Rede von Martin Dörmann im Bundestag am 4. Dezember 2008 zum Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zur Änderung des Telemediengesetzes (TMGÄndG).

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Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Anfang 2007 haben wir mit dem neuen Telemediengesetz erstmals einen einheitlichen, entwicklungsoffenen Rechtsrahmen im Bereich der Tele- und Mediendienste geschaffen. Frühere Abgrenzungsprobleme sind entfallen. Gegenüber dem alten Rechtszustand wurde eine deutliche Verbesserung erzielt. Damit haben wir einen wirksamen Beitrag zur Fortentwicklung des Internets geleistet, für das das Telemediengesetz von besonderer Bedeutung ist.
Bereits bei der damaligen Verabschiedung hatten die Koalitionsfraktionen in Aussicht gestellt, noch in dieser Legislaturperiode eine Überarbeitung vorzunehmen. Denn damals mussten wir das Gesetz zügig verabschieden, um ein zeitgleiches Inkrafttreten mit dem Neunten Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien zum 1. März 2007 zu ermöglichen. Beide Regelwerke ergänzen sich und haben die bisherigen Bestimmungen abgelöst.
Zuletzt hat der Bundestag im Mai 2008 eine ausführliche Debatte über möglichen Änderungsbedarf geführt. Grundsätzlich gibt es in diesem Hause keine Fraktion, die einen solchen Bedarf nicht sehen würde, wenn auch jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Aus Sicht der Koalitionsfraktionen geht es hierbei in erster Linie um die weitere Verbesserung der Rechtssicherheit im Bereich der Internethaftung. Das betrifft die Klärung der Störerhaftung sowie Fragen, die von den Haftungsbestimmungen der einschlägigen E-Commerce-Richtlinie nicht erfasst werden und die auch in Deutschland vor diesem Hintergrund ausdrücklich nicht geregelt wurden, insbesondere Suchmaschinen und Hyperlinks. Insofern haben wir es nämlich mit einer Rechtsprechung zu tun, die in der Internetbranche für Unsicherheiten gesorgt hat, die es möglichst zu beseitigen gilt.
Konkret geht es etwa um die Fragestellung, inwieweit ein Diensteanbieter für Inhalte haftet, die er nicht selbst eingestellt hat. Dass Rechteverletzungen beseitigt werden müssen, steht dabei außer Frage. Probleme bereitet allerdings die zukünftige Verhinderung einer Rechteverletzung, insbesondere dann, wenn eine Rechteverletzung festgestellt wurde und die Anwendung auf analoge Fälle zu übertragen ist. Und wer auf seiner Homepage Links auf andere Seiten eingestellt hat, kann diese nicht ständig kontrollieren.
Im Kern geht es also um die Frage, inwieweit Diensteanbieter beispielsweise im Rahmen einer Störerhaftung reguläre Überwachungspflichten übernehmen müssen oder nicht. Die Rechtsprechung hat hier die Unterlassungsansprüche in einem bestimmten Fall auf kerngleiche Rechteverletzungen ausgedehnt. Dies hat zu großer Verunsicherung geführt, weil eine weite Auslegung der Kerngleichheit zu einer fast uferlosen Haftung führen könnte. Auf der anderen Seite würde eine zu enge Auslegung möglicherweise zu einer Verkürzung der betroffenen Rechteinhaber führen.
Insgesamt geht es daher vor allem um eine gerechte und praktikable Lösung, die die unterschiedlichen Interessen von Rechteinhabern, Verbrauchern und Internetunternehmen zu einem vernünftigen Ausgleich bringt.
Diesen goldenen Mittelweg zu finden und mit allen Beteiligten einvernehmlich abzustimmen, hat sich in den vergangenen Monaten als besonders schwierig erwiesen. Die Koalitionsfraktionen hatten erwartet, dass die Bundesregierung wie angekündigt noch im Jahr 2008 einen Gesetzentwurf vorlegt, in dem die problematisierten Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Das Wirtschaftsministerium war auch keineswegs untätig, sondern hat zahlreiche Gespräche mit vielen Beteiligten geführt, um eine möglichst von allen getragene Lösung abzustimmen. Eine besondere Schwierigkeit ist dabei, dass die Rechtsprechung auch weiterhin in der Entwicklung ist. Wichtige Entscheidungen, die in diesem Jahr ergangen sind, müssen bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden. Dies alles hat zu einer Zeitverzögerung geführt, die wir als Koalitionsfraktionen bedauern. Wir wären hier gerne schneller vorangeschritten.
Die Große Koalition prüft derzeit, wie wir mit der Thematik des Telemediengesetzes weiter vorgehen. Wie Sie wissen, gibt es aktuell Überlegungen des Familienministeriums zur Einführung einer Sperrungsverpflichtung zur Bekämpfung der Kinderpornografie. Hier ist zu klären, inwieweit sich zusätzlicher Regelungsbedarf beim Telemediengesetz oder beim Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ergibt. Dabei wird man zu berücksichtigen haben, dass die deutsche Internetwirtschaft bei der Bekämpfung illegaler und gefährliche Inhalte – insbesondere auch der Kinderpornografie – durchaus aktiv und engagiert ist. Insoweit wird zu prüfen sein, wie man das gemeinsame Ziel, Kinderpornografie den Garaus zu machen, effektiv und angemessen erreichen kann, sei es durch zusätzliche Regelungen oder eine Ausweitung der Selbstverpflichtung der Internetwirtschaft.
Zudem steht für Anfang 2009 ohnehin das Vorhaben zur teilweisen Umsetzung der europäischen Audio-Visuelle-Mediendienste-Richtlinie an. Hierzu wird das Wirtschaftsministerium Anfang des Jahres einen ersten Entwurf zur Änderung des Telemediendienstes vorlegen.
Es spricht einiges dafür, die zu klärenden Fragen gemeinsam in einem Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediendienstes anzugehen. Die Große Koalition wird sich hierzu möglichst schnell auf das weitere Verfahren verständigen.
Die FDP-Fraktion hat nun einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes vorgelegt. Er greift insbesondere die Frage der Störerhaftung auf.
Die von der FDP vorgetragenen Änderungsvorschläge werden wir eingehend prüfen. Bei den Regelungen zu Suchmaschinen und Hyperlinks erscheint mir die Zielrichtung grundsätzlich durchaus unterstützendwert.
Andererseits enthält der FDP-Entwurf allerdings auch eine Reihe von Widersprüchlichkeiten und fragwürdigen Regelungsvorschlägen. So soll der Internetvermittler nur dann als Störer haften, wenn der eigentliche Verursacher nicht greifbar ist, andererseits aber auch nur dann, wenn gegen den eigentlichen Störer ein vollstreckbarer Titel erwirkt wurde. Hierdurch würde die Verhinderung einer Rechteverletzung beim Vermittler sehr weitgehend erschwert.
An manchen Stellen macht es sich der FDP-Antrag deshalb bezüglich der Abwägung der unterschiedlichen Interessenlagen zu einfach, angesichts der komplexen Problemlagen. Daher kann der Gesetzentwurf aus Sicht der Koalitionsfraktionen insgesamt keine geeignete Grundlage für eine Novellierung des Telemediengesetzes sein. Bei allen Unterschieden im Detail hoffe ich aber dennoch, wir können im Sinne des durchaus konstruktiven Dialogs, den wir in dieser Sache pflegen, am Ende zu Lösungen kommen, die von möglichst vielen Fraktionen gemeinsam getragen werden.
In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Diskussionen hierzu im nächsten Jahr.