Standpunkt aus Berlin Depesche Nr. 86

Zwischen innenpolitischen Fortschritten und außenpolitischen Krisen

Das ZDF-Politbarometer von Mitte November weist eine große Kontinuität der politischen Lage aus. Trotz des Erstarkens der AfD kommen Union (41 %) und SPD (26 %) in den Umfragen fast zu den gleichen Werten wie bei der letzten Bundestagswahl vor etwas mehr als einem Jahr. Sogar 73 Prozent sagen, sie seien mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden, nur 19 Prozent halten sie für schlecht.

Das dürfte zu einem guten Teil daran liegen, dass diese Koalition – im krassen Gegensatz zur Vorgängerregierung – professionell zusammenarbeitet und Schritt für Schritt den Koalitionsvertrag umsetzt, der bekanntlich inhaltlich stark von SPD-Positionen geprägt ist, etwa bei den Themen Mindestlohn, Rente 63 oder zusätzlichen Investitionen in Bildung und Entlastung für Kommunen.

Weitere Reformschritte wurden in den letzten Wochen beschlossen. Die SPD will, dass alle jungen Menschen eine faire Chance bekommen, ihre Bildung und Ausbildung nach Wunsch und eigener Fähigkeit zu gestalten. Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) werden ab 2016 steigen. Im Zuge der Novelle übernimmt der Bund ab 2015 die volle Finanzierung der Geldleistungen nach dem BAföG. Damit werden die Länder um rund 1,2 Milliarden Euro jährlich entlastet und können ihrerseits mehr in Hochschulen und Schulen investieren.

Beim Elterngeldbezug erhalten Eltern künftig mehr Wahlfreiheit und können Teilzeitarbeit leichter miteinander kombinieren. Mit der Einführung des „Elterngeld Plus“ ab 1. Juli 2015 werden damit die Möglichkeiten für junge Mütter und Väter erweitert, Familie und Beruf miteinander zu kombinieren. Damit wurde ein weiterer Schritt in Richtung Familienarbeitszeit gemacht.

Mit der Verabschiedung des Pflegestärkungsgesetz I wurde eine wichtige Voraussetzung zu einer umfassenden Pflegereform geschaffen. Damit verbunden sind Leistungssteigerungen, eine Stärkung von Tariflöhnen in der Pflege und eine weitere Angleichung der Leistungen bei körperlich und bei psychisch bzw. demenziell bedingter Pflegebedürftigkeit. In der stationären Pflege wird das Betreuungsverhältnis verbessert, was insgesamt bis zu 45.000 Betreuungskräfte zusätzlich möglich macht. Das wird den Pflegealltag in den Einrichtungen insgesamt erleichtern. Zur Gegenfinanzierung der Reform wird der Beitragssatz zum 1. Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte angehoben. Weitere Reformschritte sind in Planung, mit dem auch ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff umgesetzt werden soll.

Die meisten der erwähnten Reformen werden erst ab 2015 wirken. Das mag der Grund dafür sein, dass trotz genereller Zustimmung zur Regierungspolitik die Zufriedenheitswerte für einzelne Politikfelder durchaus noch steigerungsfähig sind. Wir sind halt auf dem Weg und noch nicht am Ziel.

Derzeit verhandelt wird etwa eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Hierbei wir es mit darum gehen, wie am Ende die finanzielle Ausstattung der Kommunen weiter so verbessert werden kann, dass sie ihre Aufgaben hinreichend wahrnehmen können. Eine größere Baustelle ist auch die Finanzierung der Infrastruktur, sei es bei der Bahn, der Straße oder der Breitbandversorgung. Wenn nun durch die Regierung ein 10-Milliarden-Euro-Investitions­pro­gramm angekündigt wird, sollte ein Teil des Geldes dazu genutzt werden, in diesen Bereichen Engpässe zu beseitigen und einen möglichst großen Hebeleffekt auf die Konjunktur auszulösen.

Hinzu kommt, dass innenpolitischen Fortschritten außenpolitische Herausforderungen gegenüber stehen, die uns alle beschäftigen und viele verunsichern. Der ungelöste Ukraine-Konflikt, die Bedrohungen durch Ebola, das schwere Schicksal von Kriegsflüchtlingen, etwa aus Syrien, und nicht zuletzt die terroristische Eskalation durch den „IS“ – das alles sind Krisenherde, die zum Teil überraschend kamen und auf die die Politik überwiegend noch keine schlüssigen Antworten hat. Umso mehr muss es außenpolitisch darum gehen, die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Gerade vor diesem Hintergrund ist es gut, dass die SPD in Regierungsverantwortung an Lösungen mitwirken kann, etwa mit ihrem Außenminister Frank-Walter Steinmeier.