Rede im Bundestag am 6. Mai 2009 zur 1. Lesung des CDU/CSU- und SPD-Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen

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Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Internet gewinnt im Zusammenhang mit der weltweiten Kommunikation immer mehr an Bedeutung. Von Tag zu Tag wachsen die Möglichkeiten, sich im Internet zu informieren und mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten. Das stärkt die Entfaltungsmöglichkeit jedes Einzelnen von uns ebenso wie die Entwicklung demokratischer Inhalte. Der kulturelle Austausch bereichert uns alle. Diese positiven Wirkungen des freien Internets gilt es auch für die Zukunft zu bewahren und zu sichern.

Wie im richtigen Leben gibt es im Hinblick auf das Internet neben zahlreichen Chancen aber auch ernst zu nehmende Gefahren, denen wir uns stellen müssen. Ebenso schnell wie sich im Internet Liebesgrüße und demokratische Inhalte verbreiten lassen, ist dies auch hinsichtlich rechtswidriger Inhalte und krimineller Handlungen möglich. Daher stellen sich die grundsätzlichen Fragen: Ist das Internet ein rechtsfreier Raum?

Renate Gradistanac (SPD): Nein!

Sehen wir tatenlos zu, wenn über das Internet schwerwiegende Straftaten begangen und rechtswidrige Inhalte verbreitet werden?

Diese Fragen werden von der deutschen Rechtsordnung beantwortet, zumindest für Deutschland.

Dr. Max Stadler (FDP): Ja!

Wer über das Internet die Rechte anderer verletzt oder Straftaten begeht, kann selbstverständlich gerichtlich belangt werden. Es ist also keineswegs so, dass unsere Rechtsordnung sagt: Es ist egal, was im Internet passiert. ‑ Das ist auch gut so.

Wie sieht es beim Thema Kinderpornografie aus, um das es im vorliegenden Gesetzentwurf geht? Wer kinderpornografische Inhalte ins Internet stellt, macht sich strafbar. Deshalb nehmen die Internetprovider in Deutschland entsprechende Inhalte schon nach heutiger Rechtslage von ihren Servern.

In Deutschland macht man sich auch dann strafbar, wenn man vorsätzlich eine Seite mit kinderpornografischem Inhalt aufruft, um sich in den Besitz der eingestellten Fotos oder Filme zu bringen. In Bezug auf kinderpornografische Inhalte gilt in Deutschland also eine sehr weitreichende Strafbarkeit. Derartige Straftaten werden hierzulande auch entsprechend verfolgt.

Heute geht es um ein besonderes Problem. Was nützen all die Erfolge bei der Strafverfolgung in Deutschland, wenn die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Ausland von Tag zu Tag dramatisch zunimmt? Selbst dann, wenn es durch die Anwendung von Rechtshilfeabkommen gelingt, die Täter im Ausland ausfindig zu machen und an sie heranzukommen ‑ das ist allerdings nur in einigen Ländern möglich ‑, stellt man häufig fest, dass diese bereits andere Adressen haben. Kapitulieren wir vor diesem Umstand?

Dr. Max Stadler (FDP): Niemals!

Schließlich hat nicht nur die Menge der kriminellen Inhalte stark zugenommen, sondern gleichzeitig ist auch die Tendenz zu immer jüngeren Opfern festzustellen. Erschwerend kommt hinzu: Zunehmend werden solche kinderpornografischen Inhalte auch von Jugendlichen in Deutschland gesehen. Heranwachsende, die aus sexueller Neugier im Internet surfen, kommen immer häufiger ungewollt auf Seiten mit kinderpornografischen Inhalten. Es liegt auf der Hand, dass hier besondere Gefahren für die psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bestehen.

