Zwischenstand zum Breitbandausbau in der Großen Koalition

Nach gut eineinhalb Jahren Arbeit in der Großen Koalition kann ein erstes erfolgreiches Zwischenfazit zum Thema Breitbandausbau gezogen werden.

I. Zielsetzung des Koalitionsvertrages und konzeptioneller Ansatz

Schnelles Internet für alle sichert Teilhabemöglichkeiten sowie wirtschaftliche Chancen und ist deshalb ein zentrales Ziel der SPD-Bundestagsfraktion. Im Koalitionsvertrag streben Union und SPD eine Breitband-Grundversorgung mit Geschwindigkeiten von mindestens 50 Mbit/s bis 2018 in ganz Deutschland an. Die digitale Spaltung zwischen den urbanen Ballungszentren und ländlichen Räumen soll überwunden werden. Dies ist ein sehr ehrgeiziges Ziel, lag doch Ende 2014 die diesbezügliche Versorgungsquote erst bei knapp unter 65 %. Zentraler Hinderungsgrund für eine flächendeckende Versorgung mit Hochgeschwindigkeitsnetzen sind bislang die überproportional hohen Ausbaukosten in weniger dicht besiedelten Gebieten.

Auch dank langjähriger konzeptioneller Vorarbeiten der SPD-Bundestagsfraktion konnten wir im Oktober 2014 einen umfassenden Koalitionsantrag im Bundestag verabschieden („Moderne Netze für ein modernes Land – Schnelles Internet für alle“, Drucksache 18/1973). Darin sind zahlreiche Maßnahmen vorgesehen, die vor allem darauf abzielen, zusätzliche Investitionsanreize zu setzen und Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen. Diese Breitbandstrategie wurde methodisch in fünf Säulen gegliedert:

1. Innovations- und investitionsfreundliche Regulierung mit Wettbewerbsorientierung

2. Optimale Hebung von Synergieeffekten zur Kostensenkung

3. Konsequente und zeitnahe Nutzung der Potenziale von Funkfrequenzen

4. Effiziente und stärkere finanzielle Förderung für unterversorgte Gebiete

5. Bessere Abstimmung und Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen

In die gleiche Richtung zielen auch die „Digitale Agenda“ der Bundesregierung sowie das „Kursbuch“ der „Netzallianz Digitales Deutschland“. Die entsprechenden Maßnahmen werden nun sukzessive abgearbeitet. Federführend ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).

Um die Ausbauziele der Großen Koalition zu erreichen, sind ein Maßnahmenbündel sowie ein breiter Technologiemix notwendig (DSL, Glasfaser, Kabelnetze, Satellit und Funknetze/LTE). Mobilfunk ergänzt dabei den notwendigen weiteren Festnetzausbau. Auch über 2018 hinaus gilt es zudem, den Glasfaserausbau sukzessive voranzubringen, um noch wesentlich höhere Bandbreiten zu ermöglichen. Zwar liegt das angestrebte Ziel von 50 Mbit/s heute noch deutlich über der Bandbreitennachfrage der allermeisten Haushalte. Die Bedarfe werden aber mit noch intensiverer Nutzung anspruchsvoller Angebote, insbesondere im audiovisuellen Bereich, weiter spürbar wachsen.

II. Sachstand zu wichtigen Einzelaspekten

1. Frequenzversteigerung / „Digitale Dividende II“

Am 19. Juni wurde die von der Bundesnetzagentur durchgeführte Versteigerung eines größeren Frequenzpaketes für die Mobilfunknutzung abgeschlossen. Sie ergab Gesamteinnahmen von 5,1 Milliarden Euro. Für den Breitbandausbau von besonderer Bedeutung ist hierbei ein Teilbereich, nämlich die Frequenzen im 700 MHz- und 1,5 GHz-Bereich, die sog. „Digitale Dividende II“.

