Rede im Bundestag am 26. März 2009 zur 2./3. Lesung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes

Rede als Download

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute ist ein guter Tag für den Verbraucherschutz in Deutschland.

Vor wenigen Stunden haben wir im Bundestag das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen verabschiedet.

Künftig können Verträge generell widerrufen werden, die am Telefon abgeschlossen worden sind. In der Vergangenheit haben sich unseriöse Unternehmen immer wieder über das bereits geltende Recht hinweggesetzt, wonach telefonische Werbung verboten ist, wenn der Angerufene nicht zuvor eingewilligt hat. Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen nicht durch unerbetene Werbung belästigt oder geschädigt werden. Schwarzen Schafen sagen wir nachdrücklich den Kampf an. Verstöße werden künftig mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro bestraft. Auch die Rufnummerunterdrückung bei Werbeanrufen ist nun verboten. Nur so lässt sich feststellen, wer wirklich angerufen hat. Missachtungen werden mit einer Geldbuße von bis zu 10 000 Euro geahndet.

Diese Maßnahmen waren notwendig geworden, um der Fülle der vermeintlich oder tatsächlich untergeschobenen Verträge entgegenzuwirken, die insbesondere ältere Menschen getroffen hat. Nicht zuletzt stärken wir damit alle seriösen Anbieter.

In dieser Debatte geht es nun um die Änderung des Telekommunikationsgesetzes. Auch hier verfolgt die Große Koalition das Ziel, die Verbraucherrechte zu verbessern und mehr Sicherheit und Transparenz zu schaffen.

Im Bereich der Telekommunikation haben wir es mit einem besonders dynamischen Markt zu tun. Neue technische Möglichkeiten bringen immer wieder neue Geschäftsmodelle hervor. Das ist prinzipiell gut so. Allerdings muss der Gesetzgeber genau beobachten, wo es Entwicklungen im Markt gibt, die unerwünscht sind und gegebenenfalls nachjustieren, um die Rechte der Telefonkunden zu wahren oder zu stärken.

Dabei müssen wir insbesondere folgende Fragestellungen im Auge behalten: Wo gibt es Fehlentwicklungen? Wie können die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam gewahrt werden? Und wie können wir die Rahmenbedingungen für die TK-Unternehmen so setzen, dass wir die wirtschaftliche Dynamik in diesem Bereich nicht unnötig bremsen und auch weiterhin Anreize für Investitionen setzen?

Insgesamt geht es also darum, die notwendige Balance zwischen einem freien Markt und notwendigen Regulierungen zu wahren.

Ein gutes Beispiel hierbei sind die 0180er-Rufnummern, die bisher „Geteilte-Kosten-Dienste“ heißen und nun im Gesetz als „Service-Dienste“ benannt werden. Über diese Rufnummerngasse bieten die unterschiedlichsten Organisationen und Unternehmen Dienstleistungen an, von Banken und Versicherungen bis hin zu Behörden. Die Kunden beziehungsweise Bürgerinnen und Bürger können über diese Nummern Informationen oder andere Servicedienste abrufen.

Es ist wichtig, diese Rufnummerngasse so auszugestalten und zu strukturieren, dass die Anrufenden wissen, welche Kosten bei der Nutzung auf sie zukommen. Zugleich wollen wir unseriöse Anbieter, die nur ein möglichst gutes Geschäft machen wollen und den Rufnummernbereich zur „Tarnung“ nutzen, fernhalten.

Aus diesem Grund gab es bislang schon eine Preishöchstgrenze für Anrufer aus dem Festnetz in Höhe von 14 Cent pro Minute beziehungsweise von 20 Cent pro Anruf. Neu eingeführt haben wir nun auch eine Preishöchstgrenze für Anrufe aus dem Mobilfunknetz, und zwar in Höhe von 42 Cent pro Minute beziehungsweise 60 Cent pro Anruf. Zugleich muss der Höchstpreis für einen Anruf aus den Mobilfunknetzen künftig angegeben werden.

