Rot-grüner Aufbruch mit Kraft – schwarz-gelbe Quälerei unter Merkel.

Artikel von Martin Dörmann aus der Berlin Depesche Nr. 60.

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Liebe Leserinnen und Leser,

mit der Wahl von Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin und der Bildung eines rot-grünen Kabinetts wird ein neues Kapitel in der Geschichte unseres Landes NRW aufgeschlagen.Immerhin: es ist die größte aller denkbaren Minderheitsregierungen.
Gerade mal eine Stimme fehlt Rot-Grün zu einer eigenen Mehrheit.

Die Sondierungsgespräche mit den anderen drei im Landtag vertretenen Parteien hatten ergeben, dass alle sich aus unterschiedlichen Gründen der Anerkennung von neuen Realitäten im
Fünf-Parteien-System verweigerten.

Die Linkspartei war nicht bereit und in der Lage, Regierungsverantwortung zu übernehmen und auch zu unbequemen – aber finanziell notwendigen – Entscheidungen zu stehen. Die FDP konnte sich nicht aus ihrer einseitigen Fixierung auf ihre Klientel und die Union lösen. Und mit derCDU war weder inhaltlich noch personell ein Politikwechsel möglich, den die Wählerinnen und
Wähler ganz offensichtlich wollten.

So blieb Hannelore Kraft letztlich nur der Weg, das rot-grüne Experiment zu wagen. Sicherlich nicht mohne Risiko – aber eben konsequent. Schließlich geht es ihr nicht nur um einen Politikwechsel sondern auch um einen neuen Politikstil. Beides verkörpert sie glaubwürdig. Auf dem letzten SPDLandesparteitag lautete denn auch der passende mSlogan hinter ihr: „Mutig – herzlich – gerecht“. Die Frau ist halt Programm.

Welchen Kontrast zum rot-grünen Aufbruch in NRW bietet dagegen die schwarz-gelbe Koalition in Berlin unter Merkel: „Zaghaft – zerstritten – klientelorientiert“ könnte der Titel des Dramas lauten, das die Koaltionäre in immer wieder neuen Akten aufführen. Und zwar ganz und gar nicht zum Gefallen des Publikums, sieht man einmal von ein paar Hoteliers ab.

Trotz klarer Mehrheit vermag es diese Bundesregierung nicht, als Team zu handeln oder überhaupt mgemeinsam positive Ziele zu formulieren, geschweige denn umzusetzen. Alles ist Stückwerk, mnach hinten gewandt, dilettantisch aufgeführt. Es mrächt sich, dass ein Koalitionsvertrag ausgehandelt wurde, der reine Klientelinteressen bediente, vieles unkonkret ließ und schon damals realitätsfern war, weil er die absehbare Finanzlage ausblendete. Ein schwarz-gelbes Projekt und Wahlversprechen nach dem anderen wird nun aufgegeben, verwässert, gebrochen. „Mehr Netto vom Brutto“ – der mliberale Wahlkampfspruch ist unvergessen. Was aber sehen wir? Statt eine echte Gesundheitsreformauf den Weg zu bringen, werden einseitig die gesetzlich Krankenversicherten zur Kasse gebeten. Und gerade erst im Koalitionsausschuss beschlossen, werden einzelne Teile des gefundenen Gesundheitskompromisses innerhalb der Koalition auch schon wieder kritisiert oder in Frage gestellt. Frei nach dem Motto: wenn ich schon regierungsunfähig bin, dann mache ich eben wenigstens selbst die Oppositionsarbeit.

Beim Sparpaket hat man erneut bewiesen, welch geringen Stellenwert soziale Balance und Gerechtigkeit für diese Koalition haben. Es ist zu befürchten, dass die schwarz-gelbe Quälerei noch drei Jahre anhält. Diese Regierung hat keine Seele, keine Vision, keinen Kompass – und keine Führung. Die Zahl ihrer „Neustarts“ erinnert fatal an die vielen gescheiterten Versuche von BP, das Öl-Leck im Golf von Mexiko zu schließen. Die Kosten für die Allgemeinheit sind in beiden Fällen noch
kaum absehbar.

Im letzten Anlauf schaffte es die Koalition immerhin, Christian Wulff bei der Wahl zum Bundespräsidenten die notwendige Mehrheit zu verschaffen. Um jedoch gleich anschließend in tagelange interne Diskussionen zu verfallen, wer Merkel in den ersten beiden Wahlgängen wohl abstrafen wollte. Das höchste Staatsamt wird hoffentlich auch das unbeschadet überstehen. Nachdem schon Horst Köhler aus einem nicht nachvollziehbaren Grund zurückgetreten war.

Der von Rot-Grün ins Rennen geschickte Kandidat Joachim Gauck hat in der Bevölkerung große Unterstützung und Sympathien erfahren. Ein Bild von ihm hat mir besonders gut gefallen: „Verantwortung ist die Freiheit der Erwachsenen“.

Es wird Zeit, dass Merkel und Westerwelle endlich erwachsen werden. Oder sie sollten uns von sich befreien.