Unabhängigkeit, Profil und Entwicklungsfähigkeit stärken:

Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist eine der wesentlichen medienpolitischen Fragestellungen im Jahr 2011. Die anstehende Entscheidung für einen neuen Rundfunkbeitrag, kontroverse Diskussionen mit Zeitungsverlegern um das Engagement im Internet und die von Rheinland-Pfalz eingereichte Verfassungsklage zum ZDF-Staatsvertrag sind hierfür wichtige Beispiele.

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Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt nach wie vor eine elementare Rolle zur Sicherung einer pluralen, qualitativ hochwertigen Medienordnung zu. Um diese Aufgabe zu erfüllen, geht es aus meiner Sicht um vier Kernziele: die Sicherung der finanziellen Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Stärkung seiner politischen Unabhängigkeit, die Schärfung des Programmprofils und die Nutzung der Entwicklungsmöglichkeiten im Internet.

1. Finanzielle Zukunftsfähigkeit sichern

Das Bundesverfassungsgericht hat stets betont, dass zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in der dualen Rundfunkordnung die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Einschluss seiner bedarfsgerechten Finanzierung gehört.

Der von den Ministerpräsidenten unterzeichnete 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird, sofern die Länderparlamente zustimmen, das bisherige Gebührenmodell durch einen Rundfunkbeitrag ersetzen, der pro Haushalt bzw. (nach Mitarbeitern gestaffelt) für Betriebsstätten erhoben wird. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der bisherige Gerätebezug durch die fortschreitende technische Entwicklung nicht mehr zeitgemäß erscheint, da immer mehr Menschen Radio- und TV-Inhalte auch über den PC oder internetfähige Smartphones empfangen. Zudem würde die demografische Entwicklung weitere Einnahmeverluste bedeuten. Mit dem neuen Beitragsmodell soll die finanzielle Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die gebotene gesellschaftliche Akzeptanz gesichert werden.

Wie bei einer so grundsätzlichen Modellumstellung nicht anders zu erwarten, gibt es auch kritische Nachfragen. Befürchtungen, am Ende könnten die Rundfunkanstalten nicht gerechtfertigte Überschüsse erzielen, sind jedoch unbegründet. Selbst wenn entgegen aller seriöser Prognosen höhere Erträge erzielt würden, müssten diese bei der nächsten Beitragsberechnung durch die KEF berücksichtigt werden. Mehreinnahmen würden also (zeitversetzt) zu einer Stabilisierung bzw. zu einem Absenken des Beitrages führen. Unter dem Strich ist eine gerechte Lösung gefunden worden, die in ähnlicher Größenordnung wie bisher die Wirtschaft mit einbezieht und gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, den Rundfunkbeitrag für die Bürgerinnen und Bürger stabil zu halten.

Dabei ist zu betonen, dass die Politik keine Vorgaben zur konkreten Beitragshöhe festlegen darf. Der Grundsatz der Trennung zwischen der Gestaltung des Auftrags und der Festsetzung der Rundfunkgebühr soll nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Risiken einer mittelbaren Einflussnahme auf die Wahrnehmung des Programmauftrags ausschließen und damit die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten sichern. Wer den öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die Beitragsdeckelung politisch steuern wollte, würde spätestens in Karlsruhe scheitern.

Es ist zu hoffen, dass die Landtage dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag als einem tragfähigen Kompromiss zustimmen, um die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks finanziell zu sichern. Dies gilt insbesondere mit Blick auf NRW und dort speziell für die CDU als Oppositionspartei, deren Stimmen möglicherweise gebraucht werden. Diese sollte sich ihrer medien- und staatspolitischen Verantwortung bewusst sein, gerade nach dem von ihr verursachten Scheitern des Jugendmedienschutzstaatsvertrages, den sie zuvor selbst mit ausgehandelt hatte.

2. Politische Unabhängigkeit stärken

Ebenso wichtig wie die finanzielle ist auch die (partei-) politische Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese ist zwar weit weniger stark gefährdet, als es landläufig angenommen wird. Dennoch belegen die in letzter Zeit wiederholten parteipolitisch motivierten Einflussnahmen der Union auf Personalentscheidungen und Programmgestaltung beim ZDF (insbesondere bei der Causa Brender und beim Magazin Frontal 21), dass durchaus Handlungsbedarf besteht.

Es war richtig, dass Kurt Beck zunächst versucht hat, die notwendige Staatsferne durch eine Änderung des ZDF-Staatsvertrages herbeizuführen. Gute und zielführende Vorschläge für Änderungen bei der Zusammensetzung von Fernseh- und Verwaltungsrat lagen auf dem Tisch. Leider haben sich unionsgeführte Länder im letzten Jahr der notwendigen Reform verschlossen. Wie angekündigt, hat Rheinland-Pfalz inzwischen einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die SPD hat also Wort gehalten. Die SPD-Bundestagsfraktion stand von Anfang an in enger Abstimmung mit den sozialdemokratisch geführten Bundesländern und hat diesen Weg aktiv unterstützt. Wir setzen nun auf Karlsruhe, um die Unabhängigkeit und Staatsferne beim ZDF nachhaltig zu sichern.

