Welche Bilanz ziehst Du nach vier Jahren schwarzgelber Bundesregierung?

Es waren verlorene Jahre. Innenpolitisch hat uns keine Entscheidung dieser Koalition nach vorne gebracht. Im Gegenteil: Klientelpolitik wie überflüssige Steuerentlastungen für Hoteliers oder familienpolitisch unsinnige Maßnahmen wie das Betreuungsgeld haben uns ebenso zurückgeworfen wie eine katastrophal gemanagte Energiewende. Hinzu kommen drastische Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik und bei den Mitteln für Städtebauförderung. Ansonsten hat diese Koalition nichts vorzuweisen außer der ewigen Zerstrittenheit in wichtigen Fragen, die zum politischen Stillstand führt.

Aber wirtschaftlich steht Deutschland im europäischen Vergleich recht gut da?

Das hat aber am wenigsten mit Entscheidungen dieser Regierung zu tun. Welche sollten das sein? Deutschland hat sich unter Rot-Grün modernisiert. Und in der Großen Koalition hat die SPD in der Finanzkrise mit den Konjunkturprogrammen und dem Kurzarbeitergeld die entscheidenden Konzepte geliefert, von denen wir heute profitieren, gerade auch am Arbeitsmarkt. Im Übrigen war es richtig, dass wir Sozialdemokraten immer dafür eingetreten sind, Deutschland als Industriestandort zu sichern und nicht einseitig auf die Dienstleistungsbranche oder gar den Finanzsektor zu setzen. Das hat sich in der Krise ausgezahlt.

Wo will die SPD nach der Bundestagwahl andere Akzente setzen?

Wenn Deutschland seine Zukunftschancen wahren will, dürfen wir uns nicht weiter so durchwursteln wie unter dem Gespann Merkel-Rösler. Die Herausforderungen liegen auf der Hand: Die Chancen in unserer Gesellschaft sind ungleich verteilt. Wenn die Menschen das Gefühl haben, es geht letztlich nur um die wirtschaftlichen Interessen Weniger, droht das den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. Großstädte ächzen unter hohen Soziallasten und zu geringen Einnahmen. Und bei der Infrastruktur leben wir von der Substanz. Auch wirtschaftlich werden wir letztlich nur erfolgreich sein, wenn wir mehr in Bildung, eine bessere Infrastruktur und in die Kommunen investieren.

Was heißt das konkret?

Die SPD will, dass der Bund und die Länder insgesamt 20 Milliarden Euro mehr für Bildung bereitstellen. Im OECD-Vergleich ist Deutschland bei den Pro-Kopf-Ausgaben allenfalls Mittelmaß. Bei uns hängen mehr als in anderen Ländern die Berufschancen von Kindern stark von der Vorbildung und dem wirtschaftlichen Status der Eltern ab. Das muss sich ändern – durch kleinere Klassen, bessere Betreuungsmöglichkeiten und zusätzliche Ganztagsschulangebote. Das würde zugleich die Chancen von Frauen erhöhen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Uns ist es besonders wichtig, Familien zu stärken. Für sie muss mehr getan werden.

Und im Bereich der Infrastruktur?

In Deutschland sind schon alleine 320 Brücken stark renovierungsbedürftig, von den Straßen ganz zu schweigen. Deshalb müssen wir bereits für den Erhalt der Verkehrswege zusätzliche Mittel organisieren und klare Prioritäten setzen.

Wie soll das alles finanziert werden?

Bereits 2011 hat die SPD ein Steuer- und Finanzkonzept vorgelegt, das solide gerechnet ist und nun im Wesentlichen Bestandteil unseres Regierungsprogramms wurde. Im Gegensatz zu anderen Parteien machen wir nicht nur Wahlversprechen, wir sagen auch, wie sie zu finanzieren sind. Nämlich durch eine vertretbare Mehrbelastung  hoher Einkommen und Vermögen, die niemanden zwingen wird, weniger zu konsumieren. Von der Erhöhung der Einkommenssteuer werden nur 5 Prozent der Steuerpflichtigen überhaupt betroffen sein. Daneben werden wir die Steuerentlastungen für Hoteliers sowie das Betreuungsgeld wieder abschaffen. Letzteres werden wir in neue Kitas umlenken. Denn klar ist: Wir wollen nichts auf Pump finanzieren, sondern solide haushalten.

