Expertendialog der SPD-Fraktion zu Google und anderen „Intermediären“

Mit einem eigenen Projekt begleitet die SPD-Bundestagsfraktion Überlegungen zu einer Reform der Medien- und Kommunikationsordnung. Bestandteile sind u.a. eine umfangreiche Branchenbefragung, die bereits 2014 durchgeführt wurde, sowie ein regelmäßiger Dialog mit Experten. Im Koalitionsvertrag ist im Hinblick auf die konvergente Medienordnung eine Bund-Länder-Kommission vorgesehen, die im Frühjahr ihre Arbeit aufnehmen soll.

Federführend für das Fraktionsprojekt sind die SPD-Fraktionssprecher Martin Dörmann (Kultur und Medien) sowie Lars Klingbeil  (Digitale Agenda). Deren Einladung folgten Ende Februar rund 50 Medienexpertinnen und -experten aus ganz Deutschland um zum Thema „Intermediäre – Gatekeeper des Internet?“ zu diskutieren.

Ein von den Bundesländern in Auftrag gegebenes Gutachten hatte diese u.a. definiert als Akteure, die durch auswertende und aggregierende Aktivitäten mittelbar-inhaltliche Einflussnahmen begründen, etwa Suchmaschinen. Somit stand denn auch Google als Suchmaschine und als ein global operierendes Internet-Unternehmen im besonderen Fokus der Diskussion. Aufgeworfen wurde die Frage, inwieweit Gefahren der Markt- und Meinungsmacht eine strengere Regulierung notwendig machen. Dazu waren neben einem Vertreter von Google zwei namhafte Medienrechtler als Experten eingeladen.

Prof. Dr. Dieter Dörr, Medienrechtler aus Mainz, unterstrich in seinem einleitenden Statement, dass Suchmaschinen wie Google im übertragenen Sinne Bibliothekar, Verleger und Autor zugleich seien. Mit Verweis auf Forschungsprojekte an seinem Lehrstuhl erläuterte er den „Lock-In-Effekt“, der dazu führe, dass Nutzerinnen und Nutzer zunehmend abhängig von der wegleitenden Funktion Googles würden, was immerhin eine potenzielle Meinungsmacht des Anbieters unterstreiche.

Bei weit über 90% Marktanteil bei den Internetsuchen ist bei Google ein informationelles Monopol nicht fern. Dörr sah den Gesetzgeber in der Pflicht, für einen Ausgleich der Interessen zu sorgen, also medienrechtliche Vielfaltssicherung einzufordern, die eine Verzerrung von Inhaltedarstellungen erschwere. Hierzu müssten möglicherweise Regelungen für Inhaltevermittler gegen Diskriminierung, wie sie aus dem Rundfunkrecht bekannt sind, entsprechend erweitert werden.

Dies könne aber nur einen Teil des Problems lösen, zumal das Phänomen der Intermediäre wissenschaftlich und rechtlich bislang kaum solide greifbar sei. Bislang sei das Medienrecht zu stark am Rundfunk, das Wettbewerbsrecht zu stark an Umsätzen ausgerichtet. Statt entlang separater Rechtslinien müsse mehr über bestehende und möglicherweise veraltete Rechtsgrenzen hinausgedacht werden. Dörr plädierte für ein neues Medienvielfaltsrecht, welches an den Merkmalen „Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft“ ausgerichtet ist. Insbesondere die Verschränkung von verschiedenen Massenmedien stellten ein Problem für die Meinungsvielfalt dar, das dringend auch im Rechtsrahmen abgebildet werden müsse.

Prof. Dr. Gerald Spindler, Rechtswissenschaftler aus Göttingen, vertrat einen anderen Ansatz. Er verwies darauf, dass es kontinuierlicher Beobachtung der Suchmaschinen und der verbundenen Märkte bedürfe. Die hohe Dynamik in den digitalen Märkten, die von ständig neuen Diensten und Unternehmen geprägt würden, sprächen gegen eine gefestigte Marktmacht von Google. Die schnelle Veränderung der Kommunikationsstrukturen von sozialen Netzwerken über Twitter oder eben Google-Diensten lasse kaum noch eine rechtlich handhabbare Kategorisierung im Vorhinein zu.

Daher sei eine nachträgliche „Missbrauchskontrolle durch das Kartellrecht mit verstärkter Berücksichtigung von Meinungsbildung besser geeignet“, so Spindler. Starre rechtliche Unterscheidungen von Rundfunk, Presse und Internet seien angesichts einer konvergenten Medienwelt zunehmend nicht mehr haltbar.