Mit dieser Regelung tragen wir verschiedenen Aspekten in angemessener Weise Rechnung:

Der von einem Handy Anrufende weiß nun, was der Anruf ihn höchstens kostet. Die unterschiedlichen Kosten für die Unternehmen bei Festnetz und Mobilfunk werden berücksichtigt. Zugleich bleibt den Unternehmen Spielraum für Preiswettbewerb. Und es wird erreicht, dass ein klarer Unterschied zwischen der 0900er-Rufnummerngasse besteht, in der höhere Preise möglich sind.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte niedrigere Höchstpreise für Anrufer aus dem Mobilfunknetz vorgesehen, während die Mobilfunkunternehmen natürlich am liebsten auf neue Preisobergrenzen verzichtet hätten. Die nun gefundenen Beträge sind aus Sicht der Koalitionsfraktionen ein ausgewogener Kompromiss. Er wird der Zielsetzung der Bundesregierung, keine Preisregulierung, sondern lediglich eine bessere Strukturierung der Rufnummergassen vorzunehmen, voll gerecht. Alle gesteckten Ziele werden erreicht, ohne dass eine Überregulierung stattfindet, die die Marktdynamik unnötig bremst.

Wir wollen, dass die Mobilfunkunternehmen auch in Zukunft im gesetzten Rahmen mit unterschiedlichen Preisen in den Wettbewerb gehen können und zugleich Investitionsanreize nicht unnötig bremsen. Zudem ist die Vorleistungskette in diesem Bereich zu berücksichtigen. Wir haben es nämlich nicht nur mit den Telekommunikationsunternehmen zu tun. Vielmehr werden ja die eigentlichen Telefondienste von produzierenden Unternehmen erbracht, die auch ausreichend am Umsatz partizipieren müssen. Ein zu geringer Preis könnte den notwendigen Spielraum für solche Dienste in Frage stellen und somit bestimmte Serviceleistungen gefährden. Zudem würde ein zusätzlicher Lohndruck auf die Beschäftigten entstehen, den wir vermeiden wollen.

Der nunmehr festgelegte Höchstpreis wird diesen Gesichtspunkten gerecht. Dies ist auch ein Ergebnis der erweiterten Berichterstatterrunde, an der zahlreiche Experten und auch die Oppositionsfraktionen teilgenommen haben.

Ich will einen zweiten Punkt nennen, bei dem wir ebenfalls zwischen den Interessen der Unternehmen einerseits und den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher andererseits einen vernünftigen Ausgleich gefunden haben. In jüngerer Zeit werden zunehmen Dienste angeboten, bei denen die Teilnehmer ihr Handy orten lassen können und der Standpunkt verabredungsgemäß an Dritte weitergegeben wird. Beispielsweise geschieht dies bei der Notfallortung älterer Menschen oder verlorengegangener Kinder. Ein anderes nutzerfreundliches Beispiel wird unter dem Begriff „Social Community“ zusammengefasst: Hierbei lassen sich unterwegs Freunde und Bekannte mit deren vorheriger Zustimmung lokalisieren, die der Handynutzer spontan treffen oder besuchen will.

Bislang genügte zur Beauftragung eines solchen Dienstes eine entsprechende SMS des Teilnehmers. Nun bewegen wir uns in diesem Bereich allerdings in einem sensiblen Umfeld, bei dem es um Datensicherheit geht. Einen möglichen Missbrauch durch Dritte wollen wir unbedingt vermeiden. Aus diesem Grund wird die Ortung eines Handys durch eine andere Privatperson nun strengeren Vorgaben unterworfen. Zukünftig bedarf es einer schriftlichen und ausdrücklichen Einwilligung des Teilnehmers, also des Inhabers der Telefonnummer. Zudem muss der Diensteanbieter den Nutzer nach fünfmaliger Verwendung des Ortungsdienstes informieren, so dass eine Kontrolle ermöglicht und ein Missbrauch ausgeschlossen wird. Damit wird der Gefahr vorgebeugt, dass beispielsweise ein Ehemann seiner Frau hinterher spionieren kann oder umgekehrt. Denn selbst wenn der Ehemann Inhaber des Handys sein sollte, würde die betroffene Ehefrau als Nutzerin per Kurznachricht von der Ortung erfahren.

