Standpunkt aus Berlin Depesche Nr. 76

Kommentar zum SPD-Regierungsprogramm

Beim SPD-Parteitag in Augsburg hat Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in einer überzeugenden Rede deutlich gemacht, worum es bei der Bundestagswahl am 22. September geht: Wir brauchen eine bessere und gerechtere Politik für unser Land!

Deutschland wird heute schlecht regiert. Die konfuse doppelte Energiewende von Schwarz-Gelb kommt Unternehmen und Verbrauchern teuer zu stehen. Die Regierungskoalition ist in wichtigen Fragen in sich zerstritten und nach wie vor in Klientelpolitik gefangen.

Auf europäischer Ebene profitiert Angela Merkel zwar noch von der wirtschaftlichen Bedeutung und Arbeitsmarktstabilität der Bundesrepublik, die nicht zuletzt durch die frühere SPD-Regierungspolitik ermöglicht wurde. Aber eigene Konzepte hat sie nicht vorgelegt, sondern manches Problem in Kohl‘scher Tradition versucht auszusitzen. Eine Lösung der Eurokrise ist jedenfalls noch nicht in Sicht, wie zuletzt das Beispiel Zypern deutlich gemacht hat.

In der Innenpolitik sind das Kürzen von Programmen wie „Soziale Stadt“ zu Lasten notleidender Kommunen, die Verweigerung eines gesetzlichen Mindestlohns und die Verabschiedung eines familien- und bildungspolitisch verfehlten Betreuungsgeldes weitere Beispiele dafür, dass diese Koalition den Herausforderungen nicht gewachsen ist.

Die SPD hat mit ihrem Regierungsprogramm bessere und gerechtere Alternativen dargelegt. Wer die Ungleichheit in unserer Gesellschaft wirksam bekämpfen will, muss zuvorderst in Bildung investieren. Nur so können wir gute Zukunftschancen für alle Bevölkerungsgruppen sichern. Das erfordert zusätzliches Geld. Finanziert werden soll dies jedoch eben nicht durch neue Schulden, die nachfolgende Generationen zusätzlich belasten würden.

Stattdessen möchte die SPD einen höheren finanziellen Beitrag von denen einfordern, die es am besten verkraften können. So soll der Spitzensteuersatz ab 100.000 Euro Einkommen auf 49 Prozent angehoben werden (200.000 Euro bei Verheirateten). Das ist immer noch deutlich weniger als unter

 

Helmut Kohl gezahlt wurde. Über eine Finanztrans­aktionssteuer soll auch der Finanzsektor stärker an den Kosten der Krise beteiligt werden. Und ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro wird verhindern, dass viele Menschen trotz Vollerwerbsarbeit auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Insgesamt werden wir dadurch eine neue soziale Balance herstellen.

Zusätzliche Finanzmittel sind für Kommunen und zum Ausbau unserer Infrastruktur vorgesehen. Hierdurch profitieren werden die Menschen vor Ort und nicht zuletzt auch die Wirtschaft.

So wollen wir die ökonomischen Chancen nutzen und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken. Hierfür treten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit nunmehr 150 Jahren ein. Unsere Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind nach wie vor aktuell und Leitschnur unserer Politik.

Die SPD erinnert sich in ihrem Jubiläumsjahr an viele sozialdemokratische Persönlichkeiten, die in der Geschichte unseres Landes eine wichtige Rolle gespielt haben. An Otto Wels, dessen mutige Reichstagsrede gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis bis heute als ein Symbol für ein demokratisches Deutschland steht. Oder an Willy Brandt, dessen zunächst umstrittene Ostpolitik den Weg für Entspannung und eine Überwindung der europäischen Teilung bereitet hat. Und an zahlreiche gesellschaftliche Reformen, die wir angestoßen haben und die zu mehr Demokratie, sozialer Sicherheit und starken Arbeitnehmerrechten geführt haben.

Im Sinne dieser Traditionen wollen wir weiterarbeiten – für ein gerechtes Deutschland und ein friedliches Europa.