„Der Bahnknoten ist ein Nadelöhr“

Interview ist erschienen im Kölner Stadt-Anzeiger vom 14. August 2012

Kölner Stadt-Anzeiger: Herr Dörmann, sie sind von den Porzern, die SPD gewählt haben, in den Bundestag nach Berlin geschickt worden. Können Sie nicht etwas tun, damit der Niedergang der Porzer Innenstadt aufgehalten wird?

Sie meinen sicher die Hertie-Immobilie?

KSTA: Genau.

Ein in der Tat sehr ärgerliches Thema! Es zeigt sich leider, dass selbst bester politischer Wille an Grenzen stößt, wenn es unklare, international verflochtene Eigentumsverhältnisse gibt. Man kann sich ja nicht über Recht und Gesetz hinwegsetzen.  Ob andere gesetzliche Regelungen zukünftig helfen könnten, solche Situationen zu vermeiden, muss man prüfen. Ich wäre immer offen, konkrete Verbesserungsvorschläge an die zuständigen Fachleute im Parlament und in den Ministerien heranzutragen.

KSTA: Was halten sie von einer bundesweiten Initiative von Bürgermeistern, in deren Gemeinden Hertie-Immobilien vor sich hingammlen?

Eine solche kommunale Initiative kann sicher nicht schaden, um den Druck weiter zu erhöhen. Ob und wann sie erfolgreich sein würden, lässt sich aber nur schwer vorher sagen.

KSTA: Blicken wir einmal über den Porzer Tellerrand hinaus nach Berlin. Welche Aufgaben haben Sie in Berlin übernommen?

Meine Arbeitsschwerpunkte sind Wirtschafts-, Medien- und Netzpolitik. Ich bin medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses.

KSTA: Inwieweit geht es dabei auch um Kölner Themen?

Da ist zum Beispiel die Raumfahrt, für die ich innerhalb der meiner Partei zuständig bin. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt gehört zu den herausragende Forschungseinrichtung. Ich helfe dabei, dass für Aufgaben ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Schließlich geht es um Innovationen mit großen wirtschaftlichen Auswirkungen.

KSTA: Und inwieweit ist Köln von Entwicklungen bei der Netzpolitik betroffen?

Was die Infrastruktur angeht ist Köln vergleichsweise gut aufgestellt. Denn ein städtisches Unternehmen baut hier sukzessive ein eigenes Glasfasernetz auf, das höhere Bandbreiten, also mehr Datenmengen in kürzeren Zeit erlaubt. Der Breitbandausbau hat ein riesiges Investitionspotenzial. Ich bin froh, dass ein Kölner Unternehmen sich daran beteiligt und davon profitiert.

KSTA: Woran hapert es denn Ihrer Meinung nach in Köln?

Ein besonderes Nadelöhr ist der Bahnknoten Köln. Hier brauchen wir so etwas wie ein Projekt „Köln 21“. Die Schieneninfrastruktur muss so ausgebaut werden, dass sie die weiter zunehmenden Verkehre aufnehmen kann und sich Personen- und Güterverkehr nicht gegenseitig behindern. Dann kann auch die Taktfrequenz verkürzt werden, wovon gerade der Porzer Nahverkehr profitieren würde. Das hängt übrigens nicht nur von Entscheidungen der Bahn ab, sondern auch von der Politik. Den die muss letztlich der Bahn die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.

KSTA: Was bewegt die Gemüter der Parlamentarier zur Zeit am meisten?

Das ist sicher die Bewältigung der Staatsschuldenkrise und die Zukunft des Euros. Der Parlamentsbetrieb wird davon zu mindestens einem Drittel beherrscht. Die Euro-Debatte macht uns mehr und mehr Bauchschmerzen. Denn alle Optionen bergen große Risiken für unseren Wohlstand. Einen Königsweg können uns bislang auch die Experten nicht weisen.

KSTA: Und wenn Sie in Köln sind, was machen sie dann?

Gerade läuft meine traditionelle Sommertour, mit vielen Besuchen von Unternehen und Einrichtungen. Auch ansonsten sind die sitzungsfreien Wochen in Köln immer voll durchgeplant. Dazu gehören die Bürgersprechstunden, bei denen es zum Beispiel darum geht, auf politische Sorgen einzugehen oder bei Problemen mit Behörden zu helfen. Außerdem verlassen mich die Berliner Themen auch in meiner Heimatstadt nicht. Ich bearbeite täglich Dutzende von E-Mails, beantworte Presseanfragen und schreibe Texte für die nächste Sitzungswoche.

KSTA: Sie waren für kurze Zeit auch Mitglied im Verteidigungsausschuss. Was glauben Sie, wie sich der Bundeswehrstandort Wahn in den kommenden Jahren entwickeln wird?

Durch die Bundeswehrreform werden auch in Köln Dienstposten verloren gehen. Die Luftwaffenkaserne Wahn bleibt aber die größte ihrer Art in Deutschland. Ich habe kürzlich mit dem Kasernenkommandanten gesprochen, der die Einschätzung hat, die Reduzierungen seien letztlich verkraftbar. Wichtig wird aber sein, die notwendigen Mittel zu bekommen, damit beispielsweise die Kaserne den Planungen entsprechend umgestaltet werden kann.

KSTA: Sie sind Rechtsanwalt. Was hat Sie zur Politik gebracht?

Ich bin 1979 mit 16 Jahren Mitglied der Jusos geworden. Das war damals eine hochpolitische Zeit, vor allem mit den Friedensmärschen und den Anti-AKW-Kampagnen. Später war ich Mitglied der Bezirksvertretung Rodenkirchen und ein Jahrzehnt lang stellvertretender Vorsitzender der Kölner SPD. Näher an die Bundespolitik hat mich meine Tätigkeit als Mitarbeiter in den Abgeordnetenbüros von Anke Fuchs und Renate Schmidt gebracht. Da habe ich es als konsequent empfunden, 2002 erstmals für den Bundestag zu kandidieren.

KSTA: Macht die Arbeit noch Spaß?

Ja, jedenfalls überwiegend. Einerseits ist es ein Stressjob mit 70-Stunden-Woche, der insofern nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig ist. Auf der anderen Seite kann man mitgestalten, kommt mit Menschen zusammen und wird täglich neu herausgefordert.

KSTA: Was frustriert Sie am meisten?

Wir sind als Abgeordnete immer stärker ins Tagesgeschäft und in Terminverpflichtungen eingebunden. In einer sich beschleunigenden Gesellschaft haben wir meist zu wenig Zeit, um grundlegende Fragen wirklich tief zu reflektieren. Gerade angesichts der komplexen Entscheidungsprozesse im Bund, in Europa oder in einer Fraktion fühlt man sich manchmal schon eher als ein kleines Rädchen im Getriebe, das funktionieren muss.

Das Interview führten Roland Schriefer und Michael Heeg