Gastbeitrag zum Online-Magazin „The European“

Hochwertige journalistische Angebote sind der Treibstoff unserer Demokratie. Staatsfern organisierte Recherchestiftungen können beitragen, Vielfalt und Qualität zu sichern.

Die schmerzlichen Beispiele der „Frankfurter Rundschau“ und „Financial Times Deutschland“ werfen ein Schlaglicht auf die Probleme im Zeitungsmarkt. Selbst wenn es in den konkreten Fällen auch spezifische Gründe für die zu geringen Verkaufszahlen und finanziellen Schieflagen gibt – letztlich steht die gesamte Branche vor immensen Herausforderungen. Innerhalb von zehn Jahren erlebten die deutschen Tageszeitungen einen Rückgang von fast 30 Prozent ihrer Auflage. Und der Trend droht sich fortzusetzen.

Immer mehr Leser/innen und Werbekunden wandern ins Internet ab – meist auf kostenfreie Angebote. Ganz überwiegend wird Textjournalismus auch dort weiterhin über Print finanziert. „Spiegel online“ mag eine positive Ausnahme sein. Die Zeitungsverleger werden nicht umhinkommen, mehr Bezahlmodelle im Netz zu etablieren, die einen Mehrwert darstellen und so attraktiv sind, dass sie angenommen werden.

Erhebliches Recherchedefizit im Journalismus

Ob dies mittelfristig gelingt, ist offen. Wenn aber im Netz (noch) kein Geld zu verdienen ist und Print weiter zurückgeht, stellt sich die Frage, ob und wie aufwendiger Recherchejournalismus in Zukunft weiter finanziert werden kann. Dies gilt gerade für eher kleinere und mittlere Zeitungen. In erster Linie sind hier Redaktionen und Verleger gefordert, den Strukturwandel durch attraktive Angebote erfolgreich zu bewältigen. Sie können dabei vielfach auf eine hohe Glaubwürdigkeit und vorhandene Kompetenz zurückgreifen. Ich bin davon überzeugt, dass trotz des Wandels bei der Mediennutzung journalistische Qualität und mehr innovative Kreativität auch finanziell erfolgreich sein können. Mir scheint, dass die vergangenen Jahre insoweit nicht optimal genutzt wurden. Man möchte ihnen zurufen: Mehr Mut! Und mehr Recherche!

Medienstudien haben ergeben, dass es ein erhebliches Recherchedefizit im Journalismus gibt. Um zu geringen Kosten möglichst hohe Auflagen zu erzielen, erleben wir viel zu oft einen stromlinienförmigen Mainstream und medialen Selbstbezug. Allzu gerne wird ein vorgegebener Tenor bedient. Populäre Skandale werden bis zum Exzess ausgewalzt. Auf der Strecke bleiben vielfach die gut und aufwendig recherchierten Hintergrundartikel. Dabei sind diese in einer immer komplexer werdenden Welt wichtiger denn je. Demokratische Kontrolle und Willensbildung setzen umfassende Informationen und damit guten Recherchejournalismus voraus. Dazu gehören journalistisches Handwerk, Zeit und Geld.

An dieser Stelle setzen Vorschläge für Recherchestiftungen an. So will die rot-grüne Koalition in NRW eine Stiftung für „Vielfalt und Partizipation“ einrichten. Sie soll Qualität, Unabhängigkeit und Vielfalt bei der Produktion von Medieninhalten sicherstellen. In den nächsten Monaten soll eine Konkretisierung des Modells erfolgen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird im Februar eine Expertenanhörung über neue Wege zur Finanzierung von Journalismus durchführen und hierbei unterschiedliche Vorschläge diskutieren.

Stiftung soll vorhandene Medien nicht ersetzen

Klar ist, dass eine Recherchestiftung staatsfern ohne politische Einflussnahme organisiert werden müsste. Auch ist wünschenswert, dass die Finanzierung nicht nur durch öffentliche Gelder erfolgt, sondern möglichst viel privates Kapital gewonnen wird. Es geht nicht darum, neue Abhängigkeiten zu schaffen, sondern Freiheiten zu sichern! Oberstes Prinzip muss daher die journalistische Unabhängigkeit von (geförderten) Recherchen sein.
Noch sind viele Fragen offen: Wo wäre eine Stiftung organisatorisch anzusiedeln? Durch welche Gelder könnte die Finanzierung gesichert werden? Welche Rechercheprojekte von welchen Redaktionen sollten gefördert werden? Wie wären Recherchestandards oder spezielle Ausbildungsstipendien auszugestalten? Und welches wie zusammengesetzte Gremium entscheidet im Einzelfall?

Es lohnt, diese Debatte ohne falsche Scheuklappen zu führen. Eine solche Stiftung soll vorhandene Medien nicht ersetzen, sondern Journalismus nach bestimmten Kriterien unterstützen. Sie kann für Vielfalt und Qualität einen (wenn auch begrenzten) Beitrag leisten. Nicht zuletzt, um den gesellschaftlichen Wert des Recherchejournalismus wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken. Und vielleicht weckt sie bei dem einen oder anderen Verleger eine zusätzliche Motivation, den Redakteuren im eigenen Blatt mehr Freiraum zu geben. Damit wäre schon viel gewonnen.