Rede von Martin Dörmann in der Plenardebatte am 29. Januar 2014 (Video)

Ich übernehme gerne die zwei Minuten des koalitionären Kollegen, ich hoffe aber, dass ich auch so auskomme.

Lassen Sie mich zu den verabredeten Projekten der Großen Koalition im Bereich Kultur und Medien mit einigen außerparlamentarischen Stimmen beginnen. So sagt die ARD-Kulturkorrespondentin Maria Ossowski:

Noch nie hat es eine so ausführliche und detailreiche kulturpolitische Festschreibung irgendwann in einem Koalitionsvertrag gegeben.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, DJV, Michael Konken, bewertet den Koalitionsvertrag als „in einigen Punkten interessant für die Anliegen der Journalistinnen und Journalisten“. Und der stets aufmerksam-kritische Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, meint: „Es ist wirklich ein guter Koalitionsvertrag für die Kultur.“ ‑ Genau so ist es, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich, dass auch außen wahrgenommen wird, dass wir uns viel vorgenommen haben.

Der Koalitionsvertrag beschreibt für den Bereich Kultur und Medien ein kooperatives Grundverständnis im Zusammenwirken von Bund und Ländern, selbstverständlich unter Wahrung der primären Kompetenzen auf der Länderebene. Mit der Schaffung des Amtes des Beauftragten für Kultur und Medien unter Rot-Grün ist eine Kultur- und Medienpolitik des Bundes entstanden, die die Aktivitäten der Länder unterstützt, gleichzeitig aber auch eigene Akzente setzt. Eine starke Kultur- und Medienpolitik des Bundes wirkt sich so verstanden eben auch positiv und befruchtend auf die Länder aus. Es war kein Zufall, dass die Länder bei den jüngsten Koalitionsverhandlungen in besonderer Weise beteiligt waren.

Die Große Koalition hat konkrete Vorhaben vereinbart, die wir nun schnellstmöglich anpacken wollen. Zu den drängendsten Themen gehören aus meiner Sicht insbesondere vier Punkte:

Erstens die bereits erwähnte Absicherung der Künstlersozialversicherung.

Schwarz-Gelb hat in der letzten Legislaturperiode nicht vermocht, die notwendigen Regelungen zu treffen, um alle Unternehmen regelmäßig und gleichmäßig zu überprüfen, damit sie ihrer gesetzlichen Pflicht zur Zahlung der Künstlersozialabgabe auch wirklich nachkommen. So gerät das wichtige Sicherungssystem der Künstlersozialkasse zunehmend unter Druck; der Abgabesatz steigt. Sehr zügig wollen wir dies nun angehen und eine Lösung erreichen.

Ich bin sehr froh, dass unsere Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles angekündigt hat, gerade auch diesen Punkt in ihre Vorhabenplanung für dieses Jahr mit aufzunehmen. Das ist ihr ein Herzensanliegen. Wir sehen ja schon am Rentenpaket, wie schnell sie gearbeitet hat. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir da auch in diesem Jahr zu einer gesetzlichen Lösung kommen werden. Ich will auch daran erinnern, dass es damals der SPD-Fraktionskollege Dieter Lattmann gewesen ist, der am Ende der sozialliberalen Koalition das Ganze auf den Weg gebracht hat.

Zweiter Punkt ist die einzusetzende Expertenkommission zur Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde. Auch hier sind wichtige Aufgaben noch unerledigt. Wir erinnern uns: Am 15. Januar 1990, also vor gut 24 Jahren, erstürmten mutige Bürgerinnen und Bürger der damaligen DDR die verhasste Stasi-Zentrale in Berlin Lichtenberg und stellten kilometerweise Akten sicher, die unter menschenunwürdigen Umständen entstanden sind. Das war ein bis heute einzigartiger Vorgang, der zeigt, wie entschlossen die Menschen waren, ihr Schicksal nun selbst in die Hand zu nehmen.

Die Stasi-Unterlagen-Behörde mit der Aufgabe, Zugang zu diesen Akten zu gewähren, war nie auf Dauer angelegt. Damit die Aufarbeitung dieses Kapitels deutscher Geschichte eine Zukunft hat, muss nun geklärt werden, wie und in welcher Form die Aufgaben der Behörde fortgeführt werden können.

