Rede von Martin Dörmann in der Plenardebatte am Donnerstag, 23. Juni 2016, anlässlich der 2./3. Reg.-zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts



Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In der Tat: Das geplante Kulturgutschutzgesetz haben von Anfang an kontroverse Debatten in der Kulturszene begleitet. Das hat nicht zuletzt mit der Doppelnatur von Kulturgütern zu tun. Einerseits sind sie Bestandteil der Kultur und damit der Identität einer Gesellschaft. Gerade aus diesem Grund verdienen national besonders wertvolle Kulturgüter Schutz. Andererseits sind sie aber auch Waren, mit denen gehandelt und Geld verdient werden kann. Das ist übrigens gut. Denn letztendlich sichert es dadurch langfristig das Einkommen von Künstlern. Deshalb müssen wir auch die Interessen an einem freien, freilich legalen Handel berücksichtigen.
Die Herausforderung bei dem vorliegenden Gesetzgebungsverfahren besteht also gerade darin, dieser Doppelnatur von Kulturgütern gerecht zu werden. In unserer Anhörung hat es eine der Expertinnen, Frau Professor Odendahl, gut auf den Punkt gebracht: Es geht um Kompromisse, die ausgewogen und angemessen sein müssen und letztendlich eine Balance zwischen dem kulturellen und dem finanziellen Wert von Kulturgütern wahren. Es hat sich gezeigt, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung diese Balance noch nicht hinreichend hergestellt hat. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen in guter Zusammenarbeit umfangreiche Änderungen verabredet, nämlich an insgesamt 41 Stellen.
Lassen Sie mich konkrete Beispiele nennen. Die Naturwissenschaftler haben zu Recht darauf hingewiesen, dass das geplante Beschädigungsverbot für eingetragenes national wertvolles Kulturgut zu weit ging.

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Denn natürlich muss es möglich sein, einen Archaeopteryx oder die Himmelsscheibe von Nebra wissenschaftlich zu untersuchen. Das leuchtet jedem ein, und das werden wir ermöglichen. Dabei müssen selbstverständlich anerkannte wissenschaftliche Standards gewahrt werden.
Ein weiteres Beispiel. Die Eintragung als national wertvolles Kulturgut und die damit verbundene Pflicht zur Genehmigung von Ausfuhren sind ein Eingriff in das Eigentumsrecht. Dieser muss angemessen und verhältnismäßig sein. Nun erweitern wir die bereits bestehende Pflicht zur Genehmigung von Ausfuhren in Drittstaaten um die Staaten der EU, machen also den Schutz effektiver. Von dieser neuen Regelung fühlen sich deshalb insbesondere Sammler und Kunsthändler verunsichert oder nachteilig betroffen. Beiden Gruppen sind wir nun sehr stark entgegengekommen, ohne allerdings die Kernzielrichtung des Gesetzes aufzugeben.
Auch dazu einige Beispiele. Die erstmalige gesetzliche Definition national wertvollen Kulturgutes schafft mehr Rechtssicherheit und erhöht übrigens die Schwelle gegenüber der heutigen Rechtslage. Es wird also künftig eher weniger eingetragen als bisher. Jedenfalls schätzen namhafte Experten die jährliche Zahl der Objekte auf unter zehn. Auch das relativiert manche Kritik, die geäußert wurde.
Wie bisher gibt es für die betroffenen Eigentümer steuer- und erbrechtliche Vorteile und eine Billigkeitsregelung im Falle der wirtschaftlichen Notlage. Und neu: Als zusätzliche Kompensationsmöglichkeit ist nun auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion hinzugekommen, dass künftig der Staat zugunsten des Eigentümers ein Ankaufsangebot vorlegen kann. Der Eigentümer kann also dann sein neu eingetragenes Kulturgut gegen einen angemessenen Preis an den Staat verkaufen, selbstverständlich nur dann, wenn beide Seiten sich einigen.
In den anstehenden Haushaltsberatungen wollen wir dafür sorgen, die hierfür notwendigen Mittel einzustellen. Dadurch wollen wir zugleich ermöglichen, dass national wertvolles Kulturgut der Öffentlichkeit auch tatsächlich zugänglich gemacht wird. Es soll eben nicht im Safe verbleiben, sondern der Allgemeinheit in Museen zur Verfügung gestellt werden.
Wir schaffen zudem das Recht auf ein sogenanntes Negativattest, um Unsicherheiten im Kunsthandel auszuräumen. Künftig kann jeder Eigentümer aktiv prüfen lassen, ob sein Kulturgut eintragbar ist. Und – das ist bereits erwähnt worden – mit einer sogenannten „Laissez passer“-Regelung wird es möglich sein, Kulturgut zeitlich befristet aus dem Ausland nach Deutschland zu bringen, ohne dass eine Eintragung in die Liste national wertvollen Kulturgutes erfolgt ist. Diese Regelung sichert den grenzüberschreitenden Handel und ist gerade für Auktionshäuser und Messen relevant.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, an diesen Beispielen sehen Sie, dass wir berechtigte Forderungen aufgenommen haben und angemessene, praxisnahe Lösungen erarbeitet haben. Wir haben so eine neue, eine bessere Balance hergestellt. Von daher erhoffe ich mir eine breite Zustimmung für dieses so geänderte Gesetz, und zwar nicht nur hier im Hause, sondern auch in der Öffentlichkeit. Denn Kultur ist identitätsstiftend – das ist der Kern unserer heutigen Debatte -, und wir sollten alle gemeinsam dieses Erbe pflegen und unterstützen.