Auf die Ausgestaltung staatlicher Konjunkturmaßnahmen kommt es an. Artikel von Martin Dörmann aus der Berlin Depesche Nr. 49.

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Liebe Leserinnen und Leser,
fast alle Anzeichen deuten darauf hin, dass wir vor einer schweren Weltrezession stehen, die auch Deutschland trifft. Auslöser und Hauptursache hierfür ist die Finanzmarktkrise.
Die Große Koalition hat mit ihrem schnellen, entschlossenen Handeln durch das Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Finanzmärkte einen Zusammenbruch unseres Bankensystems verhindert. Der größtmögliche Schaden für unsere Wirtschaft und die Sparer wurde dadurch verhindert.
Darüber hinaus wurde bereits eine Vielzahl weiterer Maßnahmen auf den Weg gebracht, die als Konjunkturstütze und Schutzschild für Arbeitsplätze dienen werden. Sie beinhalten finanzielle Entlastungen der Bürger und Unternehmen, mehr Anreize für private Haushalte, zusätzliche Impulse für Investitionen und ein Sicherheitsnetz für Beschäftigung.
So werden das Kurzarbeitergeld auf 18 Monate verlängert, zusätzliche Kreditprogramme über die KfW ermöglicht, Heizkostenzuschuss beim Wohngeld und Kindergeld erhöht, der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gesenkt und Investitionen gestärkt. Gemeinsam ist diesen Maßnahmen, dass sie nicht nur auf Strohfeuereffekte sondern nachhaltig und strukturell angelegt sind. Eine höhere Staatsverschuldung wird 2009 in Kauf genommen, ohne allerdings das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes in den nächsten Jahren ganz aus dem Blick zu verlieren.
Die Bundesregierung erhofft sich durch die Beschlüsse der letzten Wochen das Anstoßen zusätzlicher Investitionen durch Unternehmen, Privathaushalte und Kommunen mit einer Gesamtwirkung von 50 Milliarden Euro.
Das so beschriebene Programm ist noch gar nicht vollständig in Kraft, da wird in der Öffentlichkeit bereits intensiv über zusätzliche Forderungen diskutiert, vor allem über Steuererleichterungen.
Gehen wir die Varianten im Einzelnen durch. Eine Absenkung der Einkommensteuer ginge an der Hälfte der Haushalte vorbei. Auch Dank der rot-grünen Steuerreformen zahlt nämlich inzwischen fast die Hälfte der deutschen Haushalte keinerlei Steuern mehr. Begünstigt würden dadurch also vor allem die gut Verdienenden. Geringverdiener würden nicht erreicht. Zudem ist gerade in Deutschland (anders als in den angelsächsischen Ländern) die Sparquote besonders hoch, so dass nur ein Teil der Absenkung auch tatsächlich zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur führen dürfte.
Auch eine Mehrwertsteuersenkung hätte zweifelhafte Effekte, weil der geringe Preisunterschied kaum nennenswerte Kaufanreize auslöst – wenn die Absenkung denn überhaupt an die Verbraucher weitergegeben würde. Daher sind Steuersenkungen auf Pump, die nachfolgende Generationen zusätzlich belasten, kaum zu rechtfertigen.
Unter dem Aspekt der sofortigen Nachfragestimulierung würde ein einmaliger Konsumgutschein noch am ehesten greifen. Nachteil: die Konjunkturwirkung wäre nur kurzfristig und teuer erkauft.
Die Bundesregierung handelt daher verantwortungsbewusst, wenn sie nicht gleich auf alle vorgetragenen Wünsche eingeht, sondern sich zunächst finanzielle Spielräume und Optionen offen hält. Sorgfältige Arbeit ist allemal besser als hektischer Aktionismus, der wirkungslos verpufft und Vertrauen zerstört.
Sinnvoll wäre es insbesondere, zusätzliche Investitionen in Bereichen anzustoßen, in denen auch langfristig positive Effekte entstehen. Etwa Bildung, kommunale Infrastruktur, Klimaschutz und Energieeinsparung.
Auf der Nachfrageseite könnte man bei einem weiteren Konjunkturpaket ein Vorziehen der steuerlichen Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen, die Beseitigung des Problems der „Kalten Progression“ und erhöhte Sätze für Kinder von ALG II-Empfängern prüfen.
Insgesamt kommt es darauf an, dass knappe Geld möglichst effektiv einzusetzen, um positive Wirkungen bei vertretbaren Kosten zu entfalten.
Vertrauen in diese Bundesregierung ist durchaus angebracht. Sie hat in den letzten Wochen bewiesen, dass sie konzeptionell vorgeht und handlungsfähig ist, wenn es die Situation erfordert. Ich gehe davon aus, sie wird auch im nächsten Jahr auf veränderte Rahmenbedingungen angemessen reagieren.