Standpunkt aus Berlin Depesche Nr. 75

Für eine gerechte und zukunftsfähige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Seit Januar hat der neue Rundfunkbeitrag das bisherige Gebührensystem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgelöst. Hierauf hatten sich zuvor alle Bundesländer in einem Staatsvertrag verständigt, da Rundfunkangelegenheiten Ländersache sind.
Statt der bisherigen gerätebezogenen Abgabe (etwa für Fernseher, Radio, Autoradio) gibt es nun einen pauschalen Beitrag je Haushalt oder Betriebsstätte. Dieser ist bei Haushalten im Regelfall identisch mit dem bisherigen Beitrag von 17,98 Euro. Für die allermeisten Menschen in Deutschland ändert sich also nichts.

Durch den neuen Rundfunkbeitrag soll einerseits die langfristige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichergestellt werden. Gleichzeitig geht es aber auch darum, die öffentliche Akzeptanz zu erhöhen, in dem oftmals kritisierte Gerätekontrollen entfallen und ein System etabliert wird, das von allen solidarisch getragen wird.

Der große Vorteil ist, dass der Besitz von Empfangsgeräten nicht mehr von der GEZ überprüft werden muss. Viele Menschen haben diese bisherigen Kontrollen in ihrer Wohnung als unangenehm empfunden. Einige haben sich durch Falschangaben oder Verweigerung der Überprüfung aus der finanziellen Verantwortung gestohlen. Gegen das „Schwarzsehen“ hat die GEZ aufwändige öffentliche Kampagnen durchgeführt.

Es ist nachvollziehbar, wenn einzelne Betroffenen dies kritisch sehen. In der Abwägung aller Argumente überwiegen aber meines Erachtens diejenigen für den neuen (solidarischen) Rundfunkbeitrag.

Von einigen Unternehmen wird kritisiert, dass sie im Ergebnis einen höheren Beitrag als bisher entrichten müssten. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass die Modellrechnungen davon ausgehen, dass die Gesamtbelastung der Wirtschaft langfristig gleich bleibt. Dies war auch das von den Ländern verfolgte politische Ziel, da man eine Erhöhung für Bürgerinnen und Bürger vermeiden wollte. Durch den neuen – geräteunabhängigen – Berechnungsmodus ergeben sich Verschiebungen. Einige Unternehmen werden entlastet, andere belastet. Eine ganz perfekte Lösung ist hier zwangsläufig schwer zu finden. Bei der vorgesehenen Ãœberprüfung der Auswirkungen ist insofern sicherlich auch die möglichst gerechte Verteilung innerhalb der Wirtschaft zu betrachten. Sobald konkrete Einnahmezahlen vorliegen, wird über mögliche Änderungen zu entscheiden sein.

Wie sich die Beitragsneuordnung auf die Gesamteinnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auswirkt, ist auch bei Experten umstritten. Bis 2014 wird geprüft werden, wie sich die Gesamteinnahmen entwickeln und ob der Rundfunkbeitrag nach oben oder unten korrigiert werden muss, um die festgesetzten Ausgaben zu decken. Auch ein späteres Absenken ist durchaus möglich, da die Rundfunkanstalten nicht einfach zu viel erhaltenes Geld einbehalten oder blind ausgeben dürfen, sondern eine Beitragsanpassung gesetzlich vorgeschrieben ist. Zudem werden die Bundesländer die Erfahrungen auswerten und prüfen, ob und welche Anpassungen insbesondere bei den Befreiungsregelungen gerecht und sinnvoll sind.

Alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und auch die Wirtschaft profitieren direkt oder indirekt vom Informationsangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und einer pluralen Medienordnung. Diese besondere Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach herausgestellt. Gerade im internationalen Vergleich kann man feststellen, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten einen ganz wesentlichen Beitrag für Qualitätsjournalismus, pluralistische Meinungsbildung sowie Vielfalt und damit für unser demokratisches Gemeinwesen leisten – und zwar im Hörfunk, im Fernsehen und im Onlinebereich. Diese Form von Informations- und Unterhaltungsqualität gilt es zu bewahren und, wo nötig, zu verbessern. Gerade der neue Rundfunkbeitrag sollte dabei die Sendeanstalten noch mehr in die Pflicht nehmen, effizient mit den Geldern umzugehen, Verwaltungsstrukturen zu verschlanken und die Qualität und Akzeptanz der Angebote zu erhöhen.