Dritter Punkt: eine konsequente Provenienzforschung und gegebenenfalls Restitution, also Rückgabe geraubter Kulturgüter. Der Fund von 1 280 Kunstwerken von teilweise ungeklärter Herkunft im Privatbesitz von Cornelius Gurlitt hat dieses Thema auf die Tagesordnung der Politik gesetzt und offenbart, dass wir vor einem weitgehend noch unbewältigten Kapitel deutscher Geschichte stehen. Wir müssen die Entrechtung von Eigentümern von Kunstwerken in der Nazizeit zwingend aufklären und zügiger diskutieren, als wir dies bisher getan haben. Dazu bedarf es – Frau Staatsministerin Monika Grütters hat es bereits erwähnt – einer verstärkten Provenienzforschung. Wir müssen uns aber auch überlegen, ob rechtliche Anpassungen gegebenenfalls notwendig sind.

Der vierte und letzte Punkt, den ich erwähnen möchte, betrifft die Reform der Medienordnung. Die Digitalisierung und das Internet führen gerade im Bereich der Medien zu großen Umbrüchen. Die Koalition wird die Bemühungen der Länder um eine der Medienkonvergenz angemessene Medienordnung tatkräftig unterstützen. Dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag verpflichtet. Wie Sie wissen, soll hierzu eine zeitlich befristete Bund-Länder-Kommission eingesetzt werden. Sie soll klären, ob es an den Schnittstellen zwischen Medienaufsicht, Telekommunikationsrecht und Wettbewerbsrecht mit unterschiedlichen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zu Anpassungen kommen sollte, die dann auch den Bundesgesetzgeber betreffen könnten. Messlatte für die SPD-Fraktion wird dabei die Frage sein, wie wir auch in einer veränderten Medienwelt die Freiheit, Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien bewahren und stärken können.

In diesem Zusammenhang will ich Folgendes ergänzen: Frau Staatsministerin Grütters hat in ihren ersten Interviews begrüßenswerterweise darauf hingewiesen, dass wir uns innerhalb der Koalition darauf verständigt haben, beispielsweise auch auf EU-Ebene dafür zu sorgen, dass die Möglichkeit besteht, Bücher und Zeitungen mit Blick auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz sowohl im Online- als auch im Offline-Bereich gleich zu behandeln. Ich glaube, das wäre ein wichtiger Schritt, der dafür sorgt, dass die Medien im Internet am Ende Qualitätsjournalismus finanzieren können. Dazu sollten wir einen Beitrag leisten.

Eine Baustelle bleibt uns zum Glück erspart. Das Bundesverfassungsgericht hat gestern die Rechtmäßigkeit der Filmförderung durch das Filmfördergesetz bestätigt. Das Urteil ist zugleich ein klares Bekenntnis für eine kulturelle Filmförderung. Das ist ein großer Erfolg.

Ich will in diesem Zusammenhang noch auf einen Punkt hinweisen: Film ist nach unserem Grundverständnis zwar auch ein Wirtschaftsgut, aber in erster Linie ein kulturelles Gut. Es geht um die Förderung kultureller Werte, und zwar über das hinaus, was die bloße Logik des Marktes ausmacht. Gleiches muss für das Freihandelsabkommen gelten – das ist bereits von dem Kollegen Kretschmer erwähnt worden -: Wir werden dafür sorgen, dass dort die Ausnahmen für die Bereiche Kultur und audiovisuelle Dienste wirklich zum Tragen kommen. Das ist ein ganz zentraler Punkt für uns.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der erste Kulturstaatsminister im Amt, Michael Naumann, hat einmal treffend formuliert: Kultur ist die schönste Form der Freiheit. – Ich will hinzufügen: Freie, unabhängige und vielfältige Medien sind eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Daher ist es wichtig, Kultur und Medien zu stärken, damit wir auch die Freiheit und die Demokratie stärken. Ich freue mich, dass wir heute in dieser Debatte sehr viele Gemeinsamkeiten auch über Fraktionsgrenzen hinweg erkennen konnten. Deshalb freue ich mich in besonderer Weise auf unsere gemeinsame Zusammenarbeit in dieser Legislaturperiode.

Vielen Dank.