Am 16. Januar 2013 fand im Deutschen Bundestag ein öffentliches Fachgespräch zum Thema „Breitbandversorgung, Medienkonvergenz und Leitmedien – Ausgewählte Aspekte des Medienwandels und ihre politischen Implikationen“ statt. Martin Dörmann hat als Telekommunikations- und Medienpolitiker die SPD-Bundestagsfraktion bei diesem Gespräch vertreten. Für das Portal „medienpolitik.net“ hat Martin Dörmann seinen Redebeitrag nochmals schriftlich niedergelegt:

„Der vorgelegte Bericht zur Technikfolgenabschätzung (TA) ist eine sehr gute Analyse und Aufarbeitung wichtiger Fragestellungen, die sich zum Thema „Zugang zur Informationsgesellschaft“ stellen. An der einen oder anderen Stelle hätten die Autoren vielleicht noch etwas mehr Mut zu konkreteren Vorschlägen haben können. Aber insgesamt ist der Bericht eine hervorragende Ergänzung zu der Arbeit in der Enquetekommission des Bundestages „Internet und digitale Gesellschaft“. An vielen Stellen gibt es Schnittmengen in der Analyse. Teilweise konnte der Bericht zuletzt sogar noch in die Arbeit der Enquete-Projektgruppe Kultur, Medien und Öffentlichkeit mit einfließen.

Wie die SPD-Bundestagsfraktion betonen die Autoren die große Bedeutung, die der Zugang zum Internet für die Teilhabe der Menschen an der Informationsgesellschaft hat. Zu Recht heben sie zudem Medienvielfalt als essenziell für die politische Meinungsbildung und damit für unsere Demokratie hervor.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat in letzter Zeit zu diesen Themen bereits umfangreiche Anträge in den Bundestag eingebracht. Zu nennen sind insbesondere unsere Anträge zum Breitbandausbau (Drucksache 17/5902), zu Netzneutralität (Drucksache 17/5367) sowie zu Medienvielfalt und Qualitätsjournalismus (Drucksache 17/10787). Von dem Bericht fühlen wir uns in unseren Bewertungen sowie den meisten daraus abgeleiteten Forderungen bestätigt.

Zu drei in dem Bericht besonders hervorgehobenen Themen nachfolgend einige Anmerkungen:

1. Breitbandversorgung

Bei der Breitbandversorgung ist zwischen zwei grundsätzlichen Fragestellungen zu unterscheiden. Zum einen geht es um eine flächendeckende Grundsicherung, die allen Menschen in Deutschland die Teilhabe am schnellen Internet ermöglicht. Die meisten Experten halten heute eine Bandbreite von mindestens 2 Mbit/s für erforderlich, da hiermit die allgemein verbreiteten Internetanwendungen nutzbar sind. Darauf weist der Bericht zutreffend hin. Durch den aktuellen LTE-Ausbau ist man diesem Ziel bereits recht nahe gekommen. Immer noch gibt es allerdings Gemeinden, die noch nicht entsprechend versorgt sind. Deshalb fordert die SPD-Bundestagsfraktion eine europarechtskonforme Absicherung der Grundsicherung durch eine Universaldienstverpflichtung. Es ist unverständlich, dass die schwarz-gelbe Koalition eine entsprechende gesetzliche Regelung bei der letzten großen TKG-Novelle verweigert hat. Marktverwerfungen wären gerade nicht zu befürchten gewesen, weil es ja um Regionen geht, in denen es ein Angebot (aus wirtschaftlichen Gründen) bislang gar nicht gibt.

Davon zu unterscheiden ist der weitere Ausbau von Hochleistungsnetzen, die deutlich höhere Bandbreiten ermöglichen, beispielsweise zur Nutzung von HD-TV-Angeboten oder anderen anspruchsvollen Angeboten durch mehrere Teilnehmer im Haus. Die Bundesregierung will bis 2014 Geschwindigkeiten von 50 Mbit/s in 75 % der Haushalte erreichen. Zuletzt hat der 2. Monitoringbericht zur Breitbandstrategie des Bundes ausdrücklich festgehalten, dass sich dieses Zieles ohne zusätzliche Maßnahmen kaum realisieren lässt. Leider bleibt die Bundesregierung weitergehende Schritte schuldig und überlässt  den Unternehmen das Problem – ohne zusätzliche Hilfestellung, etwa durch verbesserte staatliche Förderprogramme. Auch der TA-Bericht weist insofern auf die Bedeutung einer zusätzlichen Finanzierung durch öffentliche Mittel beim (teuren und daher oft unwirtschaftlichen) Glasfaserausbau hin.

Die SPD-Fraktion hat hierzu ihre Vorschläge auf den Tisch gelegt. Klar ist, dass staatliche Förderprogramme immer effizient und mit möglichst großer Hebelwirkung für private Investitionen ausgelegt sein müssen. Zudem kann der Ausbau des Glasfasernetzes nur schrittweise erfolgen und nicht innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen sein. Aber er muss angepackt werden, um wirtschaftliche Chancen zu nutzen und eine digitale Abspaltung ganzer Regionen zu vermeiden.

