Artikel von Martin Dörmann zur Kandidatur von Gesine Schwan aus der Berlin Depesche Nr. 44.

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Gesine Schwan hat das Zeug zu einer herausragenden Präsidentin

Wer Gesine Schwan einmal persönlich erleben durfte, weiß, warum die SPD sie als Kandidatin zur Bundespräsidentin nominiert hat. Die selbstbewusste Powerfrau gewinnt die Menschen mit Herz und Verstand, vermag sie gar zu begeistern. Sie ist eine „Menschenfängerin“ (Die Zeit, 29.5.2008), „bürgerlich, klug und heiter“ (Süddeutsche Zeitung, 27.5.2008). Für viele hat sie die Fähigkeit, „einer suchenden Gesellschaft Richtung zu geben“ (Frankfurter Rundschau, 27.5.2008).

Das waren auch die Gründe, warum die SPD die Universitätspräsidentin bereits 2004 gegen Horst Köhler ins Rennen geschickt hatte. Und zwar mit einem echten Achtungserfolg, gewann sie doch 40 Stimmen mehr als die damalige rot-grüne Koalition Sitze in der Bundesversammlung hatte. Hingegen fehlten Horst Köhler damals mindestens 18 Stimmen aus dem Lager von Union und FDP.

Bei der Bundesversammlung 2009 sind die Mehrheitsverhältnisse noch knapper, der Ausgang ungewiss. Nichts lag für die SPD also näher, als erneut Gesine Schwan zu nominieren, nachdem diese ihre Bereitschaft zu einer erneuten Kandidatur signalisiert hatte. Denn Horst Köhler ist kein Kandidat der Großen Koalition, er bleibt der Kandidat von Union und FDP, die nach der nächsten Bundestagswahl gemeinsam die Regierung stellen möchten.

Wahr ist: Horst Köhler ist ein populärer, respektabler und sympathischer Präsident, der seine Verdienste hat. Seine guten Umfragewerte hängen aber nicht zuletzt mit seiner Stellung zusammen – weil er überparteilich agieren kann und schon der Respekt vor dem Amt verhindert, dass er sich der Kritik so stellen muss wie andere Politiker.

Kritik gibt es aber durchaus, auch außerhalb des Parlaments. Als er seine erneute Kandidatur bekannt gab, kommentierte Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung am 23. Mai: „Horst Köhlers minutenlange Erklärung geriet zum Abbild seiner bisherigen Amtszeit: Zwar war der Blick des Präsidenten liebenswürdig verschmitzt, seine Rede aber war hölzern wie Hainbuche, und die ganze Kurzveranstaltung reichlich ungelenk. Man hätte sich gewünscht, sie hätte nicht stattgefunden, jedenfalls nicht so – ohne jede Aura, ohne Esprit, ohne Herzlichkeit.“

Und der Spiegel schrieb kürzlich über Köhler: „Der Mann, der die anderen Politiker für ihre Umfragesucht kritisiert, ist offenbar selbst der Umfragesucht verfallen.“ Denn auf die Frage, was seine Hinterlassenschaft sein könnte, habe er geantwortet: „Ich will ganz einfach sagen, dass die Leute mich sympathisch finden.“ Dabei sei das Projekt, das er haben müsste, ein anderes: „Die Demokratie leidet an Auszehrung, die Bürger sind in hohem Maße unzufrieden, die Wahlbeteiligung geht zurück, die Volksparteien verlieren dramatisch an Mitgliedern. So wie die Lage ist, gehört der Bundespräsident an die Seite der Politik, als Botschafter, als Brückenbauer zu den Bürgern. Er müsste dafür werben, dass sie sich nicht abwenden, obwohl der politische Betrieb kompliziert ist und oft unerfreulich wirkt. Er muss sich klar auf die Seite der Politik stellen, und von dort kann er auch hin und wieder die Politik kritisieren. Es darf für einen Präsidenten nicht heißen: Ich und die. Es muss heißen: Wir. Das macht einen Präsidenten vielleicht nicht populär, aber es macht ihn wichtig“ (Der Spiegel, Ausgabe 21/2008).

Auch aus diesem Grunde halte ich Gesine Schwan für die bessere Wahl. Sie hat das Zeug zu einer herausragenden Präsidentin, die wichtige gesellschaftliche Akzente setzen kann.

Die Bundespräsidentenwahl ist im Kern eine Persönlichkeitswahl. Deshalb wird Gesine Schwan auch um Stimmen aus anderen Parteien werben. Das ist in einer Demokratie nichts Verwerfliches. Irgendwelche politischen Geschäfte mit der Linken wird es hierbei nicht geben. Es war dennoch vorhersehbar, dass Union und FDP aus parteitaktischen Gründen sogleich die Gefahr rot-rot-grüner Bündnisse an die Wand malen. Natürlich wird sich die SPD dieser Debatte stellen müssen. Wir haben aber stets klar gemacht, dass eine Koalition mit der Linken nach der nächsten Bundestagswahl ausgeschlossen ist, weil auf der Bundesebene die inhaltlichen Differenzen auf absehbare Zeit unüberbrückbar sind. Mir ist bewusst, dass die SPD in dieser Frage bei Vielen Überzeugungsarbeit leisten muss, die daran heute noch zweifeln.

Es ist im Übrigen unserer demokratischen Kultur zu wünschen, dass die politische Debatte um die nächste Bundespräsidentschaft auf dem hohen Niveau geführt wird, das die Kandidatin, der Kandidat und das Amt verdienen.