Lebensleistungen stärker anerkennen

Das Kabinett hat den Weg für das Rentenpaket von Bundesarbeits- und -sozialministerin Andrea Nahles freigemacht. Mit diesem umfangreichen Gesetzesvorhaben beginnt die Große Koalition, die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen.

Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt das Rentenpaket. Der Vorsitzende Thomas Oppermann stellt klar, dass es mit darum gehe, Leistungen von Menschen anzuerkennen. Es würden keine Geschenke verteilt. „Deshalb geht es hier um Gerechtigkeit und Respekt“, erklärte er. Man sollte dabei nicht die Generationen gegeneinander ausspielen. Die SPD-Fraktion habe auch die Zukunftschancen der jungen Generation fest im Blick. Über die entschieden nicht die aktuelle Rentenpolitik, sondern die Investitionen, die in Bildung, Forschung, Infrastruktur und Wirtschaft getätigt und mit denen die Grundlage für künftige Einkommen und die künftige Rentenfinanzierung geschaffen würden.

Das Rentenpaket beinhaltet

  • die abschlagsfreie Rente für Menschen, die mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben,
  • die verbesserte Anerkennung von Erziehungszeiten für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden (sog. „Mütterrente“),
  • höhere Renten bei Erwerbsminderung und
  • eine Apassung der Leistungen für Rehabilitationsmaßnahmen an die demografische Entwicklung.

Damit schließt das Rentenpaket Gerechtigkeitslücken. Dies kommt direkt bei den Menschen an. Deshalb stimmen nach einer Erhebung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auch 78 Prozent der Bevölkerung der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren zu, 83 Prozent befürworten die Mütterrente und 77 Prozent bejahen, dass Menschen, die aus Krankheitsgründen früher in Rente gehen müssen, bei der Erwerbsminderungsrente besser gestellt werden.

Die schnelle Umsetzung des Rentenpaketes sei auch ein Zeichen für die Verlässlichkeit dieser Regierung, sagte SPD-Fraktionsvizin Carola Reimann: „Wir setzen das um, was wir uns vorgenommen haben.“

Die verbesserte Rente sei das eine, die Bekämpfung der Erwerbsarmut das andere, sagte die arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Katja Mast: „Denn sichere Renten in Zukunft gibt es

nur mit guter Arbeit in der Gegenwart. Deshalb werden wir auch nicht nachlassen, für gute Arbeit zu sorgen. Beispielsweise durch einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn, der als nächstes folgt.“

Abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren

Wer früh angefangen hat zu arbeiten, über Jahrzehnte hinweg in abhängiger Beschäftigung oder selbstständig tätig war und mindestens 45 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt hat, soll ab 1. Juli 2014 nach Vollendung des 63. Lebensjahrs ohne Abschläge in Rente gehen können. Ebenso anerkannt werden dabei Zeiten der Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen. Berücksichtigt werden auch kurzzeitige Arbeitslosigkeit bei Bezug von Arbeitslosengeld I oder andere Lohnersatzleistungen bei Weiterbildung, Schlechtwettergeld, Kurzarbeit oder im Insolvenzfall des Arbeitgebers. Zeiten der Dauerarbeitslosigkeit werden nicht berücksichtigt. Das Zugangsalter für die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren wird in den kommenden Jahren schrittweise auf 65 Jahre angehoben.

Damit die abschlagsfreie Rente nicht zu Frühverrentungen in Unternehmen führt, müssen die Arbeitgeber Verantwortung übernehmen. Sollte es dazu kommen, werde die Politik dagegen vorgehen, kündigte Thomas Oppermann in der Debatte zur Regierungserklärung der Kanzlerin an.

Bessere Anerkennung von Erziehungszeiten („Mütterrente“)

Die Große Koalition will Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren sind, bei der Rente besserstellen. Sie erhalten künftig einen Entgeltpunkt mehr, wenn sie  bereits eine Rente beziehen. Bei zukünftigen Rentnerinnen wird ein weiteres Jahr Kinderziehungszeit angerechnet, so dass sie in der Regel auch einen Entgeltpunkt mehr erwerben. Mit dieser Maßnahme werden die Erziehungszeiten der Frauen besser anerkannt, die vor allem in den westlichen Bundesländern durch fehlende Kinderbetreuungsplätze schlechtere Chancen bei der Berufstätigkeit in Kauf nehmen mussten. Bei den aktuellen Rentenwerten entspricht ein Entgeltpunkt gegenwärtig 28,14 Euro im Westen und 25,74 Euro im Osten. Der Unterschied ergibt sich daraus, dass die Errechnung der Entgeltpunkte an die Lohnentwicklung gekoppelt ist.

Erwerbsminderungsrente verbessern

Wer krankheitsbedingt oder wegen eines Unfalls nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten kann und zukünftig auf eine Erwerbsminderungsrente angewiesen ist, dessen vorherige Arbeitsleistung soll mehr Wertschätzung erhalten. Deshalb soll die so genannte Zurechnungszeit um zwei Jahre verlängert werden. Dabei wird so getan, als ob die Betroffenen, seit sie erwerbsgemindert sind, so wie bisher mit ihrem durchschnittlichen Einkommen weitergearbeitet hätten. Damit wird die Lücke auf dem Rentenkonto gefüllt, ohne dass dafür Beiträge gezahlt werden müssen. Da viele Betroffene bereits vor dem Beginn ihrer Erwerbsminderung Einkommenseinbußen z. B. durch Krankheit oder Wechsel in Teilzeit hinnehmen müssen, was den Durchschnittsverdienst absenkt, sollen künftig die letzten vier Jahre vor der Rente diesen Wert nicht mindern.

Reha-Budget erhöhen

In unserer älter werdenden Gesellschaft kommt es darauf an, die Erwerbsfähigkeit der Menschen möglichst lange zu erhalten. Dazu sind u. a. Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation notwendig. Die Rentenversicherungsträger hatten dafür bisher ein begrenztes Budget zur Verfügung. Dieses Budget wird bereits von 2014 an um rund 100 Millionen Euro erweitert und in den folgenden Jahren um gut 200 Millionen. Es kann wieder reduziert werden, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gegangen sind.

Finanzierung des Rentenpakets

Die Kosten des Rentenpakets sollen in diesem Jahr bei 4,4 Milliarden Euro liegen, das sind weniger als zwei Prozent der aktuellen jährlichen Ausgaben der Allgemeinen Rentenversicherung. Davon macht die sog. Mütterrente drei Viertel davon aus. 2015 sollen die Kosten auf 9 Milliarden Euro steigen, bis 2020 auf 10 Milliarden Euro pro Jahr und bis 2030 auf 11 Milliarden pro Jahr.

Die Finanzierung sichert die Große Koalition durch stabile Beitragssätze ab. Dazu hat sie bereits Ende 2013 ein Gesetz beschlossen, das verhindert, dass die Beiträge auf Grund der Rücklagen in den Rentenkassen gesenkt werden. Die Mehrausgaben können somit aus den Rücklagen finanziert werden. Zudem wird von 2019 an der Bundeszuschuss aus Steuermitteln an die Rentenversicherung erhöht.

Das Gesetzentwurf zum Rentenpaket soll Anfang April in den Bundestag eingebracht und Ende Mai vom Parlament beschlossen werden.