Rede auf der Veranstaltung der Bundestagsfraktion „Innovationsmotor Raumfahrt. Zukunftstechnologien für neue Wertschöpfungen“ am 29. Januar 2009 in Berlin.

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Herr Minister,
meine Damen und Herren!

Mit ihrer neuen Veranstaltungsreihe „Leitmärkte der Zukunft“ will die SPD-Bundestagsfraktion mit Vertretern der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Öffentlichkeit über wichtige Zukunftsfelder der deutschen Wirtschaft ins Gespräch kommen.
Mit unserer heutigen Auftaktveranstaltung haben wir bewusst ganz oben angesetzt und gleich nach den Sternen gegriffen. Denn welcher Bereich steht mehr für Zukunft und technologische Höchstleistung als die Raumfahrt? Jeder von uns verbindet mit diesem Thema faszinierende Bilder und Ereignisse. Die frühesten Fernseherlebnisse, an die ich mich persönlich noch lebhaft erinnern kann, sind die Mondlandungen der NASA. Sie haben sich tief in das kollektive Gedächtnis meiner Generation eingegraben. Am 20. Juli jährt sich zum 40. Mal die erste Mondlandung.
Aus der jüngeren Zeit erinnern wir uns alle noch sehr anschaulich an die Weltraumausflüge unseres Astronauten Thomas Reiter und die erfolgreiche Columbus-Mission. Sie dokumentieren, dass Deutschland eine technologische Spitzenposition bei der Raumfahrt inne hat, die es zu festigen und auszubauen gilt.
Ich freue mich, dass Sie heute so zahlreich unserer Einladung gefolgt sind, um mit uns gemeinsam über die Perspektiven der deutschen Raumfahrt zu diskutieren und nachzudenken. Ich sehe viele bekannte Gesichter, die meisten von Ihnen waren gestern auch beim Neujahrsempfang unserer Raumfahrtagentur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit dabei.
Die SPD-Bundestagsfraktion will dokumentieren, dass sie in der Raumfahrt nach wie vor einen wichtigen Motor für Innovationen und Zukunftstechnologien sieht. Zu Recht ist deshalb die Raumfahrt ein wesentlicher Bestandteil der High-Tech-Strategie der Bundesregierung.
Über eine Milliarde Euro ist im Bundeshaushalt für die Raumfahrt vorgesehen, ein Betrag, der in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Das geschaffene Volumen und die damit verbundene Planungssicherheit werden allgemein anerkannt. Dabei geht weit mehr als die Hälfte der Mittel in die gemeinsamen europäischen Projekte bei der ESA, ein Viertel in das nationale Raumfahrtprogramm.
Deutschland hat sich längst als eine führende Raumfahrtnation etabliert, seine technologischen Leistungen werden weltweit hoch anerkannt. Die erfolgreichen Starts von TerraSAR-X und RapidEye sind ein Beleg dafür. Für die Exportnation Nummer eins ist die Raumfahrt wahrlich kein schlechtes Aushängeschild. Viele von Ihnen, die heute hier versammelt sind, haben dazu einen wichtigen Beitrag geleistet, für den ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bedanken möchte. Das gilt namentlich auch für meinen Fraktionskollegen Volker Kröning, der unsere Sache im Haushaltsausschuss stets kompetent und nachdrücklich vertritt.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird auch in Zukunft ihren Beitrag dazu leisten, den Stellenwert der Raumfahrt weiter zu sichern und auszubauen. Versprochen. Wir sehen dabei vor allen drei Dimensionen, die es zu fördern gilt:
1. Raumfahrt als Treiber für wissen-schaftlichen Fortschritt und exzellente Ausbildung
Der Weltraum fasziniert die Menschen und motiviert sie zu Höchstleistungen in Wissenschaft und Forschung. Für viele Ingenieure war diese Faszination ein Grund, ihre Ausbildung zu beginnen, auch wenn sie vielleicht am Ende in anderen Wirtschaftszweigen ihre endgültige Anstellung gefunden haben, namentlich in der Luftfahrt- und Autoindustrie, die naturgemäß die meisten Berührungspunkte haben. Auch in Zukunft wird Deutschland auf den großen Forscherdrang und das motivierende Element der Raumfahrt nicht verzichten können. Hier müssen wir unsere Anstrengungen noch verstärken.
2. Raumfahrt als Motor für technologischen Fortschritt und wirtschaftliche Entwicklung
Wir können letztlich nicht mit Billiglöhnen in Asien oder Osteuropa konkurrieren. Deutschland braucht die technologisch besten und anspruchvollsten Produkte, damit wir unsere führende Stellung als Exportnation bewahren können. In vielen Bereichen sind Raumfahrttechnologien zur elementaren Voraussetzung für das Funktionieren unseres globalen Wirtschaftskreislaufs geworden. Angefangen von der Telekommunikation, dann weiter über die Navigation, die heute für die Steuerung von Kraftfahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen unentbehrlich geworden ist, bis hin zur Erdbeobachtung mit wichtigen Erkenntnissen zur Verbesserung der Umwelt und des Klimas mit Auswirkungen auf Ernährung und Landwirtschaft.
