Rede in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages zum Thema: „Führungsverantwortung der Bundeskanzlerin in Zeiten der Wirtschaftskrise“ am 11. Februar 2009

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Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!


Ich will noch einmal auf den Wortbeitrag von Frau Scheel zurückkommen. Frau Scheel, ich habe durchaus Verständnis, dass die Opposition angesichts der aktuellen Lage den von der Union verschuldeten Strafstoß hier ins Plenum gebracht hat, zumal es sich wohl vorher um ein Foul aus den eigenen Reihen gehandelt hat. Zu diesem Schluss komme ich jedenfalls, wenn ich die Aussagen nachvollziehe, die ich im Moment von Herrn Glos lese.

Ich möchte aber auch auf das Problem Richtlinienkompetenz zu sprechen kommen. Ich glaube, wir sollten dem Publikum nichts vormachen. Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten Jahren oder Jahrzehnten irgendein Kanzler von seiner Richtlinienkompetenz in Streitfragen Gebrauch gemacht hat. Darüber, wie diese zu verstehen ist, streiten sich ja die Staatsrechtler. Selbst Helmut Schmidt war am Ende seiner achtjährigen Kanzlerschaft stolz, dass er es immer geschafft hat, Kompromisse hinzubekommen, und nie von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch musste. In Zeiten von Großen Koalitionen, wo beide Parteien fast gleich stark sind, wäre es auch nicht richtig, sich darauf zu berufen. Ich hätte es als spannend empfunden, zu sehen, wie Sie reagiert hätten, wenn Herr Schröder unabhängig von irgendwelchen Koalitionsverträgen von seiner Richtlinienkompetenz gegenüber Herrn Trittin oder irgendjemand anderem Gebrauch gemacht hätte.

Ich glaube also, Richtlinienkompetenz ist in diesem Zusammenhang nicht das richtige Stichwort. Vielmehr sollten wir alle miteinander einen Moment lang selbstkritisch überlegen, was wir nach draußen kommunizieren.

Selbstverständlich darf man nicht immer sagen, dass alles gut gelaufen ist. Ich denke, die Umstände in der Union geben uns als Sozialdemokraten Anlass zur Sorge, weil ein bestimmtes Bild in der Öffentlichkeit entstanden ist. Dieses können wir nur durch gutes Handeln konterkarieren. Das wollen wir.

Ich danke Herrn Glos dafür, dass er in den vergangenen Jahren mit uns eine gute Kommunikation gepflegt hat. Wir hätten uns natürlich einen besseren Wirtschaftsminister wünschen können, beispielsweise hätte Peer Steinbrück dieses Amt in Personalunion mit dem des Finanzministers wunderbar ausüben können.

Dieser Vorschlag war ja auch schon auf dem Tisch. Aber der Koalitionsvertrag sieht etwas anderes vor. Das Zepter des Handelns lag sozusagen aufseiten der CSU.

Ich will ausdrücklich betonen, dass wir die Zusammenarbeit mit dem neuen Wirtschaftsminister Herrn zu Guttenberg sehr konstruktiv angehen werden. Ich freue mich schon auf die Diskussionen.

Ich möchte nun auf die Inhalte zu sprechen kommen und deutlich machen, dass die SPD inhaltlich an vielen Stellen innerhalb dieser Großen Koalition etwas Gutes erreicht hat. In der Politik geht es nämlich nicht in erster Linie um Richtlinien, sondern vielmehr um Leitlinien. An vielen Stellen wird deutlich, dass Sozialdemokraten diese Leitlinien mitprägen. Das ist ja auch gut so. Insofern stimme ich dem Kollegen Pronold ausdrücklich zu, dass es auch ein Zeichen von Führungsstärke sein kann, nämlich der Kanzlerin an dieser Stelle, wenn sie den Rat von guten sozialdemokratischen Ministern wie beispielsweise Peer Steinbrück sucht, gute Vorschläge der Sozialdemokraten aufnimmt und diese auch entsprechend umsetzt. Dabei hat sie unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei der SPD)

Ganz aktuell sehen wir das beim Konjunkturpaket II. Es trägt sozialdemokratische Handschrift. Es ist im Wesentlichen von fünf Leitlinien geprägt.

