SPD-Fraktion beschließt Papier zur Weiterentwicklung der Pflege

Wenn Menschen pflegebedürftig werden, dann tritt dies meist für die Betroffenen und ihre Angehörigen sehr plötzlich ein. Vieles muss dann überlegt, organisiert und mit den Sozialversicherungsträgern abgestimmt werden. Menschen, die pflegebedürftig werden, wollen in ihren eigenen vier Wänden oder mindestens in ihrem Wohnumfeld bleiben.

Oft sind die Angehörigen damit überfordert, vor allem, wenn sie berufstätig sind. Viele pflegenden Angehörige, und das sind hauptsächlich Frauen, geben ihre Arbeit auf, um für den Pflegebedürftigen da zu sein. Damit erhöht sich für sie das Risiko, später selbst in Altersarmut zu geraten.

Am 27. März – einen Tag bevor das schwarz-gelbe Kabinett den Gesetzentwurf aus dem Bahrschen (FDP) Gesundheitsministerium verabschiedet hat – hatte die SPD-Fraktion ihr umfassendes Positionspapier zur Pflegereform beschlossen. Das sogenannte Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz der Bundesregierung kritisiert die SPD-Fraktion als „Ettikettenschwindelgesetz“ und völlig unzureichend. Es lässt einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, der nicht nur die körperlichen Fähigkeiten, sondern auch geistige und mentale Einschränkungen einbezieht, außen vor.

Im Konzept der SPD-Fraktion ist ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff der Dreh- und Angelpunkt, denn nur so könnten Ungerechtigkeiten zwischen der Versorgung von Demenzkranken und anderen Pflegebedürftigen vermieden werden, sagte SPD-Fraktionsvizin Elke Ferner. Ein von der damaligen SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt eingesetzter Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriff hatte bereits im Januar 2009 seinen umfangreichen Bericht vorgelegt. Die Vorschläge konnten auf Grund der ablehnenden Haltung der Union von der Großen Koalition nicht mehr umgesetzt werden. Die Ergebnisse des Beirats schiebt FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr beiseite. Er will stattdessen erneut eine Kommission einsetzen, wodurch wertvolle Zeit verplempert wird.

Auch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) fordern eine zügige Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Die jetzt von Bahr angekündigten Leistungsverbesserungen seien ihrer Meinung nach kein Ersatz für grundlegende Änderungen zugunsten der Demenzkranken.

Durch neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff – Demenzkranke besser berücksichtigen

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff solle „niemanden schlechter, aber viele besser stellen”, erklärte Hilde Mattheis. Vor allem Demenzkranke könnten so eine angemessene Versorgung erhalten. Durch eine umfassende Prävention und Rehabilitation solle die stationäre Einweisung verhindert oder hinaus gezögert werden. Im ihrem Positionspapier fordert die SPD-Fraktion eine Stärkung der ambulanten Versorgung sowie von Prävention und Rehabilitation. Außerdem soll der Ausbau der kommunalen Pflegeinfrastruktur und der aufsuchenden Pflegeberatung vorangetrieben werden.

Pflegende Angehörige besser unterstützen

Um die pflegenden Angehörigen besser zu unterstützen, plant die SPD-Fraktion die „Kurzzeit- und Verhinderungspflege“ ausbauen. Dazu sollen die Ansprüche pflegender Angehöriger von Demenzkranken von derzeit 1510 Euro auf 3020 Euro für acht Wochen je Kalenderjahr steigen.

Bei plötzlich eintretender Pflegebedürftigkeit wollen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten analog zum Kinderkrankengeld einen Anspruch auf Lohnersatzleistung für bis zu zehn Tage erhalten. So lange können sie bislang eine Freistellung – allerdings ohne Lohnausgleich – beanspruchen. Die von Schwarz-Gelb eingeführte Familienpflegezeit von sechs Monaten will die SPD-Fraktion in ein flexibles Zeitbudget umwidmen. Auch dafür soll es einen Anspruch auf Lohnersatzleistung geben. „Wir wollen Pflegepersonen weiter entlasten“, sagte Elke Ferner. Die Potenziale der Familie, der Nachbarschaften, des ehrenamtlichen Engagements müssten gestärkt und mit professionellen Pflege- und Betreuungsstrukturen verknüpft werden. Dabei müssten die Bedürfnisse von pflegebedürftigen Menschen mit Migrationshintergrund in der Hilfeplanung berücksichtigt werden.

„Nötig ist eine umfassende sozialräumliche Planung, damit sowohl das Wohnumfeld als auch ambulante Betreuungsformen und Hilfeangebote den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen vor Ort entsprechen“, erklärte Hilde Mattheis. Die soziale Pflegeversicherung genieße eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Daher müsse sie im Zuge einer Pflegereform gestärkt werden.

Gute Arbeit in Pflegeberufen schaffen

Für die Pflegekräfte wollen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Ausbildung verbessern und ein attraktives Berufsumfeld schaffen, das Aufstiegsmöglichkeiten bietet. Zudem soll das Image der Pflegeberufe durch eine Informations- und Imagekampagne gestärkt werden. In der Pflege dürfe auch nicht nur ein Mindestlohn gezahlt werden, sagte Elke Ferner, sondern ein Lohn, von dem die Beschäftigten gut leben könnten. Ziel müssten flächendeckende Tarife und gleiche Löhne in Ost- und Westdeutschland sein.

Für eine bessere Pflege akzeptieren die Menschen höhere Beiträge

Für die Verbesserungen durch das Pflegekonzept der SPD-Fraktion benannte die stellvertretende gesundheitspolitische Sprecherin Hilde Mattheis Kosten in Höhe von 6 Milliarden Euro. Allein für die Erweiterung von Leistungen durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff wurden 4 Milliarden Euro kalkuliert. Zur Finanzierung der Mehrausgaben wollen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,6 Prozentpunkte erhöhen. Damit könne die Pflege in Deutschland bis ins Jahr 2020 finanziert werden. Elke Ferner verwies darauf, dass Umfragen gezeigt hätten, dass die Bevölkerung höhere Beiträge für eine bessere Pflege akzeptierten.

Die SPD-Fraktion spricht sich deshalb klar gegen die von Schwarz-Gelb  kapitalgedeckte private Pflegezusatzversicherung aus. Sie will die solidarische Finanzierung zu einer Bürgerversicherung Pflege ausbauen.