Warum die Bundesregierung den Strafverfolgungsantrag der Türkei gegen Jan Böhmermann ablehnen sollte

Gastbeitrag von Martin Dörmann für „Vorwärts.de“

Den Antrag der Türkei auf Strafverfolgung Jan Böhmermanns im Hinblick auf dessen satirische Schmähkritik gegen Präsident Erdogan sollte die Bundesregierung ablehnen. Hierdurch würde ein klares Signal gesetzt, dass in Deutschland im Gegensatz zur Türkei Medien- und Kunstfreiheit konsequent geschützt werden. Zugleich würde dem von vielen Bürgerinnen und Bürgern gehegten Verdacht die Grundlage entzogen, die Bundesregierung sei aufgrund des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei erpressbar geworden.

Man kann mit guten Gründen den Beitrag Jan Böhmermanns als problematisch, geschmacklos oder verletzend ansehen. Die Wortwahl ist bewusst starker Tobak. Letztlich handelt es sich um einen Zwitter aus beleidigender Schmähkritik und erlaubter Satire. Es ist keine politische Entscheidung, ob hierdurch ein Straftatbestand verletzt wurde. Die obliegt angesichts unserer Gewaltenteilung den Gerichten. Nach der persönlichen Strafanzeige durch Präsident Erdogan wird die zuständige Staatsanwaltschaft prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung nach Paragraph 185 Strafgesetzbuch einzuleiten ist.

Nun geht es zusätzlich um die Frage, ob daneben auch eine Strafverfolgung aufgrund einer sehr speziellen Regelung im Paragraph 103 Strafgesetzbuch zum Schutze ausländischer Organe vor Beleidigung ermöglicht wird, die mit einer höheren Strafandrohung versehen ist. Hierzu müsste die Bundesregierung eine ausdrückliche Ermächtigung erteilen. Dabei ist ihr ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt. Letztlich kann und muss sie auch die möglichen politischen Folgen einer Verfahrenseinleitung in ihre Abwägung einbeziehen.

Im Ergebnis sprechen ganz überwiegende Gründe dafür, die Ermächtigung abzulehnen. Der Beitrag steht eindeutig im Zusammenhang mit einer satirischen Aufarbeitung einer hochaktuellen politischen Frage, nämlich, ob und inwieweit Meinungsfreiheit ein Wert ist, den der türkische Präsident respektiert. Es geht zugleich um das Aufzeigen von Bedeutung und Grenzen der Satire mit den Mitteln der Satire.

Der politische Schaden, der durch eine von der Bundesregierung ermöglichte Strafverfolgung ausgelöst würde, wiegt deutlich schwerer als mögliche außenpolitische Folgen im Verhältnis zur Türkei. Denn eine Ermächtigung würde von vielen so missverstanden, als würde die Bundesregierung der Verteidigung der Medien- und Kunstfreiheit weniger Raum einräumen als den Interessen des türkischen Präsidenten, und das vor dem Hintergrund des aktuellen Flüchtlingsabkommens mit der Türkei. Es darf aber weder der falsche Anschein entstehen, Satire- und Pressefreiheit in Deutschland könnten relativiert werden, noch, dass sich die Bundesregierung erpressbar gemacht hat. Die Bundesregierung muss deutlich machen, dass Grundrechte wie die Medien- und Kunstfreiheit nicht verhandelbar sind.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass in der Türkei unter Erdogan kritische Journalisten drangsaliert, strafrechtlich verfolgt und regierungsferne Medien an den Rand gedrückt werden. Erdogan respektiert beispielsweise bislang eine Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts zur Freilassung von zwei regierungskritischen Journalisten nicht. Insofern hat er selbst Anlass dafür gesetzt, dass sich Satiriker überhaupt mit der Themenstellung befassen, wie weit Kritik von Medien oder Künstlern an seiner Person gehen darf.

 

Im Übrigen erscheint die Sonderregelung zugunsten ausländischer Organe inzwischen überholt. Sie sollte am besten ganz abgeschafft werden. So würde für die Zukunft verhindert, dass die Bundesregierung überhaupt in eine solch problematische Position geraten kann.