Der gesamte Antrag zum Download (Drs. 17/521) so wie Auszüge aus dem Antrag der SPD-Bundestgasfraktion:

 

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland befindet sich seit gut einem Jahr in einer Wirtschaftskrise – der schwersten seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Die globale Wirtschaftskrise hat das Land und die internationale Staatengemeinschaft vor große neuartige Herausforderungen gestellt. Dass Deutschland in dieser Krise entschlossen gehandelt hat, ist auch ein Verdienst der großen Koalition aus CDU/ CSU und SPD, die dieses Land erfolgreich durch außergewöhnlich turbulente Zeiten geführt hat. Es war sozialdemokratische Politik, die entscheidend dazu beigetragen hat, die Konjunktur zu stabilisieren, Anreize für Investitionen zu geben und Arbeitsplätze zu sichern. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Unternehmer und Arbeitgeber haben durch besonnenes und umsichtiges Handeln in der Krise einen erheblichen Anteil daran, dass es in Deutschland zu einem bisher erfolgreichen, weltweit beachteten Krisenmanagement gekommen ist. Von diesem Kurs haben sich die schwarz-gelbe Bundesregierung und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel abgewandt.

Die nächsten Jahre werden schwierig für die Beschäftigten aber auch für die Unternehmen. Deutschland steht gegenwärtig vor einer historischen Weggabelung: Entweder es wählt den Pfad eines niedrigen Wachstums mit geringen Zukunftsinvestitionen und hoher Arbeitslosigkeit. Oder das Land schlägt den Weg eines hohen Wachstums mit mehr Innovationen und verstärkten Investitionen ein. Deutschland braucht eine nachhaltigere Wirtschaftspolitik, den Einstieg in ein intelligentes Wachstumsmodell, das gleichzeitig und gleichgewichtig nachhaltige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soziale Sicherheit und ökologische Verantwortung miteinander verbindet. Im Lichte einer sich wandelnden Welt und der großen Herausforderung, die Erderwärmung zu bekämpfen sowie eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, stellt sich die Frage, wie sich Fortschritte in diese Richtung und von Lebensqualität besser messen lassen. Der Vorschlag der EU-Kommission, das Bruttoinlandsprodukt durch Indikatoren zu ergänzen, die die längerfristige wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung abbilden, ist zu begrüßen und sollte baldmöglichst realisiert werden. Es braucht starke Investitionsimpulse, die nicht nur konjunkturell wirken, sondern dasWachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft dauerhaft steigern.

(…)

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,sicherzustellen, dass die innerhalb der G20 und