Mit der Umstellung der terrestrischen Rundfunkverbreitung auf den neuen, zukunftsträchtigeren Standard DVB-T2 können die bisherigen Rundfunkfrequenzen effizienter genutzt und Angebote in HD-Qualität ermöglicht werden. Der Mobilfunk kann in den hierdurch freigewordenen Frequenzen mit LTE Advanced deutlich höhere Bandbreiten erzielen als heute.

Nach komplexen Verhandlungen war Ende 2014 zwischen dem Bund und den Ländern ein nationaler Kompromiss mit zahlreichen Eckpunkten zu technischen und finanziellen Umsetzung einer solchen Frequenzneuordnung erzielt worden. Hierbei wurde auch ein Interessenausgleich mit anderweitig vorgebrachten Frequenzbedarfen (BOS-Netze, militärische Netze) und bezüglich anderer betroffenen Nutzergruppen vorgesehen. So wird demnächst eine Billigkeitsrichtlinie des Bundes für die Entschädigung von Nutzern drahtloser Produktionsmittel (zum Beispiel Funkmikrofone in Kultureinrichtungen) erwartet, die für die umstellungsbedingten Neuanschaffungen einen Ausgleich erhalten sollen. Für sie ist zudem Ersatzspektrum vorgesehen.

Ausbauverpflichtungen für mobiles Breitband (LTE)

Die TK-Unternehmen, die 700 MHz-Frequenzen ersteigert haben, sind verpflichtet, bis Mitte 2018 (drei Jahre nach Zuteilung) mindestens 98 % der Haushalte bundesweit (sowie in jedem Bundesland mindestens 97 %) mit LTE zu versorgen, und zwar mit Bandbreiten von 50 Mbit/s pro Antennensektor. Dies soll sicherstellen, dass für jeden Haushalt in der Regel Übertragungsraten von 10 Mbit/s und mehr zur Verfügung stehen. Für die Hauptverkehrswege (Bundesautobahnen und ICE-Strecken) ist eine vollständige Versorgung sicherzustellen, soweit dies rechtlich und tatsächlich möglich ist. Damit wird eine beinahe flächendeckende Versorgung mit mobilem Breitband gesichert.

 Einnahmen stehen teilweise für Breitband-Förderprogramme zur Verfügung

Etwa 1,3 Milliarden Euro Frequenzeinnahmen wurden für den Bereich der Digitalen Dividende II erzielt. Diese werden gemäß der Bund-Länder-Vereinbarung nach Abzug der Umstellungskosten mit den Bundesländern geteilt und für den Breitbandausbau sowie Digitalisierungsstrategien bereitgestellt. Der Bund und die Länder können hieraus voraussichtlich jeweils rund 600 Millionen Euro für Förderprogramme nutzen. Der Länderanteil am Versteigerungserlös wird nach dem Königsteiner Schlüssel unter den einzelnen Bundesländern aufgeteilt. Die Zahlung durch die Unternehmen erfolgt in drei jährlichen Tranchen ab 2015.

Neben der Digitalen Dividende II wurden auch die sog. GSM-Frequenzen (900 und 1800 MHz) versteigert. Die Einnahmen von rund 3,8 Milliarden Euro für diesen Bereich liegen deutlich oberhalb der eingeplanten Mindesterlöse und fließen 2015 komplett und ohne Zweckbindung dem Bundeshaushalt zu. Es sollte geprüft werden, inwieweit haushalterischer Spielraum besteht, um auch Teile dieser Einnahmen für den Breitbandausbau zu nutzen.

 

2. Förderprogramme für den Breitbandausbau

Förderprogramme sind ein wichtiges Instrument, um Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen. Nach Aussagen des Breitbandbüros des Bundes liegt der Hebeleffekt bei 1:2,5 bis 1:4, je nach Ausgestaltung. Für jeden Euro öffentlicher Förderung kann also etwa ein dreifacher Betrag privater Investitionen für den Breitbandausbau ausgelöst werden.

