Am 18 . April fanden auf Einladung von Martin Dörmann erneut Experten und Gäste aus Verbänden, Medien, Wirtschaft und Wissenschaft zusammen, um beim zweiten Medienpolitischen Dialog der SPD-Bundestags­fraktion über die Perspektiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu diskutieren. Neben dem Vorsitzenden der ARD und NDR-Intendanten, Lutz Marmor, und dem Intendanten des ZDF, Dr. Thomas Bellut, stellten der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Wolfgang Schulz sowie die für die Seite der Bundesländer hauptzuständige Chefin der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Staatssekretärin Jacqueline Kraege (SPD), ihre jeweilige Sicht auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. Pointiert kommentiert wurden die Beiträge vom bekannten Blogger und SPIEGEL-Autor Stefan Niggemeier.

Erst kurz zuvor hatte die ARD bekannt gegeben, dass sie in Kooperation mit dem ZDF drei der sechs Digitalkanäle einsparen wolle. Da sich das ZDF wenig begeistert von diesen Vorschlägen gezeigt hatte, war nach Tagen der fachöffentlichen Debatte das Interesse groß, das erste öffentliche Zusammentreffen der beiden Spitzen von ARD und ZDF mitzuerleben.

Schon in seiner Einleitung wies Martin Dörmann darauf hin, wie breit das Feld der Herausforderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist. Gerade im Zusammenspiel der Mediengattungen Rundfunk-, Print- und Online-Medien gebe es neue Gemeinsamkeiten, aber auch klare Konkurrenzsituationen. Hier sei es wichtig, dass die Mediengattungen nicht gegeneinander arbeiteten, sondern die gemeinsame Klammer der Qualitätsmedien zum Tragen brächten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe auch im Internetzeitalter nichts an Relevanz eingebüßt, müsse nur auf gewohnt hohem Niveau zeitgemäßer und jünger werden. Dabei sei gutes Programm und ein scharfes Profil die beste Grundlage für größtmögliche Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Medien, die insbesondere nach der Gebührenumstellung Anfang 2013 unter neuem Legitimationsdruck ständen. Hierbei müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Gradwanderung zwischen populären Inhalten und Unabhängigkeit von der Quote hinbekommen, um somit dem Anspruch eines Vollprogramms aus Unterhaltung und Information für alle zahlenden Zuschauerinnen und Zuschauer gerecht zu werden.

Professor Wolfgang Schulz wies als Rechtsexperte auf die verfassungsrechtlich garantierte Entwicklungsgarantie des Rundfunks hin. Man dürfe die öffentlichen Inhalte nicht als bloßen „Lückenfüller“ für das begreifen, was der private Rundfunkmarkt nicht von selbst bereitstelle, sondern müsse Programmvielfalt und den „Erhalt einer politisch gehaltvollen Öffentlichkeit“ als Kernpunkt der Weiterentwicklung verstehen. Mit Blick auf Transparenz und Effizienz plädierte er in Anlehnung an den „3-Stufen-Test“ für Online-Inhalte für ein Verfahren, das Relevanz und Reichweite neuer Programminhalte auch im linearen Rundfunk überprüfen solle. Gleichzeitig dürfe man aber mit Blick auf das Verfassungsrecht „nicht Finanzierungsfragen mit Programmfragen vermischen“. Zentralen Optimierungsbedarf sah Schulz in der Erreichbarkeit aller und insbesondere der jüngeren Bevölkerungsgruppen. Dies könne nur durch verstärkte Innovations- und Experimentierfreudigkeit im Programm erreicht werden, die jedoch gleichzeitig die bestehende Programmqualität nicht aushöhlen dürfe.

Der ARD-Vorsitzende und NDR-Intendant Lutz Marmor ging in seinem Statement verstärkt auf die Daseinsberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein: „Unsere Aufgabe ist, den Menschen zu erklären, wofür es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt.“ Der Dreiklang aus Information, Qualität und (politischer bzw. wirtschaftlicher) Unabhängigkeit sei zentral für das Rundfunk-Selbstverständnis. Investigative Recherche (wie im jüngsten Fall der Steueroasen) sei ein gutes Beispiel für die demokratiestützende Arbeit des Rundfunks. Gleichzeitig seien die Sender über ihre Lokalredaktionen und Radiostationen auch in der Fläche verwurzelt und könnten auch dort für hochqualitative Berichterstattung sorgen, wo sonst mit Glück noch eine Lokalzeitung existiere. Mit Blick auf die Kritik am seichten Programm betonte er: „Das Schielen nach Quote ist nicht unanständig!“ Vielmehr müsse die ARD allen Zuschauern gerecht werden. Bewährtes auszubauen und Neues probieren gehörten da zusammen. Insgesamt müsse die Jugend stärker in den Blick genommen werden. Ein möglicher neuer Jugendkanal könne aber eine Verjüngung insbesondere der dritten Programme nicht ersetzen. Die ARD und ZDF seien nur „gemeinsam stark“ und müssten in Zeiten knapper Kassen ihre Kräfte bündeln.