Durch die neue technische Möglichkeit des „Vectoring“ bestehen zusätzliche Möglichkeiten, um bei vorhandenen Leitungen die beim Nutzer ankommenden Bandbreiten deutlich zu erhöhen. Hier wird es Aufgabe der Bundesnetzagentur sein, in den nächsten Monaten die notwendigen Entscheidungen zu treffen, damit das von der Deutschen Telekom angekündigte Ausbauprogramm sowie zusätzliche Investitionen der Wettbewerbsunternehmen tatsächlich realisiert werden können. Auch insofern erscheint die Bundesregierung bislang zu passiv. Zudem blieben selbst im besten Falle etwa 20 Prozent der Haushalte von hohen Bandbreiten ausgeschlossen.

2. Konvergenz und Regulierung

Wie auf den ersten Blick vielleicht nicht so eindeutig zu erwarten, aber durchaus nachvollziehbar begründet, stellt der TA-Bericht fest, dass trotz der Konvergenz der Medien eine Zusammenführung von Medien- und Telekommunikationsregulierung nicht sinnvoll erscheine. Vielmehr seien die vorhandenen Instrumente jeweils dynamisch weiterzuentwickeln, damit Innovationspotenziale möglichst optimal genutzt werden können.

Zu Recht weist der Bericht darauf hin, dass trotz oder gerade wegen der zunehmenden Bedeutung des Internets auch in Zukunft Fragen der Medienvielfalt eine wichtige Rolle spielen. Weiterhin gibt es eine große Konzentration bei Medienunternehmen, die inzwischen sowohl offline als auch online agieren. Zudem sind mit Google, Facebook und Apple neue marktmächtige Akteure unterwegs. Von daher stellen sich zusätzliche Fragen, von der Plattformregulierung bis hin zur Suchmaschinen- und Netzneutralität. Hierzu gibt der Bericht der Politik ebenfalls wichtige Hinweise mit auf den Weg, die wir ernst nehmen und die Bund und Ländern gemeinsam aufnehmen sollten.

3. Leitmedien

Besonders gelungen sind die Darstellungen zur Frage, ob und inwieweit Fernsehen, Radio, Zeitungen oder das Internet heute (noch oder neuerdings) Leitmedien darstellen. Hierauf wird eine differenzierte Antwort gegeben, weil sich beispielsweise das Nutzungsverhalten jüngerer Menschen von dem der älteren deutlich unterscheidet und stärker auf das Internet ausgerichtet ist. Allerdings gibt es auch bei jungen Menschen durchaus unterschiedliche Prioritäten, je nachdem, welche Art von Information man abrufen will. So bleibt das Fernsehen für die 14- bis 29jährigen bei der politischen Meinungsbildung vorne, die Zeitung bei Informationen aus der Region.

Am Ende scheint mir eine Entwicklung absehbar, dass die verschiedenen Mediengattungen zunehmend kombiniert werden und damit alle eine große Bedeutung für die Meinungsbildung haben werden, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung gegenüber heute.

Die entscheidende Herausforderung in nächster Zeit wird sein, wie in allen Mediengattungen die Qualität und Vielfalt von Journalismus gewahrt werden kann. Wir erleben derzeit, dass im Printbereich Redaktionen zusammengelegt oder ganze Zeitungstitel eingestellt werden. Leser und Anzeigenkunden wandern verstärkt ins Internet ab. Ein erfolgreiches Geschäftsmodell für Journalismus im Netz hat sich aber noch nicht etabliert. Vielleicht mit Ausnahme von Spiegel online und Bild.de schreiben alle journalistischen Angebote rote Zahlen. Es ist eine offene Frage, ob und wann sich von den Presseverlegern Bezahlangebote im Netz durchsetzen lassen werden, die sich rechnen. Von daher gibt es derzeit eine spannende Debatte darüber, ob es daneben neuer Finanzierungsmodelle für Journalismus bedarf, um Qualitätsangebote und Vielfalt zu stärken.

Für kontraproduktiv halte ich in diesem Zusammenhang die Angriffe von Presseverlegern gegen Internetangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zuletzt gegen die Tagesschau-App. Es sollte insgesamt um mehr Angebote von Qualitätsmedien im Netz gehen und nicht um weniger. Die Forderung der Presseverleger, das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks solle sich im Netz solle weitgehend auf Bewegtbildangebote beschränken, dafür die Presseverleger auf Textangebote, erscheint mir für beide Seiten als wenig zukunftsweisend. Am Ende werden beide – Rundfunk und Zeitungen – im Netz nur erfolgreich sein, wenn sie eine Kombination aus beiden anbieten, damit auch junge Menschen angesprochen werden. Gleichzeitig ist es schwer vermittelbar, dass von Beitragsgeldern finanzierte öffentlich-rechtliche Angebote im Netz heute nach sieben Tagen aus den Mediatheken entfernt werden müssen. Das sollte sich ändern. Auch diesen Punkt haben die Autoren ausdrücklich in ihre Empfehlungen aufgenommen.

Mit dem TA-Bericht sowie dem demnächst zu verabschieden Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ liegen zusätzliche Erkenntnisse vor, die es verdienen, in der breiten Öffentlichkeit diskutiert zu werden. Die SPD-Bundestagsfraktion wird hierzu ihren Beitrag leisten und weiter intensiv an der Weiterentwicklung unserer Medienwelt mitwirken – im Sinne von mehr Teilhabe, Qualität und Vielfaltsicherung.