SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet Breitbandkonzept im Expertendialog

Beitrag von Martin Dörmann für das medienpolitische Magazin „pro media“ (Ausgabe 6 Juni 2012)

Ein Dreivierteljahr hat sich die SPD-Bundestagsfraktion Zeit genommen, um in monatlichen Workshops mit Fachleuten ihr neues Breitbandkonzept zu erarbeiten. Es verfolgt drei wesentliche Zielsetzungen: wir wollen endlich eine flächendeckende Grundversorgung mit schnellen Internetverbindungen umsetzen und dies durch eine Universaldienstverpflichtung absichern. Mittelfristig soll eine Qualitätsentwicklung mit Geschwindigkeiten von mindestens sechs MBit/s realisiert werden. Und schließlich geht es um den schrittweisen Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen, die deutlich höhere Bandbreiten ermöglichen und auch den zukünftigen Anforderungen an eine moderne Breitbandinfrastruktur gerecht werden.

Um die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen der Digitalisierung voll nutzen zu können, bedarf es einer hochleistungsfähigen Breitbandversorgung. Diese sollte möglichst flächendeckend umgesetzt werden, damit alle Menschen und Regionen am Fortschritt teilhaben können. Wer ohne schnelle Internetverbindung ist, droht im wahrsten Sinne des Wortes den Anschluss zu verlieren.

Deutschland bleibt bislang unter seinen Möglichkeiten. Die Bundesregierung wird voraussichtlich sämtliche Zielvorgaben ihrer Breitbandstrategie verfehlen. Das Ausbauziel einer flächendeckenden Versorgung mit 1 MBit/s bis 2010 wurde bereits verpasst. Auch die zweite Messlatte droht gerissen zu werden, nämlich die Versorgung von 75 Prozent der Haushalte mit mindestens 50 MBit/s bis 2014. Der 2. Monitoringbericht zur Breitbandstrategie des Bundes stellt ausdrücklich fest, dass „die Ausbauanstrengungen deutlich zu verstärken“ wären, um das Ziel noch zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund hat die SPD-Bundestagfraktion ihr bisheriges Breitbandkonzept weiter präzisiert und neu erarbeitet. Und zwar in einem intensiven Dialogprozess, an dem sich zahlreiche Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und Gewerkschaften beteiligt haben. Das bislang einzigartige Projekt unter dem Titel „Infrastrukturkonsens“ wird in den nächsten Wochen abgeschlossen.

Bei der Breitbandversorgung ist zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Zielen zu unterscheiden. Eine flächendeckende Grundversorgung sollte nun endlich zeitnah realisiert und durch eine europarechtskonforme Universaldienstverpflichtung abgesichert werden. Denn die Verfügbarkeit schneller Internetverbindungen ist zum unverzichtbaren Bestandteil der medialen und kommunikativen Daseinsvorsorge geworden. Zumindest die Nutzung klassischer Internetanwendungen in angemessener Qualität muss allen ermöglicht werden. Sie benötigen derzeit Bandbreiten von rund 2 MBit/s. Dazu zählen beispielsweise das Abrufen von Informationsangeboten und die Nutzung von E-Mail-Diensten, die Teilnahme an sozialen Netzwerken oder das Einkaufen im Netz.

Zur Absicherung der Grundversorgung will die SPD eine Universaldienstverpflichtung ins Telekommunikationsgesetz aufnehmen. Bei der Festlegung einer bestimmten Bandbreite müssen wir uns an europarechtliche Vorgaben halten. Es gilt deshalb zunächst, die von der Nutzermehrheit verwendete Bandbreite zu ermitteln, weil die EU insofern eine Begrenzung vorsieht. Das Instrument greift nur für die Basisversorgung. Zudem muss der Universaldienst technikneutral und unter Minimierung von Marktverzerrungen festgelegt werden. Zur Finanzierung sehen wir eine Unternehmensabgabe vor, die auf die Unternehmen der Branche entsprechend ihren Marktanteilen umzulegen ist.