Kommen wir zur Arbeit als Abgeordneter: Was sind Deine persönlichen Arbeitsfelder in Berlin?

Meine Schwerpunktthemen sind Wirtschaft, Medien und Netzpolitik. Zum Bespiel bin ich medienpolitischer Sprecher meiner Fraktion, stellvertretender Wirtschaftsausschussvorsitzender und Mitglied im Beirat unserer Regulierungsbehörde Bundesnetzagentur, die sich in besonderer Weise mit dem Netzausbau beschäftigt. Seit vielen Jahren befasse ich mich mit dem Breitbandausbau und habe hier für die SPD umfangreiche Konzepte erarbeitet, wie

wir „Schnelles Internet für alle“ sichern können. Da hat Deutschland einen großen Nachholbedarf, weshalb ich dankbar bin, dass Peer Steinbrück dies immer wieder prominent anspricht. Und gerade im Medienbereich haben wir es durch die Digitalisierung und den zunehmenden Einfluss des Internets mit einer radikalen Umbruchsituation zu tun, für die wir auch politische Rahmenbedingungen verändern müssen. Insofern gehen die von mir verantworteten Themen ineinander über. Das finde ich besonders spannend.

Welche Rolle spielt der Kölner Wahlkreis angesichts zahlreicher Sitzungswochen in Berlin?

Eine große. Ohne eine starke Verankerung in Köln könnte ich meine Tätigkeit als Abgeordneter gar nicht vernünftig ausfüllen. Gerade weil ich bislang immer direkt gewählt wurde, empfinde ich es als meine besondere Verantwortung, für die Menschen ansprechbar zu sein. Deshalb unterhalte ich gleich drei Bürgerbüros, in denen ich regelmäßig Sprechstunden durchführe und auch mein Mitarbeiterteam mit Rat und Tat zur Seite steht. Und natürlich halte ich den ständigen Kontakt mit Vereinen, Kommunalpolitikern sowie wichtigen Betrieben und Einrichtungen. Da kann ich immer wieder mal ganz konkret helfen.

Welche Projekte oder Entscheidungen wollen Sie für Köln voranbringen?

Gerade eine Großstadt wie Köln ist dringend darauf angewiesen, dass wir als Bund die Kommunen finanziell entlasten, etwa bei Sozialausgaben, und gleichzeitig mehr Mittel für Bildungsmöglichkeiten, Betreuungseinrichtungen und eine gute Infrastruktur zur Verfügung stellen. So müssen beispielsweise die Städtebaumittel wieder auf das Niveau aufgestockt werden, das sie unter Rot-Grün erreicht hatten. Bei der Verkehrsinfrastruktur ist der Ausbau des Bahnknotens Köln von besonderer Bedeutung, um die zukünftigen Personen- und Güterverkehrsströme bewältigen zu können.

Wie viel Zeit bleibt einem Abgeordneten eigentlich noch für die Familie und sein privates Umfeld?

Definitiv viel zu wenig! Bei einer 70-Stundenwoche und zahlreichen Wochenendterminen wird der Spielraum eigentlich von Jahr zu Jahr immer enger. Es ist schon befremdlich, wenn man manchmal Freunden Terminvorschläge in zwei Monaten anbieten muss, wenn nicht doch noch etwas dazwischen kommt. Zudem wird durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten eine ständige Überallerreichbarkeit vorausgesetzt. Dieser Erwartung kann man sich kaum entziehen.

Was reizt Dich offenbar dennoch an der Abgeordnetentätigkeit?

Ich empfinde mich als durch und durch politischen Menschen und habe mich schon seit meiner Jugend besonders für bundespolitische Themen interessiert. Insofern gibt es für mich nichts spannenderes, als Parlamentarier zu sein. Zumal man immer mit vielen und ganz unterschiedlichen Menschen zu tun hat. Das macht mir einfach Spaß.

Und deshalb trittst Du wohl auch wieder an. Was erhoffst Du dir von der Bundestagswahl am 22. September?

Ein klares Votum für einen Wechsel zu Rot-Grün und damit zu einer gerechteren Politik, die alle Menschen mitnimmt und die Potenziale unseres Landes nicht brachliegen lässt. Und für mich persönlich natürlich ein gutes Erststimmenergebnis, damit ich Köln auch weiterhin im Bundestag vertreten kann. Es gibt noch viel zu tun!