Das bedeutet nicht, dass politische Parteien gänzlich außen vor sein sollten. Auch sie sind Teil unserer Gesellschaft und repräsentieren eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern. Es darf aber auf keinen Fall zu einem dominierenden Einfluss kommen. Selbst der Anschein wäre geeignet, die Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu gefährden.

3. Programmprofil schärfen

Die Umstellung auf einen neuen Rundfunkbeitrag, der unabhängig von der tatsächlichen Nutzung des Programms zu zahlen ist, dürfte den Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zusätzlich erhöhen, Effizienz und Qualität seines Programms nachhaltig zu sichern und möglichst noch zu verbessern.

Dazu gehört, das spezifisch öffentlich-rechtliche Programmprofil zu schärfen, auch in Abgrenzung zu Angeboten des privaten Rundfunks. Dabei sollten durch Kooperation und Absprachen zwischen ARD und ZDF sowie innerhalb der ARD vorhandene Synergieeffekte konsequent genutzt werden. Auch bei den Digitalkanälen können durch Konzentration und stärkere Orientierung auf spezifische Gruppen, etwa junge Zuschauer/innen, positive inhaltliche und finanzielle Effekte erzielt werden.

Die richtige Forderung nach spezifischem Profil und Effizienz darf jedoch nicht dazu herhalten, den bewusst weit definierten Funktionsauftrag zu beschneiden oder in Frage zu stellen. Damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Faktor und Medium öffentlicher Meinungsbildung wirken kann, braucht er auch massenattraktive Inhalte, um nicht in der Wahrnehmungsnische zu verschwinden. Eine grundsätzliche Aufteilung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk nach Programmformen und Genres widerspräche dem Modell eines gesellschaftlich relevanten öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Meinungsbildung, Wertevermittlung und Gemeinschaftsbildung findet letztlich in allen Programmbereichen statt, auch in der Unterhaltung und im Sport. Die publizistische Konkurrenz ist zudem im Interesse einer hohen Qualität des gesamten Rundfunksektors.

Das duale Rundfunksystem hat eine elektronische Medienlandschaft in Deutschland hervorgebracht, die hinsichtlich ihrer inhaltlichen Vielfalt und Qualität im internationalen Vergleich ihresgleichen sucht. Bei aller berechtigter Kritik im Einzelfall: ARD, ZDF und Deutschlandradio haben mit einem vielfältigen Angebot aus Information, Bildung, Kultur, Sport und Unterhaltung für alle Bildungs- und Altersschichten entscheidend zur Sicherung eines qualitativ hochwertigen Angebots in den elektronischen Medien beigetragen.

Forderungen, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollten sich bei der Einführung modernster Technik eher zurückhalten, sind ebenfalls kontraproduktiv Ohne die HDTV-Angebote von ARD und ZDF wäre die bisherige Digitalisierung der Fernsehhaushalte weitaus schleppender vorangekommen. Es sind nicht zuletzt öffentlich-rechtlichen Programminhalte, die technischen Innovationen erst zum Durchbruch verhelfen. Es würde daher der Digitalisierung und damit der wirtschaftlichen Entwicklung im Mediensektor insgesamt schaden, wenn die Öffentlich-rechtlichen sich nicht mehr an modernen Entwicklungen beteiligen dürften.

4. Entwicklungsmöglichkeiten im Internet nutzen

Die Meinungsbildung, insbesondere der jüngeren Generation, erfolgt bereits heute in starkem Maße über das Internet. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rundfunkgebührenentscheidung 2007 bekräftigt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in programmlicher, finanzieller und technischer Hinsicht nicht auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand beschränkt werden darf. Deshalb ist die Grundfrage positiv geklärt, dass Entwicklungsmöglichkeiten im Internet gesichert werden müssen. Seine gesellschaftliche Aufgabe kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur erfüllen, wenn seine Inhalte auf den technischen Wegen und mit den Endgeräten genutzt werden können, die der Mediennutzung im 21. Jahrhundert entsprechen.

Das Programmangebot muss also für neue Inhalte, Formate und Genres sowie für neue Verbreitungsformen offen bleiben. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können somit beispielsweise auch Apps anbieten, um ihre Inhalte auf dem von immer mehr Menschen genutzten mobilen Verbreitungsweg besser zugänglich zu machen. Es wäre nur schwer vermittelbar, diese Angebote zusätzlich kostenpflichtig zu machen, soweit sie zum Kernbereich des Auftrages gehören, wie zum Beispiel die Tagesschau. Etwas anderes könnte für darüber hinaus gehende Verwertungsmodelle in Betracht kommen, um den Verlegern die Einführung kostenpflichtiger Apps nicht schwerer zu machen als notwendig. So erzielte Einnahmen könnten bei der Beitragsberechnung durch die KEF berücksichtigt werden.

Fazit

Die Umsetzung der beschriebenen vier Kernpunkte würde sowohl die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichern als auch seine notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung stärken. Ein lohnenswertes Ziel.