Und drittens hat die Bedeutung von Raumfahrt für die Sicherheit der Menschen stetig zugenommen.
Durch immer präziser werdende Instrumente der Erd- und Wetterbeobachtung können Katastrophen früher vorausgesehen und oft auch besser bewältigt werden. Ebenso hängt die militärische Sicherheit in wachsendem Maße von Kommunikation und Erdbeobachtung ab. Mit Hilfe modernster Satellitentechnologie können Krisenherde frühzeitig identifiziert werden, so dass Politik und Diplomatie bessere Möglichkeiten haben, zu reagieren.
Diese drei Dimensionen der Raumfahrt gilt es, auch in Zukunft durch geeignete Projekte für Deutschland zu nutzen. Bei Galileo stellt Deutschland den größten Anteil. Wolfgang Tiefensee hat während der deutschen Ratspräsidentschaft als zuständiger Minister Hindernisse beiseite geräumt und dafür gesorgt, dass dieses große technologische Projekt in Europa vom Kopf auf die Füße gestellt wurde. Klar ist: Das komplexe System bleibt eine große Herausforderung, die es zu meistern gilt.
Mit seiner Beteiligung an GMES (Global Monitoring for Environment and Security) ist Deutschland heute in der Erdbeobachtung europaweit die Nummer eins.
Mit dem Start des EDRS-Programms (European Data Relay Satellite System) ist Deutschland auch in der Telekom-munikation wieder zurück, nachdem dieses wichtige Wirtschaftsfeld viele Jahre vernachlässigt wurde.
Edelgard Bulmahn hat in ihrer Zeit als Ministerin immer großen Wert darauf gelegt, dass wir in diesen wichtigen Feldern wieder stärker werden und in den ARTES- und GMES-Programmen wichtige Schwerpunkte gesetzt. Aber auch im Bereich der Wissenschaft haben wir uns stark engagiert.
EU-Kommissar Verheugen will Ende Juni eine europäische Konferenz zur Exploration im Weltraum einberufen, bei der es um die Perspektiven der Weltraumerkundung aus Sicht der Europäischen Union geht.
Sehen Sie es mir nach, dass ich an dieser Stelle vor allem die drei sozialdemokratischen Köpfe explizit aufgezählt habe, die sich besonders stark für die Raumfahrt einsetzen.
Auch neue Projekte stehen bei uns auf der Tagesordnung. So könnte das in der Öffentlichkeit zurzeit stark diskutierte Mondprojekt die unterschiedlichen deutschen Player und Kompetenzen zusammen bringen, um ein wegweisendes Programm zu bündeln und mit einem neuen Qualitätssiegel zu versehen.
Ich weiß, es gibt an dieser Stelle auch kritische Nachfragen aus der Bevölkerrung und in den politischen Parteien. Es wäre aber verkürzt, würde man nur eine kurzfristige Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen. Oft zeigen sich ja strategische Optionen und der ökonomische Gewinn erst auf der Strecke. Die Entdeckung Amerikas durch Columbus war kurzfristig ein durchaus wirtschaftlich fragwürdiges Engagement und hat letztendlich doch unglaubliche wirtschaftliche Folgen gehabt.
Zu Forschung und Entwicklung der Raumfahrt gehören immer auch Entschlossenheit und Risikobereitschaft. Dabei ist völlig unbestritten, dass wir vor allem die Anwendungsmöglichkeiten auf der Erde im Auge behalten müssen. Dies wird bei vielen Projekten auch unmittelbar deutlich, zum Beispiel im Zusammenhang mit der technologischen Führerschaft Deutschlands bei der Robotik. In diesem Zusammenhang möchte ich das Deutsche Zentrum für künstliche Intelligenz in Bremen und das DLR in Oberpfaffenhofen hervorheben.
Meine Damen und Herren, von dieser Veranstaltung und unserer heutigen Diskussion erhoffe ich mir Beiträge und Anregungen für die Politik, in welche Richtung die deutsche Raumfahrt heute und über den Tag hinaus gehen soll.
Ich freue mich auf die Diskussionsbeiträge und möchte meine Einführung mit einem Zitat von Hermann Oberth, deutscher Raketenforscher und Raumfahrtpionier, schließen:
„Es ist auf der Welt nichts unmöglich, man muss nur die Mittel entdecken, mit denen es sich durchführen lässt.“
Ein amerikanischer Zeitgenosse würde heute sagen: „Yes, we can!“
Was wir können, wird uns nun Thomas Reiter erläutern.
Vielen Dank!