialdemokratisches Profil in der Parlamentsarbeit sichtbar wird.

Klar ist: die Große Koalition ist nur ein Bündnis auf Zeit und Ultima Ratio, weil es keine anderen tragfähigen politischen Konstellationen gegeben hat. 2017 wird die SPD antreten, um wieder den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin in einer anderen Koalition zu stellen. Bis dahin aber geht es um Verlässlichkeit und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Um die müssen sich beide Seiten bemühen, ohne hierbei ihre eigene Identität aufzugeben.

Vor uns liegen in jedem Falle spannende vier Jahre. Ein guter Anfang ist gemacht.