Bundestagsrede vom 27. Juni 2013

Martin Dörmanns Bundestagsrede zur Schlussberatung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Gesetzentwurfs  „Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz)“ (Drucksache. 17/12484)

„Bedingt auskunftbereit“ – so muss man wohl das Verhalten der Bundesregierung und der schwarz-gelben Koalition bezeichnen. Wenn die Koalitionsfraktionen der Beschlussempfehlung des Innenausschusses folgen und unseren Gesetzentwurf für ein Presseauskunftsgesetz ablehnen, verweigern sie die Schaffung der dringend gebotenen Rechtssicherheit für Journalistinnen und Journalisten und der gebotenen Rahmenbedingungen, die der Wächterfunktion der Medien Rechnung tragen. Die großen Journalistenverbände haben nachdrücklich an alle Fraktionen hier im Deutschen Bundestag appelliert, dem Entwurf eines Presseauskunftsgesetzes in zweiter und dritter Lesung zuzustimmen. „Die Journalistinnen und Journalisten brauchen ein Auskunftsrecht auf der Bundesebene, das ihre Informationsansprüche klar regelt“, fordert der DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Es sei inhaltlich nicht nachvollziehbar, dass der Innenausschuss des Deutschen Bundestages dem Plenum die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen habe. Das Presseauskunftsrecht dürfe nicht dem aufziehenden Wahlkampf zum Opfer fallen. Ein vernünftiges und in der Sache notwendiges Gesetzesvorhaben müsse auch dann eine Chance haben, wenn es von der Opposition eingebracht werde. Dem muss man eigentlich nichts mehr hinzufügen.

 Mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2013 (6 A 2/12) hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die Pressegesetze der Länder auf den Bundesnachrichtendienst als Bundesbehörde nicht anwendbar sind. Mangels einer bundesgesetzlichen Regelung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs könne dieser aber unmittelbar auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz gestützt werden. Die Länder können danach – anders als dies seit Jahrzehnten Staatspraxis und herrschende Meinung in der Rechtswissenschaft war – durch ihre Pressegesetze Bundesbehörden nicht zu Auskünften gegenüber der Presse verpflichten, da den Ländern hierfür die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Diese obliegt als Annex zu den dem Bund als Kompetenz zugewiesenen Materien vielmehr dem Bund. Solange der Bund von dieser Kompetenz keinen Gebrauch macht, sind die Journalistinnen und Journalisten bei Auskunftsersuchen an Bundesbehörden lediglich auf den verfassungsrechtlich garantierten Minimalstandard unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz angewiesen.

 Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion muss der Bund daher nun unverzüglich einen Auskunftsanspruch für die Presse gegenüber Bundesbehörden einfachgesetzlich normieren. Das Festhalten am derzeitigen Rechtszustand nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stellt eine gravierende Rechtslücke dar, die mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag der Medien unvereinbar ist. Das heißt: kein Gesetz und lediglich verfassungsunmittelbare und unbestimmte Minimalansprüche der Presse auf Auskünfte gegenüber Bundesbehörden.

 Und hier zeigt sich auch das eigentliche Ziel der schwarz-gelben Bundesregierung: Es geht darum, die verfassungsrechtlich zugesicherten Auskunftsansprüche für die Medien so klein wie möglich zu halten. Denn während die Vertreter der Koalition hier erklären, dass es eines Presseauskunftsgesetzes nicht bedarf und dass dies verfassungsrechtlich problematisch sei, vertritt die Bundesregierung in aktuellen Gerichtsverfahren die Position, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes dazu zwinge, die auf Artikel 5 gestützten Auskunftsansprüche auf ein Minimalstandard – eigentlich müsste man sagen: Minimalststandard – zu begrenzen und dass die in den Landespressegesetzen angeführten Versagungsgründe lediglich beispielhaft, keineswegs aber abschließend zu verstehen seien. Dieser Minimalststandard, wie ihn die Bundesregierung vertritt, würde weit hinter den geltenden Auskunftsansprüchen der Landespressegesetze zurückfallen.

 Der federführende Innenausschuss hat eine öffentliche Anhörung zu unserem Gesetzentwurf durchgeführt. Die Sachverständigen waren sich darin einig, dass durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein problematischer Schwebezustand entstanden ist, weil die bisherige Praxis, die sich an den Landesgesetzen orientierte, verworfen wurde und für die Medien daher keine klare gesetzliche Regelung mehr greife. Unterschiedliche Akzentuierungen gab es bei den Experten hinsichtlich der Fragestellung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Hierzu gab es neben dem Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion einen Vorschlag von Ver.di. In der Stellungnahme hat die Journalistenorganisation erklärt, dass sie den Gesetzentwurf der SPD begrüße. Sollte aber über diesen Entwurf keine Einigkeit herzustellen sein, könnte der Gesetzgeber „den Bundesbehörden auch generell aufgeben, alle landesrechtlichen Vorschriften zum Auskunftsanspruch der Medien einzuhalten.“ Dies wäre – als Kompromiss – ein gangbarer Weg gewesen, wenn die Koalition in irgendeiner Weise Interesse an einer gemeinsamen Lösung gezeigt hätte. Leider halten aber die Koalition und die Bundesregierung an ihrer Auffassung fest, dass es keinerlei gesetzlicher Regelung bedarf, da der Verweis auf Artikel 5 Grundgesetz ausreiche.

 Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf den Änderungsantrag eingehen, den wir im Innenausschuss eingebracht haben. Dieser Änderungsantrag hat zahlreiche Vorschläge der Anhörung aufgegriffen und lehnt sich mit diesen an die neueren und modernen sowie presseauskunftsfreundlicheren Landespressegesetze an. Zugleich haben wir redaktionell klargestellt, dass diese Auskunftsansprüche für alle Medien – also Rundfunk, Presse und journalistisch-redaktionelle Onlinemedien Anwendung finden. Im Ergebnis handelt es sich mit diesen Änderungen um ein modernes und zeitgemäßes Mediengesetz, welches der Wächterfunktion der Medien Rechnung trägt – und welches Sie heute ablehnen.

„Bedingt abwehrbereit“ – dieser Spiegel-Titel im Jahr 1962 hat dazu geführt, dass das Bundesverfassungsgericht weitreichende Entscheidungen zum Schutz der Pressefreiheit getroffen hat. Die derzeitige Rechtsunsicherheit ist aus unserer Sicht mit dem öffentlichen Auftrag der Presse und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht vereinbar, das den Staat schon mit der SPIEGEL-Entscheidung verpflichtet hat, Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden als prinzipielle Folgerungen aus Artikel 5 Grundgesetz zu schaffen. Es ist daher zwingend geboten, schnell eine bundesgesetzliche Regelung zu schaffen, die den Journalistinnen und Journalisten die gleichen Auskunftsrechte gegenüber dem Bund einräumt wie gegenüber den Ländern aufgrund der Landespressegesetze. Gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir nach der Bundestagswahl ein modernes Presseauskunftsgesetz des Bundes auf den Weg bringen.