Rede von Martin Dörmann in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am 9. März 2007.

Rede als Download

Rede als Stream
Modem / ISDN / ADSL

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Obwohl die Arbeitslosenzahl im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 800.000 zurückgegangen ist, werden wir immer wieder von Meldungen aufgeschreckt, nach denen gerade deutsche Großunternehmen in erheblichem Umfang Personal abbauen. Aktuelle Beispiele sind Allianz, Schering, die Deutsche Bank oder Airbus. Die Hintergründe sind jeweils sehr unterschiedlich. Gemeinsam haben sie, dass die Ursachen für den Abbau von Arbeitsplätzen im Unternehmen selbst bzw. im Marktumfeld liegen. Sie sind also weder von den Beschäftigten noch von der Politik zu verantworten. Bei einigen Unternehmen spielen gravierende Managementfehler eine entscheidende Rolle. In einigen Fällen wird Personal abgebaut, obwohl die Ertragslage des Unternehmens sehr gut ist.
Die SPD fordert deshalb gerade die Großunternehmen auf, ihrer Verantwortung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerecht zu werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Oft wird – aus unserer Sicht: zu früh und zu einseitig – vor allem im Personalabbau das Allheilmittel für größere Produktivität gesehen. Stattdessen sollten mehr und rechtzeitig gezielte Innovationen, intelligente Produktentwicklungen, stetige Weiterbildung der Beschäftigten und andere Maßnahmen der Beschäftigungssicherung durchgeführt werden. Insofern brauchen wir einen deutlichen Mentalitätswechsel zumindest in einem Teil der Wirtschaft; denn nicht der Abbau, sondern der Erhalt von Arbeitsplätzen sollte oberste Priorität haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

In der aktuellen Debatte in den letzten Tagen spielt der geplante Personalumbau bei der Deutschen Telekom AG eine besondere Rolle. Deshalb möchte ich hierauf etwas näher eingehen. Erinnern wir uns: Die Privatisierung der Telekom und die Öffnung des Telekommunikationsmarktes haben zu einem scharfen Wettbewerb und zu deutlich günstigeren Preisen für die Verbraucherinnen und Verbraucher geführt. Es geht um Absenkungen von bis zu 96 Prozent. Heute zahlen wir beispielsweise für ein Inlandsgespräch nicht mehr 30 Cent wie 1997, sondern gerade einmal 1 Cent. Parallel dazu sank die Zahl der Beschäftigten bei der Telekom innerhalb Deutschlands von 255.000 im Jahr 1990 auf 166.000 im Jahr 2006, während bei den Wettbewerbern etwa in gleichem Umfang Beschäftigung aufgebaut wurde. Der Personalabbau bei der Telekom erfolgte stets – das ist ganz besonders wichtig – sozialverträglich, das heißt ohne betriebsbedingte Kündigungen, durch natürliche Fluktuation oder durch freiwillige Instrumente. Ich denke, dies ist ein positives Beispiel dafür, dass man auch einen schwierigen Strukturwandel sozial gestalten kann.

Der Bund ist noch zu knapp 32 Prozent Anteilseigner; das wurde gerade erwähnt. Auch wenn der Bund schon aus aktienrechtlichen Gründen nicht direkt in unternehmerische Entscheidungen eingreifen kann, hat seine Beteiligung doch indirekt dazu beigetragen, dass der Stellenabbau – im Gegensatz zu manch anderen Unternehmen – sozialverträglich erfolgte. Auch unter diesem Gesichtspunkt sollte der Bund – nach Ansicht der SPD-Fraktion Fraktion – auf absehbare Zeit mindestens 25,1 Prozent der Aktienanteile an der Telekom behalten, um eine Sperrminorität sicherzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Von dem geschilderten Personalabbau zu unterscheiden sind die aktuellen Umbaupläne bei der Telekom. Sie zielen auf eine bessere Servicequalität, Beschäftigungssicherung und Kostensenkungen ab. Ein zentraler Punkt dieses Konzepts ist die Gründung von drei neuen Gesellschaften unter der Bezeichnung T-Service. Geplant ist insbesondere die Überführung von bis zu 50.000 Beschäftigten zu T-Service, die allerdings weiterhin – das ist wichtig – unter dem Dach des Konzerns bleiben sollen. Es geht also nicht um einen weiteren Personalabbau, sondern um einen Umbau innerhalb des Konzerns. Die Unternehmensleitung erhofft sich hierdurch eine bessere Wettbewerbsfähigkeit angesichts von 2 Millionen Kunden, die die Telekom alleine 2006 im Festnetzbereich verloren hat.
Es ist allerdings mehr als verständlich, dass die Beschäftigten die bei T-Service geplanten Einsparungen bei den Personalkosten durch längere Arbeitszeiten und eine Absenkung des Entgeltes kritisch sehen. Es ist nun Sache der Tarifvertragsparteien, die konkreten Arbeitskonditionen bei T-Service zu vereinbaren.
In politischer Hinsicht ist aber zu wünschen, dass bei den anstehenden Tarifverhandlungen gemeinsame Lösungen gefunden werden, die sowohl den Interessen der Beschäftigten als auch der Wettbewerbssituation der Deutschen Telekom gerecht werden müssen. Meiner Ansicht nach darf es aber nicht zu radikalen Einschnitten bei den Beschäftigten kommen. Denn es kann nicht Ziel sein, einen Lohnwettkampf nach unten zu führen. Außerdem braucht die Telekom auch weiterhin motivierte Beschäftigte.
Es ist aber angesichts der schwierigen Marktsituation, in der sich die Telekom befindet, unrealistisch, davon auszugehen, dass keinerlei Veränderungen notwendig sind. Man wird abwarten müssen, was die anstehenden Tarifverhandlungen ergeben. Ich hoffe auf gemeinsam getragene Lösungen.
Immerhin gibt es ein positives Signal bei den Auszubildenden. Die Deutsche Telekom und Verdi haben sich darauf verständigt, dass auch 2007 wieder 4.000 junge Menschen neu eingestellt und mindestens 1.000 Nachwuchskräfte vor allem in den Serviceeinheiten übernommen werden. Damit ist die Telekom nach wie