Rahmenbedingungen für Journalismus stärken

Beitrag von Martin Dörmann für die Zeitschrift „Politik & Kultur 2/2015“

Die Digitalisierung der Medien, veränderte Rahmenbedingungen für die Finanzierung von Journalismus sowie demokratiefeindliche Strukturen in vielen Ländern der Erde sind heute die wesentlichen Herausforderungen für journalistische Arbeit.

Wir leben in einer Welt der Beschleunigung. Rasante technologische und gesellschaftliche Veränderungen, die Globalisierung und eine Informationsexplosion prägen unsere Zeit. Medial vermittelte Informationen werden hierdurch immer wichtiger. Nicht selten entwickeln sie eine eigene politische Wirkung, etwa mit Blick auf Demokratiebewegungen oder komplexe internationale Krisen. Die Bedeutung von unabhängiger Berichterstattung, Recherche und Einordnung wurde hierdurch noch einmal deutlich gesteigert. Die Sicherung von Meinungsfreiheit und Medienvielfalt muss deshalb ein zentrales gesellschaftspolitisches Ziel sein.

Politik sollte deshalb nachhaltig daran mitwirken, die Rahmenbedingungen für kritischen und einordnenden Journalismus zu stärken. Sowohl die Kommunikationswege als auch die relevanten Akteure der Informationsvermittlung werden immer vielfältiger. Doch nicht immer hält die Qualität mit dem Zuwachs an Quantität Schritt. Gleichzeitig gibt es kritische Tendenzen einseitiger Marktmacht, insbesondere durch global agierende Internetkonzerne, die unser Kommunikationsverhalten wesentlich mitprägen.

Konvergenz bedingt Reform der Medien- und Kommunikationsordnung

Auf die Konvergenz der Medien müssen auch im nationalen Rahmen neue Antworten gefunden werden. Durch die Digitalisierung wachsen Informations- und Kommunikationstechnologien und damit bisher weitgehend voneinander getrennte Einzelmedien immer mehr zusammen. Verbreitungswege über Print, Funk und das Internet greifen zunehmend ineinander. Bei der Informationsvermittlung oder -auffindung sind neue Plattformen, Akteure und „Intermediäre“ hinzugekommen, von Bloggern, sozialen Netzwerken und Newsaggregatoren bis hin zu Google als übermächtige Suchmaschine eines Unternehmens, das in immer mehr Lebensbereiche vordringt und nicht nur Daten, sondern auch Geschäftsfelder miteinander verknüpft.

Technologischer Fortschritt, ein verändertes Nutzerverhalten und neue Geschäftsmodelle haben den Medien- und Kommunikationsmarkt stark verändert. Die Dynamik dieser Entwicklung birgt einerseits enorme wirtschaftliche Wachstumspotenziale und gesellschaftspolitische Chancen der Teilhabe. Die Angst der Despoten der Welt vor den sozialen Netzwerken zeugt davon. Zugleich beobachten wir, dass bisherige Garanten für mediale Qualität und Vielfalt in der analogen Welt zurückfallen, ohne dass sich im Netz bislang im erforderlichen Umfang wirtschaftlich tragfähige Strukturen zur Finanzierung von redaktionell verantwortetem und qualitativ anspruchsvollem Journalismus entwickelt haben. Oftmals werden Online-Angebote von Zeitungen weiterhin durch Einnahmen im Printbereich querfinanziert.

Vor diesem Hintergrund ist die historisch gewachsene Medien- und Kommunikationsordnung in Deutschland unter Reformdruck. Dem wollen Bund und Ländern nun mit einer gemeinsamen Kommission begegnen. Deren Ziel ist in erster Linie, sinnvolle Anpassungen und Kompatibilitätsregeln an den Schnittstellen von Medienaufsicht, Telekommunikationsrecht und Wettbewerbsrecht zu verabreden.

Die Gestaltung der Medienordnung und die Vielfaltsicherung sind nach unserer Verfassungsordnung Länderzuständigkeit. Beide Aspekte werden aber faktisch immer mehr von internationalen Entwicklungen oder von Rechtsbereichen beeinflusst, bei denen der Bund eine Regelungskompetenz besitzt. Notwendig ist deshalb ein übergreifender Ansatz. Medien- und Netzpolitik haben eine für die Demokratie grundlegende gesellschaftspolitische Dimension, die vom Bund und von den Ländern gemeinsam gedacht und gestaltet werden sollte. Wünschenswert wäre es deshalb, wenn die Bund-Länder-Kommission nicht nur rechtlich-kompetenzorientiert vorgeht, sondern ein wirklich gemeinsames Verständnis entwickelt, konkrete Ziele definiert und Umsetzungsschritte vereinbart.

