Standpunkt aus Berlin Depesche Nr. 73

Die Beschlüsse der Koalition dienen dem Wahlkampf, nicht der Zukunftsvorsorge

Liebe Leserinnen und Leser,

eine aktuelle Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen stellt der schwarz-gelben Koalition ein desaströses Zeugnis aus. 70 Prozent der Deutschen sagen, die Regierung Merkel betreibe Klientelpolitik. 65 Prozent sind der Ansicht, sie kümmere sich nicht um die Zukunftsprobleme des Landes.

Der kürzliche Koalitionsgipfel belegte dies eindrucksvoll. Mit Ausnahme der ohnehin auch von allen Oppositionsfraktionen seit längerem geforderten Abschaffung der Praxisgebühr wurde nichts Vernünftiges beschlossen. Statt die Lücke bei den Betreuungsplätzen für unter 3-jährige Kinder zu schließen, wurde das Betreuungsgeld auf den Weg gebracht. Das ist eine bildungspolitisch verfehlte Maßnahme, zumal es gerade bei sozial schwachen Familien einen Anreiz setzt, Kinder nicht in Betreuungseinrichtungen zu geben. Und das nur, um der CSU eine bessere Ausgangslage für die Landtagswahl in Bayern zu verschaffen.
Auch der verabschiedete Bundeshaushalt 2013 ist ein Dokument verpasster Chancen und falscher Weichenstellungen. Dank Strukturreformen und Krisenmanagement der Vorgängerregierungen konnte Schwarz-Gelb bis 2013 über Mehreinnah-men und Minderausgaben von über 126 Milliarden Euro verfügen. Statt aber Zukunftsvorsorge zu betreiben und die Konsolidierungsanstrengungen zu intensivieren, endet man mit einer zweistelligen jährlichen Neuverschuldung und einem Finanzplan, der die Generationenbürde der jährlichen Zinszahlungen von 31 Milliarden Euro in 2013 auf 41 Milliarden Euro in 2016 steigen lässt.
Hinzu kommt zusätzlich ein Griff in die Reserven der Sozialversicherungen. So werden dem Gesundheitsfonds bis 2014 rund 6,5 Milliarden Euro entzogen. Und die Rücklagen der Rentenversicherung werden durch eine nicht nachhaltige Beitragssatzsenkung gemindert, statt einen zu-sätzlichen Puffer für die demografischen Herausforderungen zu schaffen. Geplündert wird zudem die aktive Arbeitsmarktpolitik, bei der sich die Einschnitte von 2011 bis 2016 auf 36, 5 Milliarden Euro summieren, überwiegend zu Lasten von Maßnahmen für Langzeitarbeitslose. Gleichzeitig zapft Schwarz-Gelb die Investitionsre-serve der Förderbank KfW in Höhe von einer Milliarde Euro an, wie schon zuvor der Bahn AG Investitionsmittel in Höhe von jährlich 500 Millionen Euro entzogen wurden. Von voraus-schauender Politik, die auf die absehbaren konjunkturellen Risiken reagieren könnte, keine Spur.

Die SPD setzt hiergegen klare Prioritäten: beim Schuldenabbau, bei Bildung, Forschung und Entwicklung, der Handlungsfähigkeit von Kommunen, bei Infrastruktur und Energiewende. Unser Finanzierungskonzept unter dem Titel „Nationaler Pakt für Bildung und Entschuldung“ sieht einen strukturell ausgeglichenen Haushalt für 2013 bei einer Neuverschuldung von nur 7,8 Milliarden Euro vor.
Der Bund soll nach unseren Vorstellungen jährlich 2 Milliarden Euro mehr in Bildung und Ausbildung investieren, die Investitionen in Infrastrukturen und die Energiewende werden um jährlich 3 Milliarden Euro angehoben. Und die finanzielle Situation der Kommunen wird mit jährlich 6,4 Milliarden Euro verbessert und durch einen kommunalen Investitionspakt von 2 Milliarden Euro unterstützt.
Diese Maßnahmen werden solide gegenfinanziert: im Wesentlichen mit dem wirtschafts- und sozialverträglichen Abbau von Subventionen sowie einer moderat höheren Steuerbelastung für sehr hohe Einkommen und Vermögen. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, ein höherer Abgeltungssteuersatz für Kapitaleinkünfte und ein höherer Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer tragen zur Konsolidierung des Haushaltes bei.

Fazit: Nicht nur bei der Energiewende, auch beim Haushalt ist Schwarz-Gelb gescheitert. Unsere Alternativen liegen auf dem Tisch. Es ist höchste Zeit für einen Wechsel.