Der gesamte Antrag (Drs. 17/6560) der SPD-Bundestagsfraktion zum Download

Internet und digitale Gesellschaft stellen das Urheberrecht vor vielfältige He- rausforderungen. Daher muss das Urheberrecht dringend weiter an neue Erfordernisse und Veränderungen angepasst werden. Dabei muss der Kreative Mittelpunkt des Urheberrechts bleiben. Bereits zu Beginn der 17. Legislaturperiode hat die Bundesregierung angekündigt, zügig eine Initiative zur Fortent- wicklung des Urheberrechts auf den Weg zu bringen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 heißt es: „Das Urheberrecht hat in der modernen Medien- und Informationsgesellschaft eine Schlüsselfunktion. Wir werden das Urheberrecht deshalb entschlossen weiterentwickeln, mit dem Ziel ein hohes Schutzniveau und eine wirksame Durchsetzbar- keit des Urheberrechts zu gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir zügig die Arbeit an einem Dritten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („Dritter Korb“) aufnehmen.“ Gleichwohl hat die Regierungskoalition ihren Ankündigungen bislang keine Taten folgen lassen. Die Berliner Rede zum Urheberrecht von der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, im Juni 2010 lässt zudem Ansätze für Lösungen auf viele grundlegende Fragen des Urheberrechts z. B. im Zusam- menhang mit Anpassungen im Bildungs- und Forschungsbereich vermissen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann beabsichtigt die Bundesregierung, einen Referentenentwurf für den Dritten Korb der Novellierung des Urheberrechts vorzulegen?

2. Wo sieht die Bundesregierung konkreten Handlungsbedarf, um das Urheberrecht an die Herausforderungen der digitalen Gesellschaft anzupassen, und welche Maßnahmen wird sie im Rahmen des Dritten Korbes vorschlagen?

3. In welcher Form werden dabei die Interessen der Urheber und der Rechteinhaber berücksichtigt, um ihnen die verfassungsmäßig garantierte angemessene Vergütung zu ermöglichen?

4. Wird der Dritte Korb auch eine gesetzliche Regelung für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage enthalten?
Wenn ja, wie soll ein solches Leistungsschutzrecht konkret ausgestaltet werden?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Befürchtungen, die mit einem solchen Leistungsschutzrecht verbunden sind?

6. Wie bewertet die Bundesregierung neue Modelle wie die „Kulturflatrate“ oder die „Kulturwertmark“, und welchen Beitrag können diese Modelle bei einer Reform des Urheberrechts leisten?

7. Wo sind aus Sicht der Bundesregierung Anpassungen des Urheberrechts aufgrund des technologischen Wandels und der neuen Nutzungen notwendig?

8. Wo sind aus Sicht der Bundesregierung Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung im Internet notwendig, und welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung hierzu zu ergreifen?

9. Wird der Dritte Korb eine Regelung zum Umgang mit vergriffenen und verwaisten Werken enthalten?
Wenn ja, wie soll eine solche Regelung konkret ausgestaltet werden, und wie werden dabei die Interessen der Urheber und ihr Recht auf eine angemessene Vergütung berücksichtigt?

10. Wird es gegebenenfalls auch aus Zeitgründen bereits vor Vorlage des Referentenentwurfs für den Dritten Korb zur Novellierung des Urheberrechts einen Gesetzentwurf zum Umgang mit vergriffenen und verwaisten Werken geben?

11. Wie bewertet die Bundesregierung angesichts der immensen Herausforderungen der Digitalisierung die Notwendigkeit einer Revision der europäischen Rechtsgrundlage?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit, sich auf europäischer Ebene für eine Flexibilisierung der Schrankenregelungen, insbesondere für die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung, einzusetzen?

13. Welche Maßnahmen sieht der Dritte Korb im Bereich der Schrankenregelungen vor?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit, die Regelungen für die Privatkopie an die Herausforderungen des Internets anzupassen, und wo sieht sie hier konkreten Handlungsbedarf?

Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Privatkopieregelung zunehmend in Allgemeinen Geschäftsbedingungen abbedungen wird?

15. Sieht die Bundesregierung durch die Digitalisierung Veränderungen im Verhältnis zwischen Urheber, Verwerter und Nutzer, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

16. Wie bewertet die Bundesregierung die Bedeutung von Open Access für die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung?

17. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode, um das Urheberrecht besser an die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung anzupassen?

18. Hat die Bundesregierung seit Verabschiedung des Zweiten Korbes die bestehenden Regelungen hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung überprüft, und zu welchem Ergebnis ist sie im Rahmen dieser Überprüfung gekommen?

19. Wird es mit dem Dritten Korb eine weitere Verlängerung des § 52a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) geben, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass diese Regelung entfristet werden sollte?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die aktuellen Regelungen zur Nutzung von elektronischen Leseplätzen, und sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf?

21. Beabsichtigt die Bundesregierung Initiativen zur Stärkung von Open- Access-Modellen, und wenn ja, welche?

22. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass eine Stärkung der wissenschaftlichen Urheber durch die Einräumung eines unabdingbaren Zweitverwertungsrechts nach einer Embargofrist einen wichtigen Beitrag für die Wissenschaftskommunikation leisten kann?
Wenn nein, warum nicht?

23. Inwieweit ist die – von der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages empfohlene – Prüfung erfolgt, „im Urhebervertragsrecht eine angemessene, an die wirtschaftlichen Verhältnisse angepasste Vergütung für alle Urheber und ausübenden Künstler“ zu erreichen, „da die bisherigen Regelungen im Urhebervertragsgesetz ungenügend sind“ (siehe Bundestagsdrucksache 16/7000)?

24. Welche Änderungen wird die Bundesregierung im Urhebervertragsrecht vorschlagen, um das nach wie vor richtige Ziel dieser Gesetzesnovelle, einen fairen Ausgleich der Interessen zwischen Urhebern und Verwertern zu schaffen, tatsächlich erreichen zu können?

25. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die bisherigen Regelungen dazu geeignet sind, einen fairen Ausgleich der Interessen zwischen Urhebern und Verwertern tatsächlich herbeizuführen, und falls ja, aus welchen Gründen?

26. Wie weit ist der Prozess der Umsetzung der Empfehlungen der Enquete- Kommission „Kultur in Deutschland“ im Hinblick auf die Effektivität und Effizienz der Verwertungsgesellschaften gediehen, und welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung?

27. Wie bewertet die Bundesregierung die bestehende Regelung und Systematik bezüglich der Vergütungsregelungen für private Kopien in § 54 UrhG?

28. Hat sich die Systematik der Pauschalvergütung bewährt oder gibt es An- passungsbedarf, und wenn ja, welchen?

29. Inwieweit sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf im Hinblick auf die Voraussetzungen der Begrenzung der Abmahnkosten nach § 97a Absatz 2 UrhG?

30. Beabsichtigt die Bundesregierung die Voraussetzungen der Providerhaftung, insbesondere im Hinblick auf die Hostprovider, zu ändern, und wenn ja, in welcher Weise?

31. Beabsichtigt die Bundesregierung die Einführung eines dem französischen Hadopi-Gesetz vergleichbaren „graduated Response“-Modell in Deutschland zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet, und wie soll dieses konkret ausgestaltet werden?

32. Beabsichtigt die Bundesregierung die Einführung eines (automatisierten) Warnhinweissystems, welches die flächendeckende Filterung des Datenstromes voraussetzen würde, oder plant sie – vor dem Hintergrund der bereits heute über 3 Millionen IP-Beauskunftungen seitens der Internetzu- gangsanbieter – die Etablierung eines anbieterübergreifenden Datenpools zu Urheberrechtsverletzungen von Internetnutzern, auf den Rechteinhaber und Strafverfolgungsbehörden für die Durchsetzung des Urheberrechtes zugreifen können?

33. Ist nach Auffassung der Bundesregierung ein Warnhinweissystem ohne flächendeckende Filterung des Datenstromes möglich, und wenn ja, wie könnte dieses aussehen?

34. Beabsichtigt die Bundesregierung die Einführung der nach dem französischen Hadopi-Modell vorgesehenen Internetzugangssperren nach mehrma- liger Verwarnung des Internetnutzers, und wie bewertet sie das französische Vorbild hinsichtlich seiner verfassungsrechtlichen Zulässigkeit in Deutschland?

35. Plant die Bundesregierung Änderungen beim sog. Kneipenrecht (geregelt in § 87 Absatz 1 Nummer 3 UrhG), und wenn ja, welche?