Spindler verwies darauf, dass vor allem die Interessen Dritter in den Mittelpunkt der Intermediäre-Debatte gerückt werden müssten. Informationsinteressen von Personen/Unternehmen, die gefunden oder gerade nicht gefunden werden wollen, müssten viel stärker als bisher rechtlich geregelt und technisch möglichst einfach berücksichtigt werden. Gleichwohl könne ein Suchalgorithmus nicht neutral sein, da er auf möglichst relevante und personalisierte Suchergebnisse ziele. Vielmehr müssten die Programmierungsleitlinien transparent und diskriminierungsfrei sein.

Auch wenn der Begriff der Intermediäre weit mehr Anbieter als Google umfasst, so führt die Debatte doch immer wieder zum US-amerikanischen Internetriesen. Daher hatte auch Dr. Arnd Haller als europäischer Rechtsexperte des Konzerns die Gelegenheit, zum Thema Stellung zu nehmen.

Haller verwies darauf, dass Suchmaschinen bereits heute einer starken Regulierung, etwa im Datenschutz- oder Urheberrecht unterlägen. Eine noch stärkere Kontrolle müsse mit ganz akut zu schützenden Interessen gerechtfertigt werden, was aktuell jedoch faktisch nicht zu begründen sei. Google sei eben eine sehr erfolgreiche weil besonders nutzerorientierte Suchmaschine, die eben keine „Gatekeeper“, sondern vielmehr eine Türöffner-Funktion habe.

Mit Blick auf die Meinungsbildungsrelevanz verwies Haller darauf, dass aktuellen Studien zufolge das Internet immer noch weit hinter Fernsehen und Presse als Informationsleitmedium liege. Auch würden die allermeisten Internetseiten direkt über den Browser und nicht über die Google-Suche angesteuert. Dies gelte umso mehr für mobile Inhalte, die fast immer über Apps angesteuert würden. Somit sei es irreführend, vom Erfolg der Google-Suchmaschine mit über 90 % Marktanteil direkt auf ein Informationsmonopol zu schließen.

Haller wies die Ausdehnung der Rundfunkregulierung auf Internetdiensteanbieter mit dem Verweis zurück, dass Suchmaschinenvorgänge immer eine Form der Individualnutzung darstellten, wohingegen Rundfunk eben ein klassisches lineares Massenmedium mit einem Sender und fast beliebig vielen Empfängern sei.

In der anschließenden, lebhaft geführten Debatte mit den anderen eingeladenen Fachleuten wurde deutlich, wie schwer es angesichts einer unklaren Gefährdungsbewertung ist, den tatsächlichen Handlungsbedarf zu umreißen. Vielfach wurde auf die bereits laufenden kartellrechtlichen Verfahren gegen Google auf europäischer Ebene verwiesen, die möglicherweise auch Antworten auf die Marktmacht des Suchmaschinenanbieters liefern könnten. Deutlich wurde bei einigen Experten die Skepsis, ob bereits auf Basis abstrakter oder potenzieller Gefährdungen grundsätzliche Neuregelungen anzuschieben seien, während andere genau dies für ausreichend hielten, um Google in bestehende Regulierungsansätze einzubeziehen. Auch wurde in den Raum gestellt, ob sich medienrelevante Gefahren mit kartellrechtlichen Änderungen auflösen ließen. Es wurde darauf hingewiesen, dass das bisherige Wettbewerbsrecht, welche vor allem auf Umsätze fokussiert sei, im digitalen Raum möglicherweise zu kurz greife, wenn es um Marktmacht durch Reichweite gehe.

Martin Dörmann warnte angesichts der schieren Kaufkraft von Google vor globalen Daten- und Informationsmonopolen, die auch in einem sehr dynamischen Markt möglicherweise alles vorher Dagewesene überträfen. In seinem Abschlussstatement verwies er auf die durchaus plausiblen Ausgangsthesen aller Teilnehmer, deren Gewichtung und Bewertung eine besondere Herausforderung darstelle.

Das Format eines Expertendialogs könne helfen, die parallel stattfindenden Bund-Länder-Verhandlungen zur Neugestaltung der Medien- und Kommunikationsordnung positiv zu beeinflussen. Weil „Problem und Regelungstiefe“ im Zusammenhang stünden und eine abschließende Bewertung offensichtlich schwerfalle, habe die Veranstaltung aufgezeigt, wie wichtig es sei, die Debatte mit einem übergreifenden Ansatz zu führen, der Wettbewerbs-, Internet- und Medienrecht zusammen denke.