Rede von Martin Dörmann im Bundestag am 10. April 2008 zur 2./3. Lesung des Koalitionsantrags „Breitbandversorgung in ländlichen Räumen schnell verbessern“

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Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
in Deutschland können wir uns über einen besonders dynamischen Breitbandmarkt freuen. Gerade im letzten Jahr sind fünf Millionen neue Breitbandanschlüsse hinzugekommen, insgesamt sind es nun fast 20 Millionen. Damit liegen wir an der Spitze Europas. Ein funktionierender Wettbewerb hat zu äußerst verbraucherfreundlichen Preisen geführt. Und auch die Qualität der Anschlüsse ist im europäischen Vergleich hervorragend. Diese überaus positive Bilanz wird jedoch dadurch getrübt, dass noch nicht> alle Regionen über ein adäquates Angebot für breitbandige Internetanschlüsse verfügen. Einige Gemeinden in eher ländlichen Räumen drohen abgekoppelt zu werden, so dass viele von einer „Digitalen Kluft“ sprechen. Etwa 2000 Gemeinden sind davon betroffen. Dabei nimmt die Bedeutung des Internets täglich zu. Gesellschaftliche Teilhabe der Menschen und die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten einer Kommune sind zunehmend abhängig von der Fähigkeit, ein breitbandiges Internetangebot zu nutzen. Ziel der Großen Koalition ist es, zu einer flächendeckenden Breitbandversorgung in Deutschland zu kommen und die weißen Flecken möglichst schnell zu schließen. Mit dem vorliegenden Antrag legen wir ein Maßnahmenbündel vor, das die Rahmenbedingungen hierfür entscheidend verbessert. Vorrangig setzen wir auf den dynamischen Wettbewerb und die Kreativität von Unternehmen und unterversorgten Gemeinden, passgenaue Lösungen für jede betroffene Region zu finden. Dies wollen wir durch die Verbesserung der Informationsgrundlagen sowie unterstützende und koordinierende Angebote für die betroffenen Kommunen fördern. Der seit 2005 bestehende Breitbandatlas der Bundesregierung soll präzisiert werden. Es soll eine „Task Force“ gebildet werden, die weiße Flecken genau lokalisiert und konkrete Lösungsmöglichkeiten aufzeigt. Beispiele erfolgreicher Kommunen sollen gebündelt über eine Internetplattform dargestellt werden, um Anregungen zu geben, passgenaue Lösungsmodelle zu erleichtern und das Zusammenwirken von Gemeinden und Unternehmen zu intensivieren. In den meisten Fällen hängt es entscheidend von der Initiative der Gemeindeverwaltung ab, die den eigenen Bedarf vor Ort abklären und Unternehmen aktiv ansprechen sollte.
Mit entsprechendem Engagement sind bereits heute in den allermeisten Fällen relativ schnell kreative Lösungen zu finden, wenn auch möglicherweise mit unterschiedlichen Bandbreiten. Dies belegen die bisherigen Erfahrungen. Einige von ihnen hat die Bundesregierung auf ihrer Homepage www.zukunft-breitband.de als „Bestpractice- Beispiele“ eingestellt. Es ist stärker als bisher ins Bewusstsein zu rücken, dass es inzwischen zahlreiche Alternativen zum DSL gibt, auch wenn diese Technik heute noch 95 Prozent der Anschlüsse in Deutschland abdeckt. Da DSL jedoch leitungsgebunden ist, rentiert sich für die Unternehmen ein Ausbau in dünn besiedelten Regionen oft nicht. Hier rücken insbesondere die modernen Funktechnologien in den Vordergrund, da über diese Breitbandanschlüsse kostengünstiger umzusetzen sind, insbesondere WLAN, WIMAX oder der UMTS-Standard HSDPA. Hinzu kommen die Angebote der Kabelnetzbetreiber. Im Prinzip überall verfügbar ist heute bereits die Satellitentechnologie, allerdings immer noch mit etwas höheren Kosten sowie Bandbreitennachteilen, insbesondere bei der Rückkanalfähigkeit. In vielen Fällen wird ein Mix unterschiedlicher Technologien in Betracht kommen. Die Möglichkeiten, über Funktechnologie Breitbandanschlüsse anzubieten, soll nach Auffassung der Großen Koalition durch eine möglichst effiziente Frequenzpolitik