Kurzüberblick und Argumente. Von Anton Schaaf, MdB

Einstimmig bei nur vier Enthaltungen hat am 24. November 2012 der SPD-Parteikonvent in Berlin unser neues Rentenkonzept beschlossen: „Die SPD-Rentenpolitik: Arbeit muss sich lohnen!“. Der lange Vorbereitungsprozess und die vielen guten Diskussionen haben sich gelohnt. Ideologische und technokratische Erwägungen treten in den Hintergrund; wir haben an die Bedürfnisse der Menschen und an die volkswirtschaftliche Zukunft gedacht. Nach dem Ringen um die besten Lösungen, können wir uns nun den poltischen Gegnern stellen, die nichts Vergleichbares vorweisen können. Das sind die Beschlüsse:

Für ein armutsfestes lebensstandardsicherndes Einkommen

  • Nur aus guten Löhnen werden gute Renten! Wir wollen einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, die Stärkung der Tarifbindung und das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durchsetzen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse müssen zurückgedrängt werden: Gegenwärtig beziehen 350.000 Vollzeitbeschäftigte zusätzliche Leistungen des Arbeitslosendgelds II. Ein Alleinstehender erwirbt daraus im Höchstfall eine monatliche Rentenanwartschaft von ca. 11 Euro im Jahr.
  • Das Rentenniveau: bleibt bis zum Ende des Jahrzehnts stabil bei rund 50%. 2020 gilt es neu zu bewerten, wie die Ankopplung der Renten an die Erwerbseinkommen vorzu-nehmen ist. Eine Ãœberprüfung schreibt auch das Gesetz vor. Wir wollen eine wachsende Sicherungslücke in der gesetzlichen Rente verhindern. Würde heute die für die Zeit nach 2030 prognostizierte untere Haltgrenze von 43% gelten, müsste ein Durchschnittsverdiener rund 5 Jahre länger arbeiten (33 statt 27 Jahre), um eine Rente in Höhe der Grundsicherung zu erreichen.
  • Eine Solidarrente: von 850 Euro erhält zukünftig, wer auch nach 30 Beitragsjahren und 40 Versicherungsjahren trotz einer Aufwertung von Zeiten des Niedriglohnbe-zugs oder langer Arbeitslosigkeit sowie einer verbesserten Berücksichtigung von Teilzeitarbeit während Kindererziehung/ Pflege unter diesem Betrag bleibt und bedürftig ist. 31% der Rentenzugänge mit 40 und mehr Versicherungsjahren erzielt unterdurchschnittliche Rentenanwartschaften. Bei 30 Beitragsjahren entspricht ein früheres Einkommen von durchgängig 2/3 des Durchschnitts eine Rente von 562 Euro.
  • Ausbau der betrieblichen Altersversorgung: Eine flächendeckende Ausbreitung der Betriebsrenten ist unter den bestehenden Bedingungen unrealistisch. Die Entgeltumwandlung wird nach einer Befragung unter Betriebsräten von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur zu 39% genutzt. Die im Konzept vorgeschlagene „Opt-Out-Regel“ in Kombination mit einer Verpflichtung der Arbeitgeber ein Angebot zu unterbreiten, wird eine neue Dynamik in Gang setzen.
  • Einbeziehung ungesicherter Selbstständi-ger: Der Anteil Selbstständiger an den Er-werbstätigen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Problematisch daran: 2 Mio. Soloselbstständiger verfügen zumeist über ein geringes Einkommen und sind für den Ruhestand nicht abgesichert. In Zukunft wollen wir alle Erwerbsformen und damit auch Wechsel zwischen unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen absichern. Da-für werden wir ein spezielles Tarif- und Bei-tragsrecht anbieten.
  • Angleichung der Rentenbemessung in Ost und West: Mehr als 20 Jahre nach der Wie-dervereinigung und entsprechend der Tat-sache, dass sich die Löhne nicht nur in Ost und West sondern auch in anderen Regionen Deutschlands deutlich unterscheiden können, müssen wir handeln. Wir werden die Angleichung der Rentenberechnung in Stufen bis zum Jahr 2020 abschließen und zugleich den Aufwertungsfaktor abschaffen. In einem ersten Schritt werden sofort alle pauschal bewerteten Versicherungszei ten (Kindererziehungszeiten usw.) einheitlich mit dem aktuellen Rentenwert berechnet.
  • Für flexible Ãœbergänge in die Rente

    Gerade für Beschäftigte, die bereits heute aufgrund hoher Arbeitsbelastung oder Invalidität nicht bis zum 65. Lebensjahr arbeiten können, muss der Übergang ins Rentenalter ohne große Einkommensverluste ermöglicht werden:

