Bundestagsrede vom 16. Mai 2013

In seiner Rede verweist Martin Dörmann auf den von der SPD-Bundestagsfraktion eingebrachten Bundestagsantrag „Netzneutralität im Internet gewährleisten – Diskriminierungsfreiheit, Transparenzverpflichtungen und Sicherung von Mindestqualitäten gesetzlich regeln“ (Drucksache 17/5367).

Aus aktuellem Anlass ist das Thema Netzneutralität wieder in den besonderen Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Die SPD Bundestagsfraktion hat hierzu bereits vor gut zwei Jahren im Rahmen der Diskussion um eine Novellierung des Telekommunikationsgesetzes einen umfassenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Darin haben wir die Aufnahme wirksamer Gesetzesregelungen zur nachhaltigen Sicherung der Netzneutralität gefordert und konkrete Vorschläge vorgelegt.

Leider weigert sich die schwarz-gelbe Regierungskoalition bis heute, über lediglich abstrakte Ermächtigungen hinaus konkretere gesetzliche Vorgaben zur Sicherung der Netzneutralität vorzunehmen. Die aktuelle Debatte beweist, wie falsch es war, die Novellierung des TKG nicht dafür zu nutzen, klare Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu definieren, konkrete Handlungsmöglichkeiten für die Bundesnetzagentur zu formulieren und somit Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.

Warum ist uns Netzneutralität so wichtig? Der Charakter des Internet als freies und offenes Medium muss bewahrt und gestärkt werden. Auf Grundlage der Netzneutralität hat sich das Internet als Innovationsmagnet für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung erwiesen. Durch den gleichberechtigten Datentransport bestehen optimale Teilhabebedingungen und geringe Marktzugangsbarrieren. Neue Anwendungen können kostengünstig im Netz eingestellt und von den Nutzern frei abgerufen werden. Deshalb wollen wir das Prinzip der Netzneutralität gesetzlich absichern.

Der zitierte Antrag der SPD-Bundestagsfraktion enthält hierzu eine Vielzahl konkreter Bestimmungen. So soll Netzneutralität als eines der Regulierungsziele im Telekommunikationsgesetz verankert und dort definiert werden. Kern der Netzneutralität ist auch weiterhin der Gleichbehandlungsgrundsatz, weshalb ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot für den Datentransport erforderlich ist. Das any-to-any-Prinzip soll festgeschrieben werden, wonach jeder grundsätzlich Zugang zu jedem Inhalt im Internet haben und Inhalte selbst anbieten kann.

Netzwerkmanagement soll weiterhin möglich sein, um die Funktionsfähigkeit der Netze zu sichern und dafür zu sorgen, dass zeitkritische Dienste auch in Überlastungssituationen in der erforderlichen Qualität bei den Endkunden ankommen. Allerdings darf dies keineswegs zur Verdrängung des heute bekannten „Best-effort-Internet“ führen, das vielmehr weiter ausgebaut werden muss.

Nach unseren Vorstellungen soll die Bundesnetzagentur ausdrücklich beauftragt werden, die Einhaltung der Netzneutralität und eine ausreichende Best-Effort-Qualität im Internet zu sichern. Sie soll angemessene Mindestqualitätsstandards für die Durchleitung von Datenpaketen festlegen können und einen jährlichen Bericht zum Stand der Netzneutralität erstellen. Bei Verstößen gegen Netzneutralität wollen wir Kunden ein Sonderkündigungsrecht einräumen. Gleiches soll gelten, wenn vertraglich zugesicherte Mindestgeschwindigkeiten nicht eingehalten werden.

Die Regierungskoalition hat sich leider stets einer konkreten gesetzlichen Regelung zu diesen Punkten verschlossen und stattdessen im Rahmen der TKG-Novelle in letzter Minute den Paragraphen 41a TKG aufgenommen. Darin wird die Bundesregierung zur Festlegung einer Rechtsverordnung ermächtigt, um die willkürliche Verschlechterung von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehr in den Netzen zu verhindern. Zugleich wurde die Bundesnetzagentur ermächtigt, in einer Technischen Richtlinie Einzelheiten über die Mindestanforderungen an die Dienstequalität durch Verfügung festzulegen.

Leider wurde aber bislang von beiden Ermächtigungen kein Gebrauch gemacht. Dabei hätte dies gerade im Hinblick auf die Diskussionen sowohl bei der TKG-Novelle als auch in der Enquete-Kommission für Internet und digitale Gesellschaft nahe gelegen. Dies belegt einmal mehr, dass die Bundesregierung zum Thema Netzneutralität gerne symbolische Reden hält, aber wenn es konkret werden soll, durch Untätigkeit glänzt. Dies ist wahrlich kein angemessener Umgang mit einem solch wichtigen Anliegen.

Auch im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um neue Volumentarife für Neukunden im Festnetzbereich der Deutschen Telekom gibt sich Bundeswirtschaftsminister Rösler gerne als Verfechter der Netzneutralität. Es ist zu erwarten, dass dies am Ende aber bloße Worthülsen bleiben. Es sind nur noch wenige Sitzungswochen bis zum Ende der Legislaturperiode. Nicht einmal ein Entwurf für eine Rechtsverordnung zur Absicherung der Netzneutralität liegt vor.

Eine von uns immer geforderte gesetzliche Absicherung der Netzneutralität mit konkreten gesetzlichen Vorgaben hätte einen notwendigen Befugnisrahmen für die Bundesnetzagentur beschrieben und zugleich Leitplanken für die TK-Unternehmen gesetzt, an denen sie sich hätten orientieren können. Möglicherweise wäre uns dann die aktuelle Debatte erspart geblieben.

Was den gerade diskutierten Fall Telekom angeht, erwarten wir, dass die Bundesnetzagentur nun sorgfältig prüft, inwieweit durch die neue Tarifstruktur eine Diskriminierung oder ein Zurückdrängen des Best-Effort-Internet verbunden sein könnte.

Auch unabhängig vom Ergebnis dieser Prüfung sollte nun unverzüglich von den beschriebenen Ermächtigungen in Paragraph 41a TKG Gebrauch gemacht werden. Der beste Weg, um Netzneutralität nachhaltig zu sichern, bleibt allerdings eine klare gesetzliche Regelung hierzu. Wir begrüßen es deshalb sehr, dass die rot-grüne Koalition im Land NRW eine entsprechende Bundesratsinitiative angekündigt hat. Was den heute diskutierten Antrag der Bundestagsfraktion „Die Linke“ betrifft, so ist er uns zu knapp und an einigen Stellen zu unpräzise, auch wenn der Beschlusstext einige Kriterien enthält, die wir teilen können.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich auch weiterhin für eine umfassende gesetzliche Regelung zur Absicherung der Netzneutralität einsetzen. Eine neue rot-grüne Bundesregierung wird nach dem 22. September das umsetzen, was die schwarz-gelbe Regierungskoalition bislang versäumt hat.