Förderrichtlinie des Bundes für September angekündigt

Bislang bewegte sich die Breitbandförderung durch Bundesmittel in einem geringen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr. Erstmals werden nun für ein Bundesprogramm hohe Fördersummen im Milliardenbereich zur Verfügung gestellt. Damit wird eine zentrale Forderung der SPD-Bundestagsfraktion endlich aufgegriffen.

Nachdem die EU-Kommission jüngst mit der Genehmigung der NGA-Rahmenregelung beihilferechtlich grünes Licht für die Förderung von bis zu 3 Milliarden Euro Gesamtvolumen gegeben hat, will das zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nach der Sommerpause eine entsprechende Förderrichtlinie des Bundes vorlegen. Dann wird feststehen, ab wann Anträge gestellt und wie konkrete Projekte gefördert werden können.

Es wird darauf ankommen, die Förderbedingungen so auszugestalten, dass die optimale Hebelwirkungen für private Investitionen in den Breitbandausbau erreicht und Mitnahmeeffekte sowie Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Das Programm muss sinnvoll mit den Länderprogrammen verzahnt werden, lokale Besonderheiten berücksichtigen und sollte vorrangig die am wenigsten versorgten Regionen erreichen, in denen oftmals besonders große Wirtschaftlichkeitslücken bestehen.

Ãœber 2 Milliarden Euro stehen im Bundeshaushalt bereit – Ländermittel kommen hinzu

Nach heutiger Planung werden im Bundeshaushalt bis 2019 über 2 Milliarden Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung stehen.

Neben den Einnahmen aus der Digitalen Dividende II in Höhe von rund 600 Millionen Euro steht gemäß Finanzplan des Bundes 2016 bis 2019 ein Betrag von rund 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung. 1,1 Mrd. Euro davon stammen aus dem zusätzlichen 7 Mrd.-Euro-Investitionsprogramm, mit dem dem Einzelplan des Verkehrsministeriums insgesamt 4,35 Mrd. Euro zugesprochen wurden. Allein 2016 fließen aus diesem Paket bereits 400 Mio. Euro in den Breitbandausbau.

Zudem können Teile des 3,5-Milliarden-Investitionsfonds für Kommunen auch für IT-Infrastruktur genutzt werden, sofern die Länder hier entsprechende Förderbereiche festgelegt haben. Der Fördersatz beträgt dabei bis zu 90 %. Ersten Meldungen zufolge verwenden Kommunen in einzelnen Bundesländern erhebliche Teile der hieraus zur Verfügung stehenden Mittel für den Breitbandausbau, dies wird aber in den Ländern wohl unterschiedlich gehandhabt.

Berücksichtigt man zusätzlich den Länderanteil an der „Digitalen Dividende II“ von 600 Millionen Euro, können durch die Beschlüsse der Großen Koalition jedenfalls über 2,6 Milliarden Euro für den Breitbandausbau bereitgestellt werden. Zur Erinnerung: Bei den Koalitionsverhandlungen 2013 wurde zwischenzeitlich ein Betrag von drei Milliarden Euro anvisiert, der damals aber aufgrund des begrenzten Finanzrahmens noch nicht im Koalitionsvertrag verankert werden konnte.

Umso erfreulicher ist es, dass es nun gelungen ist, für dieses zentrale Infrastrukturziel zusätzliche Mittel zu mobilisieren. Diese werden ergänzt durch weitere Fördermittel in den Landeshaushalten. Das BMVI führt gerade eine Abfrage in den Ländern durch, um einen Gesamtüberblick zu bekommen.

 

3. Regulatorische Themen

Auch weiterhin sind es vor allem die Milliardeninvestitionen der TK-Unternehmen, die den Breitbandausbau nach vorne bringen. Deshalb ist es wichtig, die regulatorischen Rahmenbedingungen investitions- und wettbewerbsfreundlich auszugestalten.