Unsere erste Leitlinie lautet, auf Investitionen, insbesondere in den Kommunen, zu setzen, damit Infrastruktur aufgebaut wird, und zwar schwerpunktmäßig im Bildungsbereich. Wir sagen nämlich: Wenn wir schon Schulden machen müssen – das müssen wir in diesen Zeiten -, dann bitte für solche Dinge, die sich für die nachfolgenden Generationen positiv auswirken und die sie nach vorne bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die SPD versteht sich als Kommunalpartei. Wir haben dafür gesorgt, dass die Gewerbesteuer erhalten geblieben ist. Wir stehen dafür, dass das Geld bei den Kommunen vor Ort ankommt. Das Gleiche gilt für die Unternehmen, die durch Bürgschaftsprogramme und durch Kreditprogramme der KfW unterstützt werden.

Der zweite Bereich. In diesen schweren Zeiten müssen wir für Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger sorgen. Die Sozialdemokraten sagen aber auch: Das muss sozial gerecht, also mit einem klaren Schwerpunkt auf den unteren Einkommen, erfolgen.

Für diese Einkommensgruppe wird es zu Steuersenkungen und zu einer Absenkung des Krankenkassenbeitrages kommen.

Der dritte Bereich. Wir brauchen gezielte Hilfen für Branchen, die besonders betroffen sind – dazu zählt die Automobilindustrie – und von denen sehr viele Arbeitsplätze in Deutschland abhängig sind. Deshalb haben wir die Umweltprämie bzw. Abwrackprämie – wie immer Sie sie nennen wollen – durchgesetzt. Die Grünen sagen an dieser Stelle, dass mit dieser Prämie, was das Thema Umweltschutz angeht, nicht das Ei des Columbus gefunden wurde.

Darauf sage ich nur: Sie haben den Sinn des Konjunkturprogramms nicht verstanden.

Wir müssen in einer Krisensituation Prioritäten setzen. Die Priorität ist, Arbeitsplätze zu erhalten.

Der vierte Bereich. Wir begrenzen die Verschuldung. Es kann nicht sein – das sage ich in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Linken -, dass wir die zukünftigen Generationen so belasten, dass es am Ende zu negativen Effekten führt.

Der fünfte Bereich ist uns Sozialdemokraten besonders wichtig. Wir wollen den Arbeitsmarkt stabilisieren, insbesondere durch die verbesserten Kurzarbeiterregelungen. Experten sagen, dass wir in diesem Jahr 250 000 Arbeitslose weniger haben werden als ohne Kurzarbeitergeld.

Sie sehen: Dies ist ein ausgewogenes 50-Milliarden-Paket, was in den Anhörungen insgesamt durchaus bestätigt wurde, auch wenn es den einen oder anderen gibt, der noch zusätzliche Wünsche hat.

Herr Döring, was ich aber überhaupt nicht verstehen kann, ist, dass Sie das Argument „Das sind ja nur Milliönchen“ anführen. Ich kann denjenigen Kollegen nur recht geben, die hier schon angemerkt haben, dass gerade die FDP, die sich rühmt, Wirtschaftspartei zu sein, kein Konzept vorlegt. Einerseits kritisieren Sie die Verschuldung, andererseits fordern Sie mehr Entlastungen. Wir wissen genau, welche Klientel Sie in erster Linie entlasten wollen. Das passt alles nicht zusammen; das alles ist kein Konzept.

(Beifall bei der SPD)

Ich fasse also zusammen: Es geht hier nicht um Richtlinienkompetenz, sondern um die Kompetenz bei den Leitlinien der Politik. Die Sozialdemokraten und damit auch die Große Koalition sind da gut aufgestellt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)