Atomkraftverlängerung, Gesundheitsreform und Sozialkürzungen spalten.

Artikel von Martin Dörmann aus der Berlin Depesche Nr. 62.

Liebe Leserinnen und Leser, inzwischen versucht die schwarz-gelbe Bundesregierung tatsächlich zu regieren. Leider befindet sie sich dabei aber auf einem falschen Kurs, der unser Land nicht nach vorne bringt, sondern spaltet.
Mit der Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraftwerke wird nicht nur auf eine gefährliche und deshalb nicht zukunftsfähige
Technologie gesetzt.

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Es wird auch ohne Not ein gesellschaftlicher Konsens aufgebrochen, den der von Rot-Grün durchgesetzte Atomkompromiss geschaffen hatte. Ein Bärendienst für das Ansehen von Politik und Demokratie. Zudem ein energie- und wirtschaftspolitischer
Super-Gau, weil Planungssicherheit genommen und Anreize für Investitionen in erneuerbare Energien ausgehebelt werden.
Wenn die Verlängerung nicht schon vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert dann spätestens, wenn wieder eine rot-grüne Koalition regiert.
Mit ihrer Gesundheitsreform bedient die schwarz-gelbe Bundesregierung die Interessen von Arzneimittelherstellern und Privatkassen. Sie schwächt die gesetzliche Krankenversicherung und gibt endgültig das Prinzip der Parität auf, indem sie bei Beitragssteigerungen einseitig die Arbeitnehmer/ innen belastet – der Einstieg in das System der Kopfpauschale.

Auch im Bundeshaushalt 2011 spiegelt sich die Klientelpolitik dieser Koalition wieder: Das sozial ungerechte Sparpaket der Bundesregierung wurde dort aufgeweicht, wo Lobbyinteressen überwogen. Auch hier sind Gering- und Normalverdiener am
stärksten belastet.

Sozial- und arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Maßnahmen wurden einfach zusammengestrichen. Zu Lasten der Schwachen in unserer Gesellschaft geht etwa die erhebliche Kürzung von Eingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose, die
funktionierende Hilfestrukturen gefährdet. Es ist davon auszugehen, dass künftig rund 100.000 Menschen weniger gefördert werden können. Dabei ist bekannt, dass Kürzungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik Mehrausgaben für passive Leistungen und die Beschneidung von individuellen Chancen auf dem Weg zurück in Arbeit bedeuten.

Die Einsparungen durch die Bundesregierung führen vor allem im Bereich des Arbeits- und Sozialministeriums zu immensen Belastungen von Familien mit geringem Einkommen, Alleinerziehenden, Menschen mit Behinderungen und Langzeitarbeitslosen. Bis 2014 summieren sich die Kürzungen im Rahmen des „Sparpaketes“ auf über 30 Milliarden Euro.

Ein weiteres Beispiel ist das Programm „Soziale Stadt“. Das 1999 von der SPD initiierte Bund-Länder- Programm verknüpft bauliche mit sozial-integrativen Maßnahmen und beteiligt Bewohner und Bewohnerinnen an der Gestaltung ihres Lebensumfelds. Die Evaluation 2004 hat gezeigt, dass es mit dem Programm gelingen kann, die Lebenssituation der Menschen in sozialen Brennpunkten spürbar zu verbessern.

Wir in Köln haben sehr gute Erfahrungen mit entsprechenden Maßnahmen gemacht, etwa in de Stadtteilen Kalk, Vingst-Höhenberg und Kalk, die in meinem Wahlkreis liegen. Die Kürzung von 95 Millionen Euro auf 28,5 Millionen Euro und die Beschränkung auf bauliche Maßnahmen bedeuten nun faktisch das „Aus“. Insgesamt wird die Städtebauförderung sogar um 155 Millionen auf 455 Millionen Euro gekürzt.

Wenig zukunftsorientiert handelt die Bundesregierung auch im Hinblick auf die Finanzmärkte. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich im Zusammenhang mit den Irland-Finanzhilfen der EU für einen dauerhaften Mechanismus zur Bewältigung von Staatsfinanzierungskrisen ein und kritisiert, dass erneut die Banken nicht an den Kosten der Krise beteiligt werden. Zudem fordern wir von der Bundesregierung ein entschiedenes Eintreten für eine Finanztransaktionssteuer sowie eine Steuerharmonisierung im Hinblick auf die in Irland sehr niedrige Körperschaftsteuer. Ob europäisch oder national: auf eine gerechte Lastenverteilung kommt es an. Die Bundesregierung tut diesbezüglich meist das Falsche.