Interview zum Kulturgutschutzgesetz

Kölner-Stadt-Anzeiger, Dienstag, 22. März

Martin Dörmann antwortete auf Fragen von Michael Kohler

Herr Dörmann, bei der ersten Bundestags-Lesung zur Novelle des Kulturgutschutzgesetzes konnte man bei den Rednern ihrer SPD-Fraktion eine gewisse Distanz zum Gesetzentwurf aus dem Hause von Monika Grütters (CDU) heraushören. Welche Punkte sieht die SPD-Fraktion besonders kritisch?

Wir sind uns in der Koalition einig, dass wir ein neues Kulturgutschutzgesetz brauchen. Wir wollen damit den Handel mit illegalem Kulturgut effektiver verhindern und das Kulturgut anderer Staaten besser schützen. Insoweit geht es nur um Details, da gibt es keine grundsätzlichen Differenzen. Die große Frage ist, mit welchen gesetzlichen Bestimmungen wir national wertvolles deutsches Kulturgut besser vor Abwanderung ins Ausland schützen sollten: Wie weitgehend müssen Regelungen sein und wie können wir dabei auch die Interessen des Kunsthandels und der Sammler angemessen berücksichtigen? Da würde ich nicht von Distanz, sondern von Klärungsbedarf sprechen.

Besonders umstritten ist die Regelung, dass Sammler ihren zu national wertvollem Kulturgut erklärten Besitz nicht mehr ins Ausland verkaufen dürfen. Welche Position nehmen Sie hier ein?

Hier sollte man noch einmal im Detail erörtern, dass ja so geschützte Kunstwerke in der Konsequenz auch im Safe gelagert werden können und der Öffentlichkeit gar nicht zugänglich sind. Ist der damit verbundene Eingriff in das Eigentumsrecht der Sammler, der schwerwiegend sein kann, im guten Verhältnis zum Nutzen? Oder sollte man besser zu einem Modell kommen, das es in Frankreich und insbesondere in Großbritannien gibt? Dort hat der Staat bei solchen national wertvollen Kulturgütern ein Vorkaufsrecht. Wenn es ein Interesse der Allgemeinheit gibt, diese Kulturgüter im Lande zu halten, dann könnte es sinnvoll und gerechtfertigt sein, die entsprechenden finanziellen Mittel aufzuwenden, um sie zu kaufen und auch öffentlich zugänglich zu machen.

Dieses britische Modell hat Staatsministerin Grütters bisher immer kategorisch ausgeschlossen.

Frau Grütters sagt, dass man Großbritannien und Deutschland nicht miteinander vergleichen kann, weil Bund, Länder und Kommunen in Deutschland schon jetzt sehr viel mehr Geld für Kunst und Kultur aufwenden als etwa Großbritannien – das Argument kann ich nachvollziehen. Außerdem verweist sie auf die Sozialverpflichtung des Eigentums im Grundgesetz, das den geplanten Eingriff in das Eigentumsrecht rechtfertige. Bisher ist hier eine Härtefallregelung vorgesehen. Ist ein Eigentümer von national wertvollem Kulturgut aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage zum Verkauf gezwungen, dann erhält er einen fairen Ausgleich. Das ist aber keine allgemeine Regelung, weshalb wir die britische Lösung durchaus noch einmal in der anstehenden Bundestagsanhörung prüfen wollen.

Aber de facto sind unter Schutz gestellte Kulturgüter nur noch die Hälfte wert, weil sie nicht mehr ins Ausland verkauft werden können.

Das wird man so pauschal nicht sagen können. Es wäre ja durchaus denkbar, dass im Einzelfall durch die Einstufung ein symbolischer Wert hinzukommt, der sich dann auch bei einem Verkauf im Inland finanziell bemerkbar macht. Aber das Risiko, dass es einen Wertverlust gibt, besteht sicherlich. Eben deswegen muss der Eingriff in das Eigentum gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.

Gerade dem Kunsthandel sind die Mindestwertgrenzen im Kulturgutschutzgesetz zu niedrig angesetzt. Im Gesetzentwurf liegt diese für Gemälde bei 300.000 Euro. Aber welches Gemälde, das einzigartig und identitätsstiftend für die deutsche Kultur ist, soll heute für einen Marktwert von, sagen wir, einer halben Million Euro zu haben sein? Würde eine Wertgrenze von einer Million Euro die Diskussion nicht schon merklich abkühlen?

Die Wertgrenzen wurden gegenüber früheren Überlegungen im aktuellen Gesetzentwurf bereits hochgesetzt und liegen nun deutlich höher als die entsprechenden Regelungen der EU. Deshalb ist die Frage, ob nicht alles ins Leere läuft, wenn man die Wertgrenzen noch weiter oben ansetzt. Letztlich gibt es natürlich bei jeder Summe ein Pro und Contra.

Würde eine höhere Wertgrenze nicht die Länder entlasten, die demnächst die Ausfuhranträge des Kunsthandels bearbeiten müssen?

Das wäre wohl so, wird aber nicht das entscheidende Kriterium sein. Wir haben übrigens auch bei der Bestimmung, was national wertvolles Kulturgut ist, eine Reihe von Fragen: Wie verbindlich sind etwa die Empfehlungen der Sachverständigenausschüsse? Die Länder argumentieren, dass aus rechtlichen Gründen, aus dem Demokratieprinzip heraus, die letzte Entscheidung bei ihnen liegen muss. Diese Fragen werden wir prüfen und dann im Zusammenhang betrachten. Am Ende muss eine Balance hergestellt werden zwischen dem Zweck, den man erreichen will, und dem Aufwand, den man damit für alle Beteiligten auslöst.

Es gab in den letzten Jahrzehnten nur sehr wenige Fälle, in denen Deutschland einzigartige Kunstwerke im Sinne des Kulturgutschutzgesetzes ans Ausland verloren hat. Braucht es überhaupt eine Gesetzesnovelle, hat es bisher in Deutschland nicht auch so gut funktioniert?

Ich persönlich halte das für eine Frage, die man in der Tat noch intensiver diskutieren sollte. Wir haben in Deutschland eine sehr etablierte Sammler- und Museumslandschaft, da stellt sich schon die Frage der Verhältnismäßigkeit. Durch ein Vorkaufsrecht ließen sich solche Gesichtspunkte berücksichtigen, weil es am Ende vermutlich eher wenige Kulturgüter sein werden, die noch nicht in Museen zugänglich sind und die wir noch vor Abwanderung schützen müssen.