Während wir bei den Experten bezüglich unserer Bestandsanalyse und den meisten von uns vorgesehenen Maßnahmen auf breite Zustimmung gestoßen sind, lehnen betroffene TK-Unternehmen eine Universaldienstverpflichtung ab – sicherlich nicht zuletzt wegen der von ihnen zu tragenden Umlagekosten. Sie argumentieren mit möglichen Wettbewerbsverzerrungen und verweisen auf den Ausbau der LTE-Technologie, die doch bis 2013 zu einer Versorgungsquote von etwa 99 Prozent führen würde.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass angesichts der verbleibenden Lücken und Unsicherheiten nur ein gesetzliches Sicherheitsnetz die politischen Zielvorgaben verbindlich absichern kann. Hierdurch ist weder mit unverhältnismäßigem Aufwand noch mit Marktverzerrungen zu rechnen. Denn eine europarechtskonforme Universaldienstverpflichtung würde letztlich in einem Restbereich „weißer Flecken“ greifen, die eigentlich niemand mehr hinnehmen sollte. Sie kann sich faktisch nur auf die Gebiete auswirken, in denen ein Zugang mit einer entsprechenden Bandbreite nicht vorhanden ist. Wo kein Wettbewerb herrscht, kann es aber auch keine Wettbewerbsverzerrungen geben. Die gern zitierten einzelnen Bauernhöfe in Randbereichen könnten kostengünstig durch Satellitenangebote versorgt werden, die zwar grundsätzlich bundesweit verfügbar sind, aber eben nur für eine begrenzte Anzahl von Haushalten.

Wir müssten über „weiße Flecken“ gar nicht mehr diskutieren, wenn den Mobilfunkunternehmen bei der letzten Frequenzversteigerung nicht eine LTE-Versorgungsauflage von lediglich 90 statt 100 Prozent vorgegeben worden wäre. Das hat sich im Nachhinein als Fehler erwiesen. Bemerkenswerterweise hat die Bundesnetzagentur in einer kürzlichen Mitteilung ausgeführt, eine vollständige Abdeckung hätte damals nicht vorgeschrieben werden können, weil eine Breitband-Universaldienstverpflichtung im Telekommunikationsgesetz nicht vorgesehen sei. Hinter vorgehaltener Hand räumen Unternehmensvertreter übrigens durchaus ein, die Realisierung eines Universaldienstes mit einer vollständigen Abdeckung von 2 MBit/s wäre für sie letztlich durchaus verkraftbar.

Über die rechtlich abgesicherte Grundversorgung hinaus wollen wir eine dynamische Entwicklung ermöglichen, die den zunehmenden Bedarf an Bandbreiten berücksichtigt und eine digitale Spaltung zwischen Ballungszentren und ländlichen Räumen vermeidet. Mittelfristig ist eine flächendeckende Breitbandversorgung von mindestens 6 MBit/s anzustreben. Mit ihr lassen sich beispielsweise IP-TV sowie „video-on-demand“-Anwendungen realisieren. Zudem kann man hierdurch die Trends zu höheren Uploadraten (etwa im Zusammenhang mit Cloud Computing) und zur Parallelnutzung von Anwendungen in Familienhaushalten besser berücksichtigen.

Darüber hinaus brauchen wir den weiteren Ausbau von Netzen, die hohe Geschwindigkeiten von 50 MBit/s und mehr ermöglichen, da der Bandbreitenbedarf mit neuen anspruchsvolleren Anwendungen oder etwa der massenhaften Nutzung von HD-TV per Internet weiter wachsen wird. Dem weiteren Ausbau des Glasfasernetzes zumindest bis zu den Kabelverzweigern und den Mobilfunkantennenstandorten kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Er ertüchtigt bereits vorhandene Netze und sorgt so für einen schrittweise Realisierung höherer Bandbreiten, sowohl im Festnetz- als auch im Mobilfunkbereich.

Glasfaserausbau ist jedoch sehr kostenintensiv, soweit er mit Tiefbauarbeiten verbunden ist. Er rechnet sich in vielen Bereichen noch nicht, auch wegen der bislang eher begrenzten Bereitschaft der Kunden, für höhere Bandbreiten auch mehr Geld zu zahlen. In unserem Breitbandkonzept sehen wir deshalb eine Vielzahl von Maßnahmen vor, um die Rahmenbedingungen für Investitionen nachhaltig zu verbessern und Wirtschaftlichkeitslücken schrittweise zu schließen. Dazu gehören beispielsweise: wettbewerbs- und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen im Telekom- munikationsgesetz und in der Regulierungspraxis; verstärkte Kooperation von Unternehmen, etwa über die Klärung eines „Open-Access“-Marktmodells; Kostenreduzierungen durch Synergieeffekte; bessere staatliche Fördermöglichkeiten sowie eine optimierte Abstimmung zwischen, Bund, Ländern und Kommunen.

Deutschland braucht eine aktive Infrastrukturpolitik – auch und gerade beim Breitbandausbau.