Die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher werden künftig auch durch den Schutz vor untergeschobenen Verträgen gestärkt. In der Vergangenheit war die Form des „Slamming“, also des Unterschiebens von Verträgen, zu einer ärgerlichen Abzocke geworden, der das Gesetz den Garaus machen will. War es bisher so, dass die Umstellung des Telefonanschlusses auf eine Betreibervorauswahl (Preselection) praktisch auf Zuruf möglich war, wird künftig die Textformerfordernis zu mehr Rechtsicherheit bei allen Beteiligten führen. Viele Kunden hatten häufig gar nicht bemerkt, dass sie die Erklärung zu einem Vertragswechsel gegeben haben sollen, weil sie am Telefon lediglich der Zusendung von Informationsmaterial zugestimmt hatten. So kam es in vielen Fällen nicht nur zu berechtigtem Ärger bei den Betroffenen, sondern auch zu juristischen Streitigkeiten. Flankiert wird diese Maßnahme von dem bereits erwähnten Gesetz gegen unerlaubte Telefonwerbung, das ein allgemeines Widerrufsrecht für am Telefon abgeschlossene Verträge vorsieht.

Desweiteren geht es im Gesetzentwurf um die wirksame Durchsetzung der europäischen Verordnung über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen. Diese sieht beispielsweise vor, dass den Kunden im europäischen Ausland für abgehende und ankommende Anrufe keine überhöhten Preise in Rechnung gestellt werden. Der Eurotarif soll ein hohes Verbraucherschutzniveau garantieren und zugleich für eine ausreichende Gewinnspanne der beteiligten Unternehmen sorgen. Die tatsächliche Umsetzung der Verordnung muss auf der nationalen Ebene sichergestellt werden. Hierzu sieht der Gesetzentwurf Bußgelder bei Verstößen der Unternehmen vor. Außerdem werden die Befugnisse der Bundesnetzagentur gestärkt. Die Regulierungsbehörde kann von sich aus tätig werden, um die Einhaltung der Verordnung zu gewährleisten und kann bei Verstößen die sofortige Beendigung anordnen.

Die Zahl der Mobilfunkverträge ist in den vergangenen Jahren rapide angestiegen. Inzwischen gibt es in Deutschland mehr Handys als Einwohner. Im Gegensatz zu den Inhabern von Festnetzanschlüssen sind die Handybesitzer in nur geringem Umfang in den Teilnehmerverzeichnissen enthalten. Um hier Abhilfe zu schaffen, soll der Inhaber eines Mobilfunkanschlusses künftig per Textmitteilung über den Kontaktwunsch eines anderen Teilnehmers informiert werden. Dabei sind Name und Telefonnummer des Interessenten angegeben. Der gesuchte Teilnehmer kann somit selbst entscheiden, ob er den Kontakt erwidern will, ohne dass es zur Übermittlung seiner Mobilfunknummer kommt.

Schließlich haben wir auch den Dienst für gehörlose und hörgeschädigte Menschen umfassend geregelt. Diese können die bereit gestellten Vermittlungsdienste der Anbieter zu einem erschwinglichen Preis und unter Berücksichtigung ihrer besonderen Situation in Anspruch nehmen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist es gelungen, die Verbraucherrechte so zu stärken, dass zugleich auch für die Unternehmen ein zusätzlicher Nutzen entsteht, sei es durch mehr Transparenz, attraktive Dienste oder größere Rechtsicherheit.

Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.