Nun würden alle Eltern, wenn sie könnten und davon wüssten, sicherlich dafür sorgen, dass ihr Kind solche Inhalte über das Internet nicht abrufen kann. Doch wer weiß schon davon? Ich glaube, es ist vor diesem Hintergrund eine staatliche Verpflichtung, im Fall der Kinderpornografie ‑ das ist ein besonderer Fall ‑ dafür zu sorgen, dass der Zugang zumindest erschwert wird. Wir wissen, dass wir den Zugang niemals vollständig unterbinden können, weil es immer technische Umgehungsmöglichkeiten geben wird. Wir dürfen aber nicht tatenlos zusehen, dass die Hemmschwelle im Internet immer mehr gesenkt wird. Vielmehr kommt es darauf an, die Hemmschwelle wieder heraufzusetzen. Dem dienen die im Gesetzentwurf vorgesehene Sperrung von Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten und die Umleitung auf die Stoppseite, auf der entsprechende Warnhinweise gegeben werden. Das erhöht die Hemmschwelle.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat stets deutlich gemacht, dass sie für ein solches Vorgehen eine gesetzliche Grundlage einfordert, damit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt werden. Schließlich geht es hier um einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, der eine klare gesetzliche Regelung erfordert. Auch die betroffenen deutschen Internetprovider haben immer wieder eine klare Rechtsgrundlage gefordert. Dem kommen die Koalitionsfraktionen mit diesem Gesetzentwurf nach. Selbstverständlich werden wir im weiteren parlamentarischen Verfahren prüfen, inwieweit es noch Verbesserungsbedarf gibt.

Ich finde es gut, dass nun eine intensive Diskussion über den Umgang mit Kinderpornografie und dem freien Internet begonnen hat. Wir alle sind gut beraten, diese Debatte sehr sensibel zu führen. Wir wissen, dass viele Menschen, die sich täglich im Internet bewegen ‑ ich sage einmal: die Internetcommunity ‑, mit diesem Gesetz Sorgen verbinden. Es geht hierbei aber eben nicht um eine Internetzensur. Es geht um die Bekämpfung krimineller Handlungen und Inhalte in einem ganz besonders gelagerten Fall.

Die Freiheit eines jeden Einzelnen muss hier ihre Grenze haben, weil es um schwere Straftaten geht. Vor allem geht es um eine Personengruppe, die in besonderer Weise schutzbedürftig ist, nämlich um missbrauchte Kinder.

Der Markt für Kinderpornografie muss, so gut es eben geht, nach und nach ausgetrocknet werden, mit allen angemessenen und rechtsstaatlichen Mitteln.

Dass es, um Kinderpornografie weltweit effektiv zu bekämpfen, weiterer Maßnahmen bedarf, wissen wir. Die SPD-Bundestagsfraktion hat hierzu gestern ganz aktuell einen Zehnpunkteplan vorgelegt.

Dr. Max Stadler (FDP): Den kenne ich leider noch nicht!

Christoph Waitz (FDP): Wird das Gesetz?

‑ Wir werden Ihnen diesen Zehnpunkteplan gern zur Verfügung stellen.

Um es, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf den Punkt zu bringen: Es gibt kein Recht darauf, im Internet die Vergewaltigung Sechsjähriger betrachten zu können. Genauso deutlich sage ich: Es geht auf der anderen Seite auch nicht darum, sämtliche rechtswidrigen Inhalte im Internet zu kontrollieren und aus dem Netz zu entfernen. Ein solcher Eingriff wäre völlig unverhältnismäßig und würde das freie Internet grundsätzlich infrage stellen. So etwas steht aber ‑ auch wenn Teile der Opposition suggerieren, dass dem so wäre ‑ überhaupt nicht zur Debatte.

Der Einsatz für ein freies Internet wird nicht dadurch gewonnen, dass man in Kauf nimmt, dass kinderpornografische Inhalte verbreitet werden. Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, dass so auf Dauer das Internet insgesamt diskreditiert wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die parlamentarischen Beratungen dazu nutzen, klare Kriterien zu entwickeln, auch im Hinblick auf gute datenschutzrechtliche und Verfahrensregeln. Der Schutz missbrauchter Kinder und die Rechte der Internetnutzer schließen sich nicht aus. Wir sind in der Pflicht, beidem gerecht zu werden.

Vielen Dank.