Der gesamte Antrag zum Download (Drs. 17/8923) so wie ein Auszug zum Antrag der SPD-Bundestagsfraktion und der Bundestagsfraktion des BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN:

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Grundvoraussetzung für die Vielfaltssicherung unserer Medienlandschaft ist neben den gesetzlichen Vorgaben eine funktionierende, flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertriebsstruktur für Presseerzeugnisse. Zeitungen und Zeitschriften sind keine Ware wie jede andere, sondern Kulturgüter. Presse hat in unserer demokratischen Gesellschaft einen wesentlichen Anteil an der politischen
Willensbildung. Aus der Vielfalt eines neutral bereitgestellten Angebots wählen zu können, ist zudem eine wichtige Voraussetzung für die individuelle Kaufentscheidung von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Die Neutralität und Vielfalt des Angebots in den Verkaufsregalen kommt aber nicht von ungefähr.

Das Presse-Grosso ist der bedeutendste Vertriebsweg für Zeitungen und Zeitschriften, der gewährleistet, dass in Deutschland eine flächendeckende und neutraleVersorgung mit einem Vollsortiment an Zeitungen und Zeitschriften besteht. Das Presse-Grosso besteht aus 67 zumeist mittelständischen und unabhängigen Pressegrossisten, die in Deutschland täglich mehr als 120 000 Presseverkaufsstellen mit einem vielfältigen Presseangebot versorgen. Ihre Tätigkeit ist nicht gesetzlich verankert, basiert jedoch auf einer im Jahr 2004 durch die rot-grüne Bundesregierung initiierten und unterstützten „Gemeinsamen Erklärung“ des
Bundesverbands Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V., des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ) und des Bundesverbands der Zeitungsverleger e.V. (BDZV) und hat bislang effektiv funktioniert. Dass kleine und neue Publikationen sowie ausländische Presse gleichberechtigt neben Kassenschlagern liegen und in den Regalen nicht nur die Produkte der
großen Verlage präsent sind, liegt an der einzigartigen und diskriminierungsfreien Vertriebsstruktur für Presseerzeugnisse, die wir in Deutschland haben.

Das Grosso-System ist ein neutrales Vertriebsnetz, das international als vorbildlich eingestuft wird und innerhalb der Europäischen Union als das effizienteste Vertriebswesen gilt. Dieses Versorgungsnetz ist jedoch durch jüngste Entwicklungen gefährdet.

Im Oktober 2011 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in letzter Instanz nach langem Rechtsstreit zwischen der Vertriebsgesellschaft der Bauer Media Group und einem Grossisten gegen den Grossisten und damit indirekt gegen
das Grosso-System entschieden. Die nach der „Gemeinsamen Erklärung“ (2004) vorgesehene Begrenzung der Kündigung eines Grossisten durch einen Verlag auf bestimmte sachliche Gründe (z. B. Leistungsmängel) und das Gebietsmonopol der Grossisten stehen mit der Entscheidung in Frage.

In einer zweiten Entscheidung des Landgerichts Köln vom 14. Februar 2012 hat die Vertriebsgesellschaft der Bauer Media Group erneut gewonnen, diesmal gegen den Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. Geklagt hatte der Verlag wegen unzulässigen Preis- und Konditionenkartells sowie wettbewerbswidriger Behinderung, mit dem Ziel, direkt mit dem Händler bessere Konditionen aushandeln zu können. Der Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. nimmt seit Jahrzehnten das Verhandlungsmandat für Konditionen im Auftrag seiner Mitglieder und im Verlagsinteresse wahr, um mit den Verlagen eine einheitliche Konditionentabelle zu verhandeln und abzuschließen.

Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD „Vorhaben der Bundesregierung zur Sicherung der Medienvielfalt und Medienfreiheit“ (Bundestagsdrucksache 17/6836) die Bedeutung des Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. bekräftigt und erklärt, dass „eine Vertriebsstruktur existieren muss, die eine diskriminierungsfreie und flächendeckende Verteilung der Presseerzeugnisse ermöglicht“. Sie teilt die Auffassung, dass das Presse-Grosso damit einen entscheidenden Beitrag zur Vielfaltssicherung leistet. Die Bundesregierung vertritt auch die Auffassung, dass „freiwillige Vereinbarungen in diesem Bereich nach wie vor Vorrang vor möglichen gesetzlichen Regelungen“ haben müssen und erwägt eine gesetzlicheVerankerung des Systems des Presse-Grossos nur dann, wenn es „nicht zu tragfähigen gemeinsamen Vereinbarungen kommen und das Presse Grosso-System existenziell gefährdet werden“ sollte. Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat die Notwendigkeit des Erhalts des Pressevertriebssystems auf den Zeitschriftentagen im November 2011 in Berlin noch einmal bestätigt.

Zu begrüßen ist der übereinstimmend erklärteWillen der Verlegerverbände und des Bundesverbandes Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V., das Grosso-System erhalten zu wollen. Vor diesem Hintergrund hat zwischenzeitlich der weitaus größte Teil der Verlage mit den Grossisten langfristige Lieferverträge und eine einheitliche Konditionenregelung abgeschlossen, die ausdrücklich auch auf die „Gemeinsame Erklärung“ der Verlegerverbände und des Bundesverbandes Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. über den Erhalt des Presse-Grossos aus dem Jahr 2004 Bezug nehmen.

Der Deutsche Bundestag stellt dennoch fest, dass der Erhalt des Pressevertriebssystems auf Basis der „Gemeinsamen Erklärung“ auf lange Sicht durch die beiden Gerichtsurteile gefährdet ist. Er sieht eine gesetzliche Regelung daher als dringend notwendig an.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– gemeinsam mit den Ländern eine gesetzliche Verankerung des neutralen Presse-Grossos sicherzustellen, um die Medienvielfalt und Überallerhältlichkeit dauerhaft gewährleisten zu können;
– im Rahmen der anstehenden Novellierung des Gesetzes gegenWettbewerbsbeschränkungen (GWB) eine Regelung einzufügen, die den Grossisten das zentrale Aushandeln von Handelsspannen durch ihren Berufsverband ermöglicht;
– gemeinsam mit den Ländern zu prüfen, ob und inwieweit eine Schlichtungsstelle für Streitfragen zwischen den Verlagen und den Grossisten etabliert werden sollte.

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