unterstützt werden. Dies bedeutet beispielsweise, bei der Vergabe von neuen Frequenzen, dort wo es sinnvoll ist, Ausbauverpflichtungen hinsichtlich der nicht vollständig angeschlossenen Gemeinden im Vergabeverfahren vorzusehen. Hier hinein spielt auch die Frage, wie wir die „Digitale Dividende“ nutzen, die durch die Umstellung des Rundfunks von der analogen auf die digitale Technik entstanden ist. Insofern müssen zunächst der Bestand und die Entwicklungsmöglichkeiten des Rundfunks gesichert sein. Soweit hierfür Frequenzbereiche nicht mehr gebraucht werden, sollten wir zügig und gründlich prüfen, inwieweit diese für den weiteren Breitbandausbau genutzt werden können. Denn die betroffenen Frequenzen liegen in einem niedrigen Frequenzbereich, der besonders kostengünstige Lösungen ermöglicht. Nach Vorstellung der Großen Koalition sollen staatliche Fördermittel ergänzend eingesetzt werden, wo sich der Ausbau ansonsten nicht rechnen würde. Neben EU-Fördermitteln stehen hierfür bereits Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung, die durch Ländermittel ergänzt werden. So stellt die Bundesregierung seit 2008 jährlich zehn Millionen Euro im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstrukturund Küstenschutz“ (GAK) bereit, zusätzlich ist auch eine Förderung aus den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GA) möglich. Wir sind zuversichtlich, dass mit den zuvor genannten Maßnahmen und technischen Entwicklungsmöglichkeiten die weißen Flecken in absehbarer Zeit beseitigt werden können.
Voraussetzung ist, dass alle Akteure ihre Hausaufgaben machen und zusammenwirken, von den Gemeinden über die Länder und den Bund bis hin zu den Unternehmen. Vorsorglich setzen wir uns für den Fall, dass dies wieder Erwarten nicht erreicht werden sollte, dafür ein, dass der EURechtsrahmen dahingehend abgeändert wird, dass die Aufnahme von Breitbandinternetanschlüssen als Universaldienst durch die Mitgliedsländer grundsätzlich ermöglicht werden sollte, sofern die EUKommission entsprechende Vorschläge entwickelt. Angesichts der bestehenden technischen Möglichkeiten und der Dynamik des Wettbewerbs wäre es jedoch verfrüht und unangemessen, bereits heute alleine die Einführung des Universaldienstes als Lösungsmodell anzubieten, zumal die Umsetzung aus v ielerlei Gründen kurzfristig kaum zu realisieren wäre. Von daher greift der Antrag der Fraktion „Die Linke“, der sich alleine hierauf bezieht, viel zu kurz undwäre sogar kontraproduktiv, weil er die schnelle Umsetzung alternativer Lösungen zunächst einmal behindern würde. Auch der Antrag der FDPFraktion ist völlig einseitig, da er lediglich auf die Verbesserung der Informationen über die weißen Flecken setzt. Diese ist zwar eine Voraussetzung und wird deshalb gerade auch im Antrag der Großen Koalition nachhaltig verfolgt, ist aber für sich genommen noch nicht die vollständige Lösung des Problems. Hingegen habe ich am Antrag der Grünen inhaltlich wenig auszusetzen, da er bis auf wenige Nuancen weitgehend auf den Antragsentwurf der Großen Koalition zurückgreift, der ihnen frühzeitig vorlag. Zusammenfassend lässt sich deshalb feststellen: Mit ihrem Antrag legt die Große Koalition ein umfassendes und realistisches Maßnahmenpaket vor, um möglichst schnell zu einer flächendeckenden Breitbandabdeckung in Deutschland zu gelangen. Wir wollen die „Digitale Kluft“ überwinden und in allen Regionen die gesellschaftliche Teilhabe der Menschen ermöglichen sowie die wirtschaftlichen Entwicklungspotentiale durch das Internet nutzen. Lassen Sie uns in einer gemeinsamen Kraftanstrengun g sicherstellen, dass wir die sozialen, kulturellen und ökonomischen Chancen nachhaltig nutzen. Deutschland soll nicht nur hinsichtlich der Quantität undQualität von Breitbandanschlüssen, sondern auch bei der Flächenabdeckung an der Spitze Europas stehen.