Standpunkt aus Berlin Depesche Nr. 101 (November 2016)

Globale Kommunikation braucht unabhängigen Journalismus

Die aktuelle Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen e.V. zeigt eine besorgniserregende Entwicklung: In allen Weltregionen ist eine Einschränkung der Freiheit von Medien zu beobachten. JournalistInnen und unabhängige Medien stehen weltweit unter zunehmenden Druck. In autokratischen Ländern wie Russland und der Türkei wird die Pressefreiheit ganz offensichtlich beschnitten. Auch in Polen und Ungarn versuchen die Regierungen, staatliche und private Medien mehr und mehr unter ihre Kontrolle zu bringen.

Zugleich steigt die Bedeutung globaler Kommunikation für politische Entwicklungen ständig. Internationale Krisen und ihre mediale Wahrnehmung haben zunehmend direkte Auswirkungen auf deutsche und europäische Politik.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtiger denn je, unseren Auslandssender Deutsche Welle (DW) zu stärken. Die DW ist eine wichtige Botschafterin für unser Land und für unsere Werte. Für viele Menschen vor Ort ist sie eine Stimme der Freiheit, der sie vertrauen. Auf allen Kontinenten kann man DW-Programme abrufen, sei es über TV, per Radio oder online, und zwar in insgesamt 30 unterschiedlichen Sprachen. Die Sprachenvielfalt und die hohe journalistische Qualität und Glaubwürdigkeit der Deutschen Welle genießen weltweit hohe Anerkennung.

Im Vergleich zu anderen Auslandssendern vergleichbarer Staaten verfügt die Deutsche Welle allerdings über deutlich weniger Finanzmittel. Der Etat der DW liegt derzeit bei rund 300 Millionen Euro. Zum Vergleich der Etat einiger anderer Sender: der französische Auslandssender (France Média Monde, u.a. RFI) erhält rund 380 Millionen, der russische Auslandsrundfunk 400 Millionen, die BBC World 540 Millionen und al-Jazeera 490 Millionen Euro. Der chinesische Auslandssender erhält noch erheblich mehr, nämlich 1,84 Milliarden Euro.

Es besteht Handlungsbedarf. Eine angemessene Finanzierung der DW durch den Bundeshaushalt sollte ihrem Bedeutungszuwachs Rechnung tragen, programmbezogene Mehrbedarfe berücksichtigen und eine langfristige Planungssicherheit ermöglichen.

Im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wurde vereinbart, die Deutsche Welle dauerhaft und spürbar zu stärken. Die Bundesregierung soll die dafür notwendige und bedarfsgerechte Finanzierung der Deutschen Welle langfristig gewährleisten. Nach Jahren deutlicher Einsparungen ist es in dieser Legislaturperiode endlich wieder gelungen, den Etat der Deutschen Welle um zweistellige Millionenbeträge zu erhöhen. Es konnte zudem erreicht werden, dass Personalkostensteigerungen ausgeglichen werden, soweit ein solcher Kostenausgleich auch bei anderen Zuwendungsempfängern vorgenommen wird. Dies war in den Jahren zuvor nicht der Fall, so dass die Deutsche Welle über Jahre hinweg ihr Programm kürzen und Personal abbauen musste. Zudem hat sich hierdurch auch ein Investitionsstau ergeben, der nun nach und nach abzubauen ist.

Als zuständiger SPD-Fraktionssprecher setze ich mich in den laufenden Beratungen um den Bundeshaushalt 2017 dafür ein, die bisherigen Ansätze der Bundesregierung erneut um einen zweistelligen Millionenbetrag zu erhöhen, um notwendige Digitalisierungsinvestitionen vornehmen und das türkische und arabischsprachige Programm zu stärken.

Darüber hinaus sollten die finanziellen Möglichkeiten der Deutsche Welle ab der neuen Legislaturperiode noch deutlicher steigen, um den gewachsenen internationalen Herausforderungen gerecht zu werden. Eine sinnvolle und sachgerechte Zielmarke ist aus meiner Sicht, den Etat der Deutschen Welle auf das Niveau des französischen Auslandssenders France Média Monde (u. a. RFI) anzuheben. Wenn man den jetzigen Regierungsansatz nimmt und diesen für die Folgejahre ab 2018 fortschreiben würde, wäre das zusätzlich ein Plus von rund 70 Millionen Euro.

Mit einem entsprechend erhöhten Etat könnten insbesondere weitere notwendige Investitionskosten abgebildet und eine Stabilisierung und Ausweitung von wichtigen Programmen vorgenommen werden – etwa beim arabischsprachigen Programm, in den Sprachangeboten für Medienmärkte, in denen die Pressefreiheit massiv bedroht ist (Türkei, Ägypten, China, Iran) oder bezüglich afrikanischer und asiatischer Länder, die von besonderer Bedeutung sind.

Das sollte uns unabhängiger Journalismus Wert sein.