  • Abschlagsfreie Rente nach 45 Versiche-rungsjahren: Ab einem Alter von 63 Jahren wird es in Zukunft möglich sein, ohne Ab-schläge in Rente zu gehen. Ein knappes Drittel der Neurentner könnte gegenwärtig diese Möglichkeit nutzen. Gerade für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in besonders belastenden Berufen wäre ein Renteneintritt ohne größere finanzielle Verluste geradezu eine Erlösung, weil hier nur im Ausnahmefall die Regelaltersgrenze erreicht werden kann.
  • Ausbau der Teilrente: Wir regeln die Bedin-gungen neu und führen eine Teilrente ab dem 60. Lebensjahr ein, die eine deutlich flexiblere Handhabung ermöglichen wird. Die Zahlen der Inanspruchnahme verdeutlichen, dass dies dringend notwendig ist: Im Jahr 2011 haben nur 623 Versicherte den Rentenzugang über die Teilrente genutzt.
  • Verbesserungen bei der Erwerbsminde-rungsrente: Vorgesehen ist die Verbesse-rung der Berechnungsgrundlagen. Darüber hinaus werden die für alle vorzeitigen Rentenzugänge geltenden Abschläge bei Erwerbsminderung abgeschafft, weil hier der Rentenzugang krankheitsbedingt und nicht frei gewählt ist. Die Abschläge belasten die Renten mit durchschnittlich 77 Euro monat-lich. Zusätzlich wird die Verbesserung der Zurechnungszeiten volle Erwerbsminderungsrenten im Schnitt um 45 Euro im Monat erhöhen. Erleichterte Möglichkeiten für Zusatzbeiträge an die Rentenversicherung werden dazu dienen, gerade in stark belastenden Tätigkeiten den Zeitpunkt für den Renteneintritt flexibler zu gestalten.
  • Die Rente mit 67 bleibt ausgesetzt: Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist erst dann möglich, wenn die rentennahen Jahrgänge, also die 60 – 64-jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mindestens zu 50% sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.
  • Für eine solide Finanzierung

    Die Finanzierung erfolgt durch den Aufbau einer Demografiereserve in der gesetzlichen Rentenversicherung, die die vorgesehene Beitragssatzentwicklung vorwegnimmt. Dies bedeutet, ein moderates stetiges Ansteigen des Beitragssatzes auf 22% wie auch das Modell des DGB es vorschlägt. Das sind jedes Jahr 2,60 Euro mehr Beitrag für den Durchschnittsverdiener. Die Ausgaben für die Solidarrente werden aus Steuern finanziert.

    CDU/ CSU und FDP kritisieren die angeblich zu hohen Kosten. Wir wären aber keine Sozialdemokraten, wenn uns die Bekämpfung von Altersarmut und die Aufrechterhaltung eines ausreichenden Lebensstandards im Alter nicht die einzusetzenden Mittel Wert wären. Was den Menschen dient, muss immer im Vordergrund stehen und hilft der sozialen Marktwirtschaft.
    Uns muss klar sein, dass die demografisch bedingten und die vom Wandel der Arbeitswelt verursachten Veränderungen ohnehin einen erheblichen finanziellen Mehraufwand verursachen werden, wenn wir den Menschen in Zukunft einen auskömmlichen Ruhestand ermöglichen wollen. Das kann keine Reform ändern! Tun wir nichts, wird uns die Realität in Form von steigenden Aufwendungen für die Grundsicherung im Alter und wachsender sozialer Ungleichheit einholen.

    Unsere Argumente

    Unsere Pläne bleiben nicht bei Änderungen in der gesetzlichen Rente stehen, sondern reichen vom Arbeitsmarkt bis zur Verbesserung der betrieblichen Alterssicherung. Die gesetzliche Rentenversicherung ist der falsche Ort, um die Probleme auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft zu korrigieren. Ohne gute Arbeit und die Bekämpfung von Erwerbsarmut kann im Ruhestand weder der Lebensstandard gesichert noch Altersarmut verhindert werden. Die politischen Mitbewerber ignorieren dies. Sie schüren zwar Angst vor Altersarmut, behandeln aber nur Symptome und auch dies nur unzureichend. Die sogenannte Lebensleistungsrente nach Plänen der Bundesregierung verdeutlicht deren Ignoranz: Nur 2% der Geringverdiener dürften nach dem Modell der CDU/CSU Verbesserungen in Höhe von 10 bis 15 Euro über dem Grundsicherungsniveau erwarten. Das hilft nicht, stellt aber die gesetzliche Rentenversicherung in Frage und bringt sie um ihre Akzeptanz.

    Wir müssen sobald wir in Regierungsverantwortung sind, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt anpacken. Nur mit der Bekämpfung von Erwerbsarmut können wir auch Altersarmut aus Deutschland fernhalten. Dennoch sind oder waren schon jetzt viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer prekär beschäftigt oder von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Wir bessern daher diejenigen Renten auf, die bereits von negativen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt erfasst worden sind. Langfristig müssen wir die gesetzliche Rentenversicherung zur Erwerbstätigenversicherung ausbauen, das stärkt deren finanzielle Basis, hilft dabei Beitrag und Leis-tung in einem angemessenen Verhältnis zu halten und stärkt die Solidarität.
    Wir setzen Maßstäbe für die zukünftige Alterssicherung. Die politischen Mitbewerber werden es schwer haben, dem etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen. Ihnen fehlt das klare Bekenntnis zur gesetzlichen Rentenversicherung, daher vermögen auch ihre „Rezepte“ nicht zu helfen.