Statement zu Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket für Griechenland

Griechenland muss sich grundlegend reformieren, dann kann europäische Solidarität positiv wirken

Die kontroversen Diskussionen um weitere finanzielle Rettungsmaßnahmen für Griechenland haben zu einer tiefen Vertrauenskrise innerhalb der Eurozone geführt.

Allzu leichtfertig hatte der griechische Ministerpräsident Tsipras zunächst vorzeitig den Verhandlungstisch verlassen, wodurch das zweite Hilfsprogramm für Griechenland auslief und nicht mehr verlängert werden konnte. Die Folgen waren unmittelbar sichtbar: geschlossene Banken und Rentnerinnen und Rentner, die in entwürdigender Weise an den Bankautomaten Schlange standen, um wöchentlich 120 € abzuheben. Geld, was oftmals für mehrere Personen reichen musste.

Die politische Strategie von Tsipras und seiner Syriza-Partei ist krachend gescheitert. Mit großem Pathos haben beide bei dem anschließenden Referendum für ein Nein zu Sparmaßnahmen und weitgehenden Strukturreformen geworben und dafür auch eine deutliche Mehrheit erhalten, um nur gut eine Woche später genau das Gegenteil umsetzen zu müssen. Die 18 anderen Euro-Staaten konnten nicht zulassen, dass Griechenland die Bedingungen für Hilfsprogramme einseitig bestimmt und damit die rechtlichen Grundlagen der Währungsunion aushöhlt.

Beim anschließenden Euro-Gipfel wurde dann ein Verhandlungspaket ausgearbeitet, erste Bestandteile sind inzwischen im Grundsatz vom griechischen Parlament gebilligt worden. Es regelt Finanzhilfen für das Land, fordert aber gleichzeitig und zum Teil sogar als Vorleistung die Umsetzung von Spar- und Reformauflagen.

Der Deutsche Bundestag hat am 17. Juli in einer Sondersitzung der Aufnahme von entsprechenden Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket für Griechenland zugestimmt. Die griechische Regierung hat viel Vertrauen verspielt, deshalb waren dabei auch eine Menge Bauchschmerzen. Dennoch muss nun ein Weg gefunden werden, der Menschen in Not hilft, notwendige Strukturreformen durchsetzt, dem Land eine wirtschaftliche Perspektive ermöglicht und Haftungsrisiken der Euro-Staaten begrenzt.

Klar ist: Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung. Es geht um das große Projekt Europa. Die letzten Wochen haben gezeigt, wie sehr alle europäischen Staaten voneinander abhängen und dass die Europäische Union nur dann erfolgreich sein kann, wenn am Ende – trotz unterschiedlicher Grundsatzpositionen im einzelnen – gemeinsam getragene Lösungen vereinbart und umgesetzt werden. Ein Nein zu Verhandlungen im Bundestag hätte nicht nur dazu geführt, dass Griechenland ins Chaos abrutschen würde. Der zusätzliche Vertrauensschaden für Europa und die Institutionen der Eurozone wären so dramatisch gewesen, dass in letzter Konsequenz nicht einmal ein Auseinanderbrechen der Währungsunion auszuschließen wäre. Sicherlich nicht sofort, aber möglicherweise schleichend.

Es bleibt nun abzuwarten, ob die Verhandlungen zum Erfolg geführt werden können und ob insbesondere in Griechenland die politischen Grundlagen dafür geschaffen werden, die vereinbarten Regelungen dann auch tatsächlich umzusetzen. Man muss nicht jede einzelne Bestimmung des Verhandlungspakets gut finden, um zu der Erkenntnis zu gelangen: Ohne klare Vorgaben und Bedingungen im Hinblick auf notwendige Strukturreformen in Griechenland, verlören die anderen 18 Euro-Staaten jegliche politische Legitimation gegenüber ihrer Wählerschaft, um ein Hilfsprogramm für Griechenland zu rechtfertigen. Wichtig ist dabei, dass die Maßnahmen auch so justiert werden, dass Griechenland eine echte Wachstumsperspektive entwickeln kann.

Ich hoffe sehr, dass die angestoßenen Maßnahmen dazu führen, dass in den nächsten drei Jahren der grundlegende Umbau des griechischen Staates vorankommt und Griechenland dann wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Griechenland muss jetzt harte Reformen einleiten, aber es braucht auch schnelle und spürbare Investitionen, um wirtschaftlich gesunden zu können. Beide Elemente werden in einem neuen Hilfsprogramm enthalten sein. Eine Rolle dabei spielt auch der geplante Privatisierungsfonds. In diesen sollen in den nächsten drei Jahren griechische Vermögenswerte eingebracht werden (z. B. Staatsunternehmen, Häfen, Banken), die dann über einen längeren Zeitraum privatisiert werden sollen. Von den angestrebten Erlösen von 50 Mrd. Euro sollen 25 Mrd. Euro verwendet werden, um die Kosten der Rekapitalisierung griechischer Banken wieder einzuspielen, 12,5 Mrd. Euro, um Schulden zurückzuzahlen, und 12,5 Mrd. Euro für Investitionen.

Ich habe die Hoffnung, dass die Mehrheit der Griechen erkannt hat, dass der Schlüssel für eine gute Zukunft in Griechenland selbst liegt. Die Klientelgesellschaft muss überwunden, ein effizienter Staat organisiert, ein gerechtes Steuersystem vollzogen und eine funktionierende Verwaltung geschaffen werden. Nur so kann Vertrauen aufgebaut werden, damit Unternehmen investieren und die europäischen Partner auch weiterhin solidarisch unterstützen. Ob das tatsächlich gelingt, ist eine Frage, die nur die Zukunft beantworten kann.

Insofern kann ich die kritischen Zuschriften vieler Bürgerinnen und Bürger, die mich in diesen Tagen erreichen, sehr gut nachvollziehen. Gerade angesichts der Erfahrungen der letzten Wochen und Monate haben viele das Vertrauen verloren, dass von Deutschland und in anderen Euro-Staaten gezahlte Finanzhilfen wirklich sinnvoll sind. Aber auch jeder andere Weg birgt erhebliche finanzielle und politische Risiken für uns. Vielleicht wäre am Ende der Preis sogar höher. Denn Deutschland profitiert als Exportnation und wirtschaftlich stärkstes Mitgliedsland am meisten von der Eurozone. Ein (schrittweises) Auseinanderbrechen hätte dramatische Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung. Insofern sind immer alle Risiken gegeneinander abzuwägen.

Krisen können dazu beitragen, die Dinge klarer zu sehen und lange aufgeschobene Probleme konsequenter anzugehen. Reformbedarf gibt es nicht nur in Griechenland sondern sicherlich auch innerhalb der Europäischen Union und bei den Regeln der Eurozone. Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit müssen nachhaltig gestärkt werden. Insofern würde ich mir wünschen, dass wir in den nächsten Monaten auch eine vertiefte Debatte darüber führen, wie wir das Projekt Europa und die Eurozone noch zukunftsfester aufbauen können.