Vectoring

Die telekommunikationspolitische Debatte wurde in den letzten Jahren immer wieder vom Stichwort „Vectoring“ geprägt. Hierunter versteht man eine Entstörungstechnologie, die das sog. „Übersprechen“ auf Kupferleitungen verhindern und somit höheren Datendurchsatz ermöglichen soll. Damit wird eine Verdopplung der Datenraten auf den bestehenden Kupfernetzen ermöglicht, so dass bei VDSL-Leitungen über 50 bis 100 Mbit/s ermöglicht werden. Nachteil ist, dass ein bestimmter Leitungsabschnitt schalttechnisch komplett in einer Betreiberhand liegen muss, um die Entstörung sinnvoll anwenden zu können.

2013 hat die zuständige Bundesnetzagentur eine von allen Seiten respektierte Entscheidung für Vectoring am Kabelverzweiger (Kvz) getroffen, die ein Verfahren regelt, um grundsätzlich allen Marktteilnehmern die Anwendung der Technik zu ermöglichen.

Die Telekom hat Anfang 2015 erneut einen Antrag für die Anwendung der Vectoring-Technologie gestellt, diesmal im Nahbereich der Hauptverteiler (Hvt), der von der ersten Entscheidung aus technischen Gründen ausgenommen war. Damit will die Telekom zusätzlich 6 Millionen Teilnehmer in den Genuss höherer Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s kommen lassen. Aufgrund technischer und wirtschaftlicher Besonderheiten ist hier ein Interessenausgleich schwieriger als bei der ersten Vectoring-Entscheidung. Wettbewerber befürchten deshalb in diesem Bereich eine Remonopolisierung durch die Telekom. Mit einer Entscheidung der Bundesnetzagentur über den vorliegenden Antrag wird – nach einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung und sorgfältigen Abwägung – im Herbst 2015 gerechnet.

Kostensenkungsrichtlinie

Daneben wird im zweiten Halbjahr 2015 die Umsetzung der EU-Kostensenkungsrichtlinie in nationales Recht erwartet. Hierbei geht es um eine Vielzahl von Maßnahmen vor allem im Bereich Tiefbau und Standardisierung, die den Breitbandausbau preisgünstiger machen sollen.

 

4. Fazit: Koalition setzt Maßnahmen für den Breitbandausbau Schritt für Schritt um

Union und SPD haben die ersten zwei Jahre der Legislaturperiode genutzt, um entscheidende Weichen für die ambitionierten Breitbandziele bis 2018 zu stellen.

Mit der Versteigerung von Funkfrequenzen für den Mobilfunk und Festlegung strenger Ausbauauflagen sind wir europaweit führend. Nicht nur konzeptionell, sondern auch finanziell wurden Grundlagen für einen forcierten Breitbandausbau geschaffen. Durch Beschlüsse der Koalition werden Bund und Länder über 2,6 Milliarden Euro zusätzlich für den Breitbandausbau zur Verfügung stellen.

Jetzt wird es darauf ankommen, die Förderrichtlinie des Bundes zielgenau auszugestalten und zügig umzusetzen. Hier ist Bundesminister Dobrindt in der Pflicht, auch im Hinblick auf die sachgerechte Verzahnung mit den Förderprogrammen der Länder. Wir hätten uns hier eigentlich ein schnelleres und transparenteres Verfahren gewünscht. Dennoch gilt: Wenn dies nun gelingt und zudem die Bundesnetzagentur wettbewerbs- und investitionsfreundliche Regulierungsentscheidungen trifft, sind wichtige Rahmenbedingungen geschaffen worden, um schnelles Internet für alle zu realisieren.

Zugleich ist festzuhalten: der Aufbau einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur der Zukunft endet nicht 2018 sondern ist angesichts der perspektivisch wachsenden Bedarfe eine andauernde Aufgabe, der sich die SPD-Bundestagsfraktion weiterhin konsequent widmen wird.