Artikel von Martin Dörmann aus der Berlin Depesche Nr. 46 zur politischen Situation in Hessen

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Die Verursacher der hessischen Blockade

Das Vorhaben, Ypsilanti mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin zu wählen, ist hoch problematisch – die Mitschuld von CDU und FDP an der politischen Krise in Hessen darf darüber aber nicht vergessen werden

Monate nach der Landtagswahl ist es den Parteien in Hessen immer noch nicht gelungen, die politische Blockade zu durchbrechen und eine neue, stabile Regierungsmehrheit zu bilden. Auch wenn zuvor noch die genauen Bedingungen zu klären sind und einige SPD-Regionalkonferenzen anstehen, die dies diskutieren werden, so strebt Andrea Ypsilanti offensichtlich an, sich mit Hilfe der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen.

Das hat die SPD in ein tiefes Dilemma gestoßen. Denn schließlich hat Ypsilanti den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl zugesagt, nicht auf die Unterstützung der Linkspartei zurück zu greifen. Ein Versprechen, das ihr vermutlich etliche Stimmen der Mitte gesichert und die Linkspartei relativ klein gehalten hat, das sie aber nun nicht halten will, um den Politikwechsel in Hessen durchzusetzen. Ich halte den von der Hessen-SPD eingeschlagenen Weg für falsch und hoch problematisch. Vor allem deshalb, weil hierdurch – jedenfalls in den Augen der Öffentlichkeit – nicht nur die Glaubwürdigkeit einer Person sondern der gesamten SPD in Frage gestellt wird.

Zudem erscheint die vorgesehene Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung durch die Linkspartei mit zusätzlichen Risiken behaftet, nicht nur wegen der denkbar knappen Mehrheit von einer Stimme. Die Linkspartei dürfte weiterhin geneigt sein, sich bei unbequemen Entscheidungen heraus zu halten und sich ganz auf Wohlfühlforderungen zu konzentrieren. Anders als in einer Koalition müsste sie nicht unmittelbar Verantwortung übernehmen – mit der Folge, dass sie eben nicht „entzaubert“ wird, wie in Berlin, sondern auch weiterhin den Habitus einer populistischen Oppositionspartei pflegen dürfte. Und wer kann ausschließen, dass es nicht im nächsten Jahr Lafontaine in den Kram passt, die SPD in Hessen an einem Symbolthema vor die Wand laufen zu lassen, um bei der Bundestagswahl zusätzlich zu punkten?

Für die SPD insgesamt bergen daher die hessischen Pläne mehr Risiken als Chancen. Wen wundert es also, dass die Führung der Bundespartei ungewohnt deutlich darauf hingewiesen und ihre tief skeptische Haltung dokumentiert hat. Tatsache ist aber auch, dass diese Frage alleine in dem Bundesland entschieden und verantwortet werden muss und es am Ende keine Möglichkeiten mehr gibt, von Berlin aus die Pläne zu stoppen.

Union und FDP werden natürlich weiterhin versuchen, aus dieser schwierigen Lage der SPD Kapital zu schlagen, nicht nur bei der bayerischen Landtagswahl. Leider wird in der Öffentlichkeit kaum darüber diskutiert, dass sowohl CDU als auch FDP eine gehörige Mitschuld für die verfahrene politische Situation in Hessen trifft. Sie ist derzeit von einer gegenseitigen Blockade der beiden Lager Union/FDP einerseits und SPD/Grüne andererseits geprägt. Die CDU-hörige FDP hat sich dabei mit ihrer Haltung, unter keinen Umständen eine Koalition mit der SPD einzugehen, selbst diskreditiert. Und Roland Koch hat mit rechter Stimmungsmache und einem ausländerfeindlichen Wahl­kampf entscheidend dazu beigetragen, die Gräben im Land weiter zu vertiefen. Der selbsternannte „brutalstmögliche Aufklärer“, tief verstrickt in die dubiosen Spendengeschichten der CDU, hat nun wirklich als Letzter das Recht, plötzlich den moralischen Zeigefinger zu heben. Leider sind sowohl die hessische CDU als auch die FDP nach wie vor Koch-abhängig und stehen tiefer im konservativen Lager, als jeder andere Landesverband in Deutschland.

Dies alles wird berücksichtigen müssen, wer das Vorgehen der SPD in Hessen gerecht beurteilen will. Das heißt nicht, alle Pläne gut zu heißen. Aber die SPD braucht sich den ramponierten hessischen Schuh auch nicht alleine anziehen.

Was folgt daraus für die Bundestagswahl 2009? Die SPD wird weiterhin argumentativ deutlich machen müssen, warum auf der Bundesebene eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei auf absehbare Zeit nicht möglich ist. Nicht nur aufgrund der abenteuerlichen Positionen in der Europa- und Außenpolitik, die Deutschland isolieren würden, sondern vor allem auch wegen der grundsätzlichen Weigerung der Linkspartei, seriöse Konzepte vorzulegen und Verantwortung zu übernehmen. Ich setze darauf, dass die Menschen dies erkennen und am Ende sehr wohl zwischen Bundes- und Landesebene differenzieren können.