Rede von Martin Dörmann in der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 26. April 2007.

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Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch von mir zunächst ein herzlicher Glückwunsch an den Kollegen Börnsen, der hier und heute seinen Geburtstag mit uns feiern kann. Ich muss sagen: Für mich ist das ein kleiner Kulturschock. Ich komme nämlich gerade aus der Anhörung zum Thema Killerspiele.

(Heiterkeit)

Daher bin ich in dieser Runde natürlich bestens aufgehoben, um das ein bisschen zu konterkarieren.
Deutschland ist eine Kulturnation und wirtschaftlich stark. Aber erst in den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass unsere Kulturwirtschaft einen besonderen Stellenwert hat. Im Kultursektor sind mehr als 800 000 Menschen beschäftigt. Der Kultursektor hat 2004 etwa 36 Milliarden Euro zur Bruttowertschöpfung in Deutschland beigetragen und einen Gesamtumsatz von 82 Milliarden Euro erzielt, jedenfalls dann, wenn man dem Abgrenzungsmodell des privat organisierten Arbeitskreises Kulturstatistik folgt.
Nach dieser Definition reicht die Kulturwirtschaft von den darstellenden und bildenden Künsten über die Literatur und Musik bis hin zur Filmwirtschaft und zum Verlagsgewerbe – um nur einige Branchen zu nennen. Allerdings gibt es – ich denke, das wurde auch in der heutigen Debatte deutlich gemacht – weder auf der nationalen noch auf der internationalen Ebene eine verbindliche Definition des Begriffes Kulturwirtschaft. Deshalb schwirren hier heute so viele Zahlen herum. Ich denke, auch insofern gibt es einigen Klärungsbedarf, den man befriedigen muss.
Die Große Koalition will mit ihrem Antrag die Bedeutung der Kulturwirtschaft als eigenständigem Wirtschaftsfaktor anerkennen und in ihrer Entwicklung unterstützen. Wir wollen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Kunst und Kultur in unserem Land gedeihen und zusätzliche Arbeitsplätze entstehen können. In diesem Sinne müssen Kulturpolitik und Wirtschaftspolitik für den Bereich der Kulturwirtschaft miteinander verbunden und verzahnt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der CDU/CSU)

Kultur und Wirtschaft sind keine Gegensätze, sondern oft zwei Seiten einer Medaille, wie wir das in dem Antrag in einem Satz ausgedrückt haben:
Mit Kultur lässt sich Geld verdienen, und mit Geld lässt sich Kultur machen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Satz stammt nicht von mir, aber ich denke, er ist wirklich glänzend.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Er ist perfekt geklaut!)

Gleichzeitig ist uns allerdings klar, dass Kultur auch unabhängig von ökonomischen Überlegungen ein wichtiges Gut und eine Voraussetzung für ein lebendiges Gemeinwesen ist. Wir wissen, dass manche Künstler und Kreative von ihrem Selbstverständnis her wirtschaftlichen Fragen sogar eher ein wenig reserviert und kritisch gegenüberstehen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie wissen, wovon Sie sprechen, Herr Kollege!)

Ich will hier aber noch einmal deutlich machen: Uns geht es in keiner Weise darum, die Freiheit der Kulturschaffenden in irgendeiner Weise durch Regularien einzuengen, sondern ganz im Gegenteil: Wir wollen sie in ihrer Unabhängigkeit unterstützen; denn gerade im Bereich der Kulturwirtschaft gibt es ja viele Freiberufler und kleine Unternehmen, deren wirtschaftliche Situation schwierig ist, sodass sie gar nicht dazu kommen, ihre Kreativität und ihre wirtschaftliche Dynamik zu entwickeln.
Wir wollen, dass gerade in diesem Bereich gezielter als bisher gefördert werden kann. Beispielsweise wollen wir bestehende Existenzgründerprogramme und Beratungsprogramme stärker auf die speziellen kulturwissenschaftlichen Anforderungen ausrichten. Gleiches gilt für die Mittelstandspolitik. Daneben wollen wir die Finanzierungsmöglichkeiten für kulturwirtschaftliche Unternehmen verbessern. Ich denke hier beispielsweise an die Förderprogramme der Kreditanstalt für Wideraufbau, die ganz hervorragende Leistungen in vielen Bereichen vorzuweisen hat. In diesem künstlerischen Bereich ist sicherlich auch noch einiges möglich.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das werden wir sorgfältig prüfen!)

Wir müssen aber auch immer an die Schattenseite der Wirtschaft und vielleicht auch schwierige wirtschaftliche Situationen denken. Viele Künstler bewegen sich in einem schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Umfeld und befinden sich in einer Situation, in der sie darauf angewiesen sind, Unterstützung zu erhalten. Es gibt beispielsweise Berufe – denken wir an die Schauspieler -, in denen es nur Engagements über mehrere Monate gibt, sodass man gar nicht auf ein volles Arbeitsjahr kommt. Daraus ergeben sich besondere soziale Probleme. Auch denen muss man gerecht werden. Das betrifft viele Bereiche der Sozialversicherungen. Deshalb bin ich ganz froh, dass kürzlich mit der Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes wenigstens in diesem Bereich ein gewisser Fortschritt erzielt worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen aber nach wie vor beispielsweise auch die Alterssicherung der Selbstständigen sehr im Auge behalten. Sie wissen: Im Bereich der Kulturwirtschaft gibt es besonders viele Selbstständige, nämlich etwa 25 Prozent. Im Gegensatz dazu sind es in der Privatwirtschaft nur zehn Prozent. Das zeigt schon einmal, dass hierauf ein besonderer Fokus unserer Sozialpolitik liegen muss.
Wir wissen, dass die Kulturpolitik und die Förderung der Kulturwirtschaft in erster Linie Sache der Länder und Kommunen sind. Gerade im Bereich der Kulturwirtschaft gibt es jedoch eben auch eine Vielzahl von Verzahnungen mit dem Bundesrecht. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass auch der Bund seiner politischen Verantwortung an dieser Stelle gerecht wird. Eine wirksame Politik für die Kulturwirtschaft muss vom Bund und den Ländern gemeinsam getragen werden. Vor diesem Hintergrund wollen wir, dass es einen regelmäßigen bundeseinheitlichen Kulturwirtschaftsbericht gibt, der aber in Abstimmung mit den Ländern herzustellen ist.

(Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Das ist vernünftig!)

In der Debatte ist erwähnt worden, dass wir Europa stärker in unseren Fokus nehmen müssen. Deshalb bin ich sehr dankbar dafür – ich will das für unsere Fraktion noch einmal ausdrücklich erwähnen -, dass es im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft gelungen ist, diesen Fokus auch im Bereich der Europäischen Union herzustellen. Dort will man einen Aktionsplan erarbeiten. Ich glaube, wir haben in der heutigen Debatte deutlich gemacht, dass wir an der einen oder anderen Stelle in Europa sogar Vorreiter sind. Ich hoffe, dass dies auf diese Ebene weitergetragen werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr gut!)

Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Große Koalition will die Kulturwirtschaft als Motor für Wachstum und Beschäftigung stärken, die wirtschaftliche und soziale Situation der Kulturschaffenden verbessern und die wichtige Rolle der Kultur für unser Gemeinwesen unterstreichen. Hierfür und für unseren Antrag bitte ich um Ihre Unterstützung.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr gute Rede!)


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Dr. Lothar Bisky hat das Wort für Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)