Standpunkt von Martin Dörmann zum Ergebnis der Bundestagswahl 2013

Keines der angestrebten Koalitionsbündnisse erhält eine Mehrheit. Die SPD will einen verantwortungsbewussten Weg beschreiten, der ihre Mitglieder mitnimmt, sich an den Interessen der Menschen orientiert und inhaltlich glaubwürdig ist.

Liebe Leserinnen und Leser,

das Ergebnis der Bundestagswahl ist für alle Parteien problematisch. Keines der angestrebten Bündnisse hat einen Wählerauftrag erhalten. Trotz deutlicher Zugewinne für die CDU/CSU verliert Kanzlerin Merkel durch das Ausscheiden der FDP die sie bislang stützende schwarz-gelbe Regierungsmehrheit. Die SPD legt leicht zu,  der Abstand zur Union hat sich jedoch noch einmal deutlich vergrößert. Eine rot-grüne Mehrheit ist weit entfernt. Grüne und Linke verlieren zusammen rund ein Viertel ihrer Wähler. Die Regierungsbildung gestaltet sich extrem schwierig.

Welche Schlussfolgerungen soll die SPD aus dem zwiespältigen Ergebnis ziehen? In diesen Tagen erreichen mich zahlreiche Zuschriften von Mitgliedern und Wählern. Die Ratschläge spiegeln die besondere Bandbreite der SPD-Anhängerschaft wieder. Die einen fordern eine klare Oppositionsstrategie, andere mahnen Gestaltung und Verantwortung in einer Großen Koalition an, Dritte setzen gar auf eine rot-rot-grüne Mehrheit im Parlament.

Letztlich sind diese Rückmeldungen bereits ein Hinweis auf die besondere Schwierigkeiten bei der Mobilisierung von zusätzlichen SPD-Stimmen: die ganz unterschiedlichen Erwartungshaltungen der tatsächlichen oder potentiellen Wählerschaft, und zwar nicht nur im Hinblick auf mögliche Koalitionen, sondern auch auf inhaltliche Schwerpunkte. Die einen haben für die SPD gestimmt, um eine Kanzlerin Merkel zu verhindern, andere wollten hingegen vor allem das Gewicht der SPD in einer von vielen erwarteten Großen Koalition stärken. Vielen ist soziale Gerechtigkeit besonders wichtig, andere haben eher unsere nachhaltigen Konzepte für Zukunftsinvestitionen überzeugt.

Entsprechend sorgsam muss die SPD mit dem Wahlergebnis umgehen. Sie will einen Weg beschreiten, der die eigene Mitglieder- und Wählerschaft möglichst weitgehend mitnimmt, sich an den Interessen der Menschen orientiert und inhaltlich glaubwürdig ist.

Vor diesem Hintergrund begrüße und unterstütze ich den Beschluss des SPD-Parteikonvents zur Koalitionsfrage. Jeder weitere Schritt soll sich danach an den von der SPD im Wahlkampf vertretenen Inhalten ausrichten. Die Parteigremien werden am Entscheidungsprozess eng beteiligt. Ãœber das Ergebnis möglicher Koalitionsverhandlungen soll ein verbindliches Mitgliedervotum eingeholt werden  – einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Leicht ist der Weg nicht. Um auf breite Akzeptanz zu stoßen, ist es notwendig, ergebnisoffen in Gespräche zu gehen.

Welche Alternativen gibt es? Fraglich ist, ob es angesichts der derzeitigen Schwäche und Umbrüche der Grünen den ernsthaften Versuch einer schwarz-grünen Koalition geben wird. Diese wäre immerhin demokratietheoretisch naheliegend, weil eine Große Koalition immer nur Ultima Ratio sein kann. Eine rot-rot-grüne Regierungsbildung scheidet aus. Die SPD hat eine solche Konstellation vor dieser Wahl zwangsläufig ausschließen müssen, weil die Linke leider auf Bundesebene die Opposition zum Prinzip erkoren und sich außen- und europapolitisch vielfach ins Abseits gestellt hat. An Neuwahlen kann letztlich – außer FDP und AfD – kaum jemand Interesse haben, weil sie die Politikverdrossenheit zu steigern drohen. Zudem wäre völlig ungewiss, ob sie zu einem weniger problematischen Ergebnis führen würden.

Als gewählter Abgeordneter bewegt mich, dass wir eines nie aus den Augen verlieren dürfen: Wir stehen in Europa und Deutschland vor gewaltigen Herausforderungen. Wohlstand, soziale Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen kommen nicht von selbst, sie bedürfen der richtigen politischen Rahmensetzung. Ob und welche zukünftige Bundesregierung diesen Aufgaben gerecht werden wird, ist eine offene Frage.