Rede von Martin Dörmann in der Plenardebatte des Bundestages am 16. Oktober 2014

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der letzten Legislaturperiode haben viele der heutigen Rednerinnen und Redner in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ zusammengesessen. Ich glaube, für uns alle war das ein Lernprozess, als wir dort angefangen haben, kontrovers zu diskutieren. Wir haben aber im Lauf der Zeit gesehen: Die Dinge sind komplex. Man kann auch zwei Meinungen gelten lassen. Dann muss am Ende mit demokratischer Mehrheit entschieden werden, was der richtige Weg ist.

Ich glaube, wir alle sollten uns eingestehen, dass nicht alle von uns direkt die perfekte Lösung für alles haben. Denn ich glaube, wir müssen verstehen, dass die Digitalisierung eine so weitreichende Ausstrahlungskraft auf die Gesellschaft, auf Veränderungen hat, dass wir nicht heute auf Knopfdruck für alles eine Lösung finden. Deshalb bin ich ein wenig enttäuscht, dass diese Differenziertheit, die wir in der letzten Wahlperiode ein Stück weit hatten, in der Debatte verloren gegangen ist, weil die Opposition an vielen Stellen suggeriert hat: Jetzt legt ihr ein Konzept vor, aber morgen ist noch nicht alles gelöst.

Entscheidend ist doch, ob wir den richtigen Weg beschreiben, und der steht. Ich will das noch einmal an zwei Punkten deutlich machen. Zunächst eine Bemerkung an Frau Kollegin Dr. Sitte, weil Sie mich auch persönlich angesprochen haben: Wir stimmen völlig darin überein, dass die Digitalisierung auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt der Kreativen und Künstler hat. Ich glaube, die Zielsetzung ist klar: Wir müssen sie unterstützen, wir müssen dafür sorgen, dass sie von ihrer Arbeit auch leben können. Da spielt das Urheberrecht eine wichtige Rolle. Sie haben das Thema Künstlersozialkasse genannt. Dazu will ich aber sagen: Auch da haben Sie suggeriert, wir hätten nichts getan. Fakt ist, dass wir vor der Sommerpause ein Gesetz zur Stabilisierung dieser Künstlersozialkasse verabschiedet haben, und das tritt am 1. Januar 2015 in Kraft. Das einfach zu negieren, ist nicht richtig.

Zweites Thema: Breitbandausbau. Wir sind uns doch alle einig darüber, dass das eine riesige Aufgabe ist.

Ich hätte zumindest einmal erwartet, dass berücksichtigt wird, welchen Quantensprung die Koalition hier vorhat. Wir wollen nämlich 50 Mbit für alle erreichen. Wir haben heute einen Ausbaustand von 63 Prozent. Wenn man innerhalb von wenigen Jahren auf 100 Prozent kommen will, dann ist das ein Quantensprung. Uns allen ist bewusst, dass das nicht Peanuts sind, über die wir reden. Wir brauchen einen Mix.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Herr Kollege!

Martin Dörmann (SPD):

Ich will daran erinnern, dass die Koalition in der letzten Woche einen sehr umfangreichen Antrag verabschiedet hat, unser Breitbandkonzept mit vielen Bausteinen. Und ja: Dazu gehört auch Geld.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Dörmann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Rößner?

Martin Dörmann (SPD):

Ja, gerne, Revanche ist immer gut, bitte.

(Zuruf von der SPD: Mal gucken, in wen der Dörmann verliebt ist!)

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist nicht als Revanche gedacht, aber lieber Kollege Dörmann, wir haben in unserer Enquete-Kommission sehr konkrete Handlungsempfehlungen gegeben. Es ist jetzt nicht so, dass wir auf alles eine Antwort hatten, da gebe ich Ihnen Recht. Es gibt sicherlich einige Fragen, die noch nicht geklärt sind. Urheberrecht zum Beispiel ist in vielen Facetten ein schwieriges Thema. Aber es gibt trotzdem sehr konkrete Handlungsempfehlungen, und die packen Sie jetzt nicht an. Sind Sie nicht auch der Auffassung, wenn man sagt, man will tatsächlich einen Quantensprung hinbekommen, was den Breitbandausbau angeht, man möchte wirklich 2018 diese 50 Mbit erreichen, und eine Finanzierungslücke da ist, die ganz offensichtlich mit der Versteigerung der Frequenzen nicht geschlossen wird, es dann bedeuten muss, dass der politische Wille da sein muss, Geld zur Verfügung zu stellen und Förderprogramme aufzulegen? – Da sehe ich von Ihnen leider keine Anstrengung. Das müssen Sie mir einmal erklären.

Martin Dörmann (SPD):

Liebe Kollegin Rößner, das ist jetzt wirklich nicht abgesprochen gewesen, aber ich bin sehr dankbar für diese Zwischenfrage, weil ich sonst mit meiner Zeit nicht ausgekommen wäre.