Dr. Thomas Bellut räumte als Intendant des ZDF in manchen Programmbereichen „noch Luft nach oben“ ein. Das bisherige Familienprogramm sei lange ein großer Erfolg gewesen, jedoch seien jüngere Zuschauerschichten „ganz klar ein Problem“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die „schwierige Zuschauergruppe“ der Jugendlichen habe oft auch andere Ansprüche als zunächst erwartet. So finde das Doku-Segment bei jungen Zuschauern erstaunlich großen Anklang. Aber: Nur mit neuem Personal sei es möglich, neue Gesichter und Programme aufzubauen. Die Digitalkanäle betrachtete Bellut hier als einen Weg, „noch jünger, noch moderner“ zu werden. So sei im Ringen um die besten Konzepte auch die momentane „Disharmonie“ mit der ARD in Sachen Digitalkanäle zu bewerten. Deren Vorschläge seien aber einfach nicht praxistauglich. Dennoch wolle man die Vorschläge einer Reduktion der Digitalkanäle gründlich prüfen, um im Einklang mit der ARD zu effizienteren Strukturen zu kommen. Dies sei nötig, da die Sparzwänge bereits die Schließung des Kulturkanals erzwungen und die Eröffnung neuer Kanäle unmöglich gemacht hätten.

Der Medien-Blogger und SPIEGEL-Kolumnist Stefan Niggemeier legte nach den wohlabgewogenen Statements der Intendanten den Finger in die Wunde: Hart aber schmissig-pointiert ging er mit überhäufiger Berichterstattung über royale Ereignisse oder die „Check-Epidemie“ ins Gericht. Zu viel vom Gleichen und Seichten sorge dafür, dass jugendliche Zuschauer einfach nicht einschalten würden: „Ein fehlender Jugendkanal ist nicht der Grund, warum ARD/ZDF nicht von Jugendlichen gesehen wird.“ Die öffentlich-rechtlichen Sender würden nicht als die Orte wahrgenommen, in denen ausprobiert werde, zumal innovative oder hochqualitative Formate oft ins Nachtprogramm verbannt würden. Insgesamt lasse der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Wir-Gefühl vermissen, das er letztlich allen Beitragszahlern schuldig sei.

Staatssekretärin Jacqueline Krage aus Rheinland-Pfalz wies auf die vieldiskutierte Gebührenreform und sich damit neu stellende Fragen vonseiten der Zuschauer hin. Dazu gehörten Forderungen nach verstärkter Transparenz und einem besseren Programm. Sie unterstrich, dass es für die Zuschauer nur ein öffentlich-rechtliches System gebe. Differenzen zwischen ARD und ZDF seien daher kaum vermittelbar. Kraege warnte mit Blick auf die mangelnde Erreichbarkeit der jüngeren Zuschauer vor einem „Generationenabriss“, erteilte jedoch jeden Wünschen nach höheren Geldern für einen Jugendkanal eine klare Absage. Alle Veränderungen müssten im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten bewältigt werden. Abschließend ging Kraege auf technische Zukunftsfragen ein, etwa die der Standards für die Übertragungswege (z. B. DVB-T) oder auch Verpflichtungen für Anbieter von sog. Hybrid-Fernsehern. Sie warnte davor, auch im internationalen Raum Medienregulierung nach rein wirtschaftlichen Kriterien zu bemessen: „Medien sind kein Wirtschaftsgut wie jedes andere.“

In der abschließenden, ausführlichen Diskussionsrunde mit den Podiumsteilnehmern brachten sich vor allem die Privatsender, Kabelnetzbetreiber und Verleger ein. Auch wenn am Ende der Veranstaltung der Eindruck stand, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter gewaltigem Veränderungsdruck steht, so wurde doch deutlich, dass das Rundfunksystem an sich ein bewährter Garant für Qualität und Vielfalt ist, das es anhand von vielen Detailfragen zeitgemäßer und innovativer auszurichten gilt.