Rede von Martin Dörmann im Bundestag am 12. November 2008 zur 1. Lesung des Entwurfs eines Ersten Gesestzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes.
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Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Im Bereich der Telekommunikation haben wir es mit besonders dynamischen Märkten zu tun, auf deren Entwicklung der Gesetzgeber von Zeit zu Zeit zu reagieren hat.
Die Große Koalition will die Transparenz und die Funktionsfähigkeit erhöhen sowie Verbraucherrechte stärken, insbesondere beim Mobilfunk.
Welche Einzelregelungen sieht der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung im Wesentlichen vor?
Erstens.
Zunächst einmal geht es um die wirksame Durchsetzung der europäischen Verordnung über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen. Diese sieht beispielsweise vor, dass den Kunden im europäischen Ausland für abgehende und ankommende Anrufe keine überhöhten Preise in Rechnung gestellt werden. Der Eurotarif soll ein hohes Verbraucherschutzniveau garantieren und zugleich für eine ausreichende Gewinnspanne der beteiligten Unternehmen sorgen. Die tatsächliche Umsetzung der Verordnung muss auf der nationalen Ebene sichergestellt werden. Hierzu sieht der Gesetzentwurf Bußgelder bei Verstößen der Unternehmen vor. Außerdem werden die Befugnisse der Bundesnetzagentur gestärkt. Die Regulierungsbehörde kann von sich aus tätig werden, um die Einhaltung der Verordnung zu gewährleisten und kann bei Verstößen die sofortige Beendigung anordnen.
Zweitens.
Die 0180er-Nummern sollen transparenter und günstiger werden. Der Rufnummernbereich 0180 wird von vielen Unternehmen und Behörden für ihre Kundenkontakte genutzt, aber auch von  Erotikdiensten missbraucht. Der Ruf-nummernbereich soll nun neu gestaltet werden, um den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Wirtschaft besser gerecht zu werden.
Bereits bislang waren für Anrufe aus dem Festnetz eine Preisansage sowie eine Preisobergrenze von 14 Cent pro Minute bzw. 20 Cent pro Anruf festgelegt. Im Mobilfunk galten abweichende Regelungen: Eine Preisobergrenze war nicht vorgesehen und in der Ansage musste nur allgemein auf einen möglicherweise abweichenden Preis aus dem Mobilfunknetz hingewiesen werden.
Nunmehr soll auch aus dem Mobilfunk eine Preisansagepflicht sowie eine Preisobergrenze festgelegt werden, die für diesen Bereich 28 Cent pro Minute bzw. 40 Cent pro Anruf betragen soll. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen auch bei Telefonaten per Handy wissen, worauf sie sich einlassen. Die Preisobergrenzen und die neue Ansagepflicht schützen sie und machen zugleich die Nutzung der Dienste aus dem Mobilfunk attraktiver.
Weiterhin soll Unternehmen künftig die Möglichkeit eröffnet werden, Warteschleifen für ihre Kunden kostenlos anzubieten. Teure Wartezeiten blieben den Anrufern in diesen Fällen somit erspart.
Durch die neuen Bestimmungen soll die 0180er-Rufnummerngasse klarer strukturiert werden. Daneben steht den Unternehmen weiterhin mit den 0900-Nummern ein Bereich zur Verfügung, in dem höhere Entgelte verlangt werden können, so dass die notwendige Differenzierung für unterschiedliche Dienste erhalten bleibt.
Drittens.
Der Schutz vor untergeschobenen Verträgen soll gestärkt werden.
Bislang war es so, dass die Umstellung des Telefonanschlusses auf eine Betreibervorauswahl (Preselection) praktisch auf Zuruf möglich war. Vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern war aber nicht bewusst, dass sie eine solche Erklärung abgegeben haben, in vielen Fällen kam es deshalb zu vermeidbaren Streitigkeiten. Nun soll ein Textformerfordernis zu Rechtsicherheit bei allen Beteiligten führen.
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren werden wir prüfen, ob das Textformerfordernis auch auf andere Fälle als Preselection ausgedehnt werden sollte.
Viertens.
Bei Diensten, die eine Handyortung vorsehen, wollen wir Missbrauchsgefahren ausschließen. Es gibt heute verschiedene Dienste, bei denen die Standortdaten eines Handys an Dritte gesendet werden. Hier wollen wir die Anregung des Bundesrates aufgreifen, eine missbräuchliche Ortung und einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte auszuschließen. Hierzu hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung den Vorschlag unterbreitet, dass der betroffene Teilnehmer seine Einwilligung ausdrücklich, gesondert und schriftlich erteilen soll. Zudem soll der Diensteanbieter verpflichtet werden, ihn nach höchstens fünfmaliger Feststellung des Handystandortes mit einer Textmitteilung zu informieren.
Dieses Anliegen wollen wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufgreifen.
Fünftens.
Die Zahl der Mobilfunkverträge ist in den vergangenen Jahren rapide angestiegen. Inzwischen gibt es in Deutschland mehr Handys als Einwohner. Bis zum Jahresende sollen es insgesamt fast 110 Millionen Mobilfunkverträge sein. Im Gegensatz zu den Inhabern von Festnetzanschlüssen sind die Handybesitzer in nur geringem Umfang in den Teilnehmerverzeichnissen enthalten. Um hier Abhilfe zu schaffen, soll der Inhaber eines Mobilfunkanschlusses künftig per Textmitteilung über den Kontaktwunsch eines anderen Teilnehmers informiert werden. Dabei sind Name und Telefonnummer des Interessenten angegeben. Der gesuchte Teilnehmer kann somit selbst entscheiden, ob er den Kontakt erwidern will, ohne dass es zur Übermittlung seiner Mobilfunknummer kommt.
Insgesamt wird es im weiteren parlamentarischen Verfahren darum gehen, die Verbraucherrechte so zu stärken, dass möglichst zugleich auch für die Unternehmen ein zusätzlicher Nutzen entsteht, sei es durch Transparenz, attraktive Dienste oder größere Rechtsicherheit.
Zudem werden wir prüfen, ob aus den aktuellen Urteilen inhaltlich auf die Verpflichtung zur Speicherung von Vorratsdaten Konsequenzen für dieses Gesetzgebungsverfahren gezogen werden müssen.
Parallel zum vorliegenden Gesetzentwurf hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen vorgelegt, in dem weitere Änderungen des Telekommunikationsgesetzes enthalten sind. Werbung mit unerwünschten Telefonanrufen sind ein großes Ärgernis für viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Bereits nach heutiger Rechtslage ist sie rechtswidrig. Mit dem Gesetzentwurf soll es Kunden ermöglicht werden, sich von bestimmten, insbesondere am Telefon geschlossenen Verträgen durch einen Widerruf zu lösen. Zudem sollen Verstöße gegen das bestehende Verbot der unerlaubten Telefonwerbung künftig mit einer Geldbuße geahndet werden. Auch diese Gesetzesinitiative stärkt somit die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher und findet die Unterstützung der Koalitionsfraktionen.