  • der EU getroffenen Absprachen zur Stabilisierung der Finanzmärkte auch in konkrete Regulierungsvorschriften umgesetzt werden. Anreize für Spekulationen sind zu begrenzen und Anreize für langfristige Investitionen zu erhöhen. Kein Markt, kein Produkt und kein Akteur, darf in Zukunft unreguliert bleiben. Für die Verbraucher muss ein Finanz-TÃœV eingeführt werden. Die auf dem G20-Gipfel in Pittsburgh im September 2009 eingebrachte internationale Finanztransaktionssteuer ist von der neuen Bundesregierung weiter zu verfolgen und durchzusetzen – wenn nicht international, dann europäisch. Sollte auf  internationaler oder europäischer Ebene keine Einigung erzielt werden können, ist als erster Schritt eine nationale Börsenumsatzsteuer nach dem Vorbild der englischen Stempelsteuer einzuführen. Die Begrenzung der steuerlichenAbzugsfähigkeit überhöhter Bonuszahlungen als Betriebsausgaben ist umgehend umzusetzen. Darüber hinaus muss eine unmittelbare Abgabe auf Bonuszahlungen der Banken geprüft werden;
  • Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die gezielt zusätzliche Investitionen im Unternehmenssektor auslösen und zu nachhaltigem Wachstum und nachhaltiger Beschäftigung beitragen. Dafür kommen in Betracht eine möglichst zielgenaue Anhebung der degressiven AfA, Sonderabschreibungen und Investitionszulagen für ressourcensparende Investitionen und gezielte Existenzgründungshilfen. Für ökologisch wirksame Investitionen werden zusätzliche Anreize geschaffen;
  • eine Bildungsoffensive zu starten und die Investitionen in das Bildungssystem so zu erhöhen, dass sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht werden. Allein der Bund muss für eine Bildungsoffensive 10 Mrd. Euro zusätzlich im Jahr für Bildung und Forschung investieren. Maßnahmen im
  • Rahmen der Bildungsoffensive sind der Ausbau der frühkindlichen Bildung, ein Ausbau der Ganztagsschulen, die Einführung eines Rechts auf Berufsausbildung für alle Jugendlichen und eine Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre durch einen Studienpakt;
  • Maßnahmen mit dem Schwerpunkt des Ausbaus von Förderansprüchen im Hinblick auf die Weiterbildung auf den Weg zu bringen, um das Ziel zu erreichen, die Beteiligung an der formalisierten Weiterbildung bis 2015 auf 60 Prozent zu erhöhen;
  • die gesamtwirtschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis 2015 zu steigern. Dazu können die bestehenden Formen der Projektförderung insbesondere durch den Ausbauder öffentlichen Validierungsforschung sowie eine steuerliche Förderung von Forschungsanstrengungen von Unternehmen in Form einer Steuergutschrift (tax credit) für kleine und mittlere Unternehmen ergänzt werden;
  • die Binnennachfrage durch Nachfrageimpulse für neue Technologien in Deutschland im Rahmen einer umweltbewussten öffentlichen Beschaffung zu stärken. Zur Stärkung von Tariftreue ist sicherzustellen, dass die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe zur Pflicht wird. Hierzu bedarf es insbesondere auch einer entsprechenden europäischen Initiative. Für mehr Nachfrage und um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Dumpinglöhne abzusichern, sind in möglichst vielen Branchen allgemeinverbindliche tarifliche Mindestlöhne zu unterstützen. Ziel ist ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn als unterste Grenze;
  • eine zuverlässige Kreditversorgung der Realwirtschaft sicherzustellen. Dazu muss es eine verbindliche Selbstverpflichtung der Banken geben, das Kreditvolumen vor allem für den Mittelstand deutlich zu erhöhen, ohne die es keine weiteren staatlichen Hilfsmaßnahmen geben darf. Förderinstrumente der KfW Bankengruppe sind in geeigneter Weise unter der kontrollierbaren Auflage zu erweitern, dass neues Kreditvolumen generiert wird. Es ist auch zu prüfen, ob die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bis Ende 2011 eine vorübergehende Erhöhung der regulatorischen Eigenkapitalquote verbindlich vorschreiben sollte. Für den Fall, dass diese Maßnahmen nicht ausreichend wirken, ist nach Ende des ersten Quartals 2010 zu prüfen, ob eine direkte staatliche Intervention erforderlich ist. Die Bereitstellung von Wagniskapital für Unternehmensgründungen oder -erweiterungen ist zu verbessern;
  • ein Konzept zur Förderung des Mittelstandes vorzulegen, um den Mittelstand in seiner Bedeutung für die Volkswirtschaft sowie für Wachstum und Beschäftigung zu stärken. Neben der Sicherstellung der Unternehmensfinanzierung und der steuerlichen Förderung von Forschungsanstrengungen von Unternehmen über Steuergutschriften (tax credits) sind die Rahmenbedingungen für eine neue Gründungskultur zu schaffen und weitere Maßnahmen zur Entbürokratisierung auf den Weg zu bringen, indem u. a. Informations- und Statistikpflichten weiter reduziert und Dokumentationspflichten auch auf elektronischem Weg ermöglicht werden. Das Förderangebot des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) ist mindestens auf dem Niveau von 2009 beizubehalten;
  • zur Stärkung des Produktionsstandortes Deutschland die Modernisierung traditioneller industrieller Zweige auf der Grundlage einer strategischen und ökologischen Industriepolitik voranzutreiben und Leitmärkte der Zukunft – und damit neue wachstumsstarke Branchen – auszubauen und neue Absatzmärkte zu erschließen. Die Politik zur Förderung der erneuerbaren Energien ist weiter voranzutreiben. Zur Steigerung von Energie- und Rohstoffeffizienz müssen für die Entwicklung effizienterer Technologien vor allem die Ausgaben für die Energieforschung deutlich gesteigert werden;
  • zur Stärkung des Dienstleistungsstandortes Deutschland unverzüglich ein Konzept zu entwickeln und auf den Weg zu bringen, mit dem Wachstums- und Beschäftigungspotenziale der Gesundheits- und Kreativwirtschaft mobilisiert werden;
  • die Modernisierung der Energie-, Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur als Grundlage für Wachstum und Beschäftigung sicherzustellen.Dazu ist für die Stromnetze der Zukunft die Gründung einer Netzgesellschaft auf den Weg zu bringen, die durch die Eigentumsverhältnisse die Steuerungsfähigkeit des Staates gewährleistet. Für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ist ein Konzept – in einer gemeinsamen Aktion von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Verkehrswirtschaft – zu erstellen. Der Ausbau eines hochleistungsfähigen Breitbandes erfordert Investitionen von bis zu 50 Mrd. Euro und kann nicht allein von einem Unternehmen bewältigt werden, so dass es entsprechender Kooperationen bedarf – die Bundesnetzagentur muss in Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt und den Betreibern die Rahmenbedingungen für solche Kooperationen klären und entsprechende regulatorische Rahmenbedingungen schaffen;
  • sich weiter für eine gemeinsame europäische bzw. international koordinierte Wirtschafts- und Sozialpolitik einzusetzen. Anzustreben ist, wie bei den auf europäischer Ebene im Jahr 2009 abgestimmten Konjunkturprogrammen, eine engere wirtschaftspolitische Koordinierung zur Förderung von Innovation und Nachhaltigkeit;
  • dafür zu sorgen, dass für nachhaltige Zukunftsinvestitionen neue finanzielle Handlungsspielräume geschaffen werden. Dazu bedarf es neben dem Abbau von Subventionen einer Verbesserung der staatlichen Einnahmesituation: Es muss eine internationale Finanztransaktionssteuer auf alle Finanztransaktionen eingeführt werden. Darüber hinaus müssen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer geschaffen werden. Auch um einen Beitrag zur Steigerung der dringend notwendigen Bildungs- und Forschungsinvestitionen zu leisten, ist ein Aufschlag auf den Spitzensteuersatz einzuführen;
  • den dringend erforderlichen Abbau volkswirtschaftlich kontraproduktiver Subventionen voranzutreiben und die freiwerdenden Mittel für die Förderung von Investitionen bereitzustellen.