Aus diesen Gründen möchte ich für die Neuordnung der Rundfunkfinanzierung und den neuen Rundfunkbeitrag werben. Aus meiner Sicht ist ein leistungs- und zukunftsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk für eine freie Information und Meinungsbildung in einer demokratischen Öffentlichkeit unverzichtbar. Auch von daher ist es wichtig, ein Beitragssystem zu schaffen, das langfristig die größtmögliche Akzeptanz in der Bevölkerung erfährt. Dies soll mit der Neuregelung des Rundfunkbeitrages erreicht werden. Einzelne Korrekturen nicht ausgeschlossen.

Wenn nun alle Wohnungen und Betriebsstätten einen Beitrag entrichten müssen, wird das Gebührensystem einfacher. Mittelfristig werden Kosten gespart, da Geräteerfassung, Kontrollen und Personal entfallen. Zudem lassen sich in Zeiten von Computern, Smartphones und Tablets kaum noch einzelne Empfangsgeräte sauber definieren. Es lässt sich nicht nachvollziehen, ob und in welchem Umfang auf solchen Geräten die Angebote abgerufen werden und deshalb das heimische Fernsehgerät entfällt. Somit ist es zeitgemäß, wenn nicht einzelne Geräte, sondern ganz allgemein die Möglichkeiten zum Empfang mit einer Abgabe belegt werden. Ebenso entfällt die Klärung komplizierter Eigentums- und Nutzungsverhältnisse, etwa in Wohngemeinschaften, nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder Familien mit erwachsenen Kindern.

Das neue System ist unter dem Strich gerechter. Unabhängiger und hochwertiger Rundfunk für unterschiedliche Bedürfnisse und Vorlieben funktioniert nur als Solidargemeinschaft, an der sich alle beteiligen. Auch die Wirtschaft bleibt dabei einbezogen, wobei große Unternehmen mit vielen Angestellten einen höheren Beitrag als kleine zahlen.

Kritik haben vor allem die Veränderungen bei den Befreiungsregelungen erfahren. In der Tat war es früher eher leichter, sich von den GEZ-Gebühren befreien zu lassen. Dennoch bleibt eine Reihe von Befreiungs- oder Ermäßigungsmöglichkeiten bestehen: Für hochgradig schwerbehinderte Menschen mit dem Ausweiskennzeichen RF ist eine Reduzierung des Beitrags auf ein Drittel vorgesehen. Taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe bleiben natürlich weiterhin befreit. Für die SPD war es zudem bei den Verhandlungen der Ländervertreter/innen von besonderer Bedeutung, dass vor allem die einkommensabhängigen Ausnahmeregelungen unverändert bleiben. Wer Sozialleistungen erhält, soll nicht mit Rundfunkgebühren belastet werden. Wer zum Beispiel Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung oder BAföG erhält, kann mit dem Nachweis der betreffenden Behörde die Befreiung vom Rundfunkbeitrag beantragen. Für bestimmte „Härtefälle“, etwa bei einem vergleichbar geringen Einkommen, sind zusätzliche Befreiungsmöglichkeiten durch die Rundfunkanstalten vorgesehen.

Insgesamt wurde ein Modell entworfen, das die Beiträge in der Regel stabil hält. Finanzielle Mehrbelastungen haben allerdings die Menschen, die bislang nur ein Radio zum Empfang genutzt haben oder gar keine Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Anspruch nehmen wollten. Im Sinne des Solidarprinzips wird dieser relativ kleine Personenkreis nun mit in die Verantwortung für unabhängigen und hochwertigen Rundfunk genommen. Die Reduzierung bei alleiniger Nutzung des Radios entfällt. Pro Wohnung ist ein Beitrag zu zahlen, unabhängig davon, ob und welche Rundfunkgeräte vorhanden sind. Der Beitrag wird also für die Möglichkeit gezahlt, sich über das Rundfunkangebot informieren, bilden und unterhalten lassen zu können – unabhängig von dem tatsächlichen Nutzungsverhalten.