Was zum einen die Vorschläge der Enquete-Kommission angeht, will ich daran erinnern, dass das ein Prozess über mehrere Jahre war. Sie können nicht erwarten, dass innerhalb von einem halben Jahr – denn seit dem Koalitionsvertrag ist ein gutes halbes Jahr vergangen – alle Gesetzentwürfe schon vorliegen. Aber wir sind auf dem Weg. Sie wissen ganz genau: Die Digitale Agenda, über die wir heute sprechen, hat so viele Facetten und einen Rahmen dargestellt, dass wir ganz schön zu tun haben werden, das rein arbeitstechnisch überhaupt in dieser Legislaturperiode umsetzen zu können. Aber das machen wir.

Zweiter Punkt: Breitbandausbaufinanzierung. Wir wollen einmal abwarten, was nächstes Jahr dann versteigert wird; denn die Versteigerung hat eine Besonderheit: Wir wissen noch nicht genau, was herauskommt. Aber ich will daran erinnern, dass es Mindestbeträge gib, und es gibt insgesamt ein Frequenzpaket. Die Gesamtsumme des Frequenzpaketes wenn man alle Frequenzen zusammennimmt, die nächstes Jahr dort versteigert werden, liegt ohne dass es da zu einem Bieterverhalten kommt bei 1,5 Milliarden Euro. Der größte Teil davon ist übrigens dann nur für den Bund.

Wenn es aber zu einer Versteigerung kommt, kann für den Bereich, für den eine Mindestsumme von 450 Millionen Euro eingetragen wurde, nämlich die 700-MHz-Frequenzen, durchaus ein Mehrfaches herauskommen. Die Bundesnetzagentur wird eine Frequenzknappheit feststellen. Das führt dann automatisch zu einer Versteigerung. Wir alle wissen nicht, was dabei herauskommt.

Ich gebe Ihnen aber Recht, dass wir uns nicht nur davon abhängig machen können, was am Ende herauskommt, sondern dass sich die Koalition darauf verständigen muss, dass wir in jedem Fall einen substanziellen Beitrag des Bundeshaushaltes dort einsetzen. Darin sind wir uns, glaube ich, in der Koalition auch einig. So habe ich die Debatte in unserem Ausschuss verstanden.

Warten Sie doch erst einmal ab, was wir dann zusammen hinbekommen! Denn wie Sie wissen, müssen wir dazu noch mit den Ländern zusammenkommen. Aber dabei sind wir auf einem guten Weg.

Ich kann an dieser Stelle, um die Zwischenfrage nicht zu sehr zu strapazieren, auch gleich weitermachen. Denn in der Tat: Worin liegt das Hauptproblem beim Breitbandausbau? Das ist die Wirtschaftlichkeitslücke vor allem bei den letzten 20 Prozent der Fläche, die derzeit nicht wirtschaftlich erschlossen werden kann. Dabei geht es übrigens nicht nur um öffentliches Geld, sondern es geht in erster Linie auch um privates Geld, das dort investiert werden soll. Denn für 1 Milliarde Euro öffentliche Mittel könnten wir 3 Milliarden Euro private Investitionen generieren. Je höher dieser Betrag ist, desto besser ist es also. Gerade angesichts der konjunkturellen Unwägbarkeiten der nächsten Jahre – wir wissen noch nicht genau, in welche Richtung sich das entwickelt – wäre das ein Superkonjunkturprogramm.

Wenn wir es hinbekommen, das, was an privaten Investitionen angekündigt ist – 8 Milliarden Euro 2015 laut Netzallianz Digitales Deutschland -, und das, was darüber hinaus noch notwendig ist, um unser Ziel, die digitale Spaltung in Deutschland zu überwinden, zu erreichen, dann wird eine hohe zweistellige Milliardensumme zusammenkommen. Diese muss übrigens auch erst einmal sozusagen verbuddelt werden. Das geschieht schließlich nicht auf Knopfdruck.

Insofern glaube ich, dass die Ziele der Bundesregierung bzw. der Koalition an dieser Stelle durchaus einen realistischen Hintergrund haben. Ich würde mich freuen, wenn alle Kolleginnen und Kollegen daran mitwirken, dass wir zu einer Einigung mit den Ländern kommen und die Themen DVB-T2, drahtlose Produktionsmittel und Mikrofone gelöst bekommen. Wir sind auf dem Weg dahin.

Am 12. Dezember soll es bei einem Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten zu einem Beschluss kommen. Wir arbeiten daran, dass das gelingt. Dann ist auch der Weg bereit, den Breitbandausbau entscheidend nach vorne zu bringen. Nicht zuletzt hat diese Bundesregierung die digitale Infrastruktur als erstes Maßnahmenpaket in ihrer Digitalen Agenda benannt. Wir sollten alles daransetzen, dass das umgesetzt wird. Denn das ist die wirkliche Grundlage dafür, dass die Digitalisierung umgesetzt werden kann und ein Gewinn für die Gesellschaft wird.

Vielen Dank.