Die Bundesländer haben in einem vielbeachteten Gutachten erste Ansätze und Themenfelder skizziert, die im Rahmen der Bund-Länder-Kommission ausgearbeitet werden sollen. Die SPD-Bundestagsfraktion begleitet diesen komplexen Prozess mit einem eigenen Projekt und hat als ersten Schritt im letzten Jahr eine umfassende Branchenbefragung zu Handlungsfeldern für eine Reform der Medien-und Kommunikationsordnung vorgelegt. Im Mittelpunkt sollte stehen, auch in der digitalen Medienwelt Qualität und Vielfalt zu sichern. Medien sind Voraussetzung für die private und öffentliche Meinungsbildung und damit Grundpfeiler einer lebendigen und funktionierenden Demokratie.

Globalen Bedrohungen der Meinungs- und Pressefreiheit begegnen

Auch international steht der Journalismus vor großen Herausforderungen. Jeden Tag erfahren wir Neues, zumeist Beunruhigendes aus den Krisenregionen dieser Welt. Krisen werden dem Empfinden nach immer unübersichtlicher, einzelne Akteure zunehmend aggressiver. Das führt dazu, dass die mediale Darstellung und Vermittlung von Krisen und Positionen der jeweiligen Akteure umso wichtiger sind. Damit rückt die Rolle der Medien als unabhängige Informationsvermittler in den Fokus, die möglichst differenziert und ausgewogen berichten sollen – so zumindest in unserem, von den Grundwerten einer freiheitlich-demokratischen Ordnung geprägten Verständnis dieser Rolle.

Zugleich sind Journalistinnen und Journalisten in vielen Staaten und Krisenregionen Repressionen und Gefährdungen ausgesetzt, wie wir nicht zuletzt durch die wertvolle Arbeit von Organisationen wie Reporter ohne Grenzen wissen. Gerade weil sie eine kritische und unabhängige Sicht vertreten, werden sie zur Zielscheibe derer, die an einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung kein Interesse haben. Journalisten wurden gezielt und auf teilweise bestialische Weise von IS-Terrormilizen umgebracht, die den Tod von Menschen medial über die sozialen Netzwerke inszenieren, um ihre, in ihrem Fundamentalismus pervertierte Ideologie zu verbreiten und neue Kämpfer zu rekrutieren.

Nicht zuletzt die Terroranschläge von Paris auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ haben uns allen die dringende Notwendigkeit vor allen Augen geführt, gemeinsam für die Presse- und Meinungsfreiheit einzustehen und diese immer wieder zu verteidigen. Diese Zielsetzung muss stärker denn je ein Leitbild deutscher Außen- und Medienpolitik sein.

In diesem Zusammenhang kommt unserem Auslandssender Deutsche Welle (DW) eine weiter gewachsene Rolle zu. Die DW ist eine wichtige Botschafterin für unser Land und für unsere Werte. Für viele Menschen vor Ort ist sie eine Stimme der Freiheit, der sie vertrauen. Auf allen Kontinenten kann man DW-Programme abrufen, sei es über TV, per Radio oder online, und zwar in insgesamt 30 unterschiedlichen Sprachen. Die Sprachenvielfalt und die hohe journalistische Qualität und Glaubwürdigkeit der Deutschen Welle genießen weltweit hohe Anerkennung.

Seit Ende der 1990er Jahre hat die DW allerdings einen schwierigen Einsparungsprozess durchgemacht. Der Etat ist vom Bund über viele Jahre kontinuierlich gekürzt worden, Personalkostensteigerungen wurden nicht ausgeglichen. In den Bundeshaushalten 2014 und 2015 hat die Große Koalition mit jeweils zweistelligen Millionenbeträgen den Etat endlich wieder erhöht. Nun kommt es darauf an, ab dem Haushalt 2016 wieder einen regelmäßigen Ausgleich der Kostensteigerungen abzubilden, damit die Deutsche Welle den von ihr eingeschlagenen Reformkurs erfolgreich absolvieren kann. Er zielt auf eine noch größere weltweite Relevanz, indem englischsprachige Angebote deutlich gestärkt werden – gerade auch angesichts wachsender internationaler Konkurrenzsender, etwa aus Russland oder China.

Alle Journalistinnen und Journalisten, die sich weltweit für eine unabhängige Berichterstattung einsetzen, verdienen unseren Respekt und unsere Unterstützung. Freie und vielfältige Medien sind eine Bedingung dafür, dass demokratische Kräfte gestärkt werden und Demagogen Einhalt geboten werden kann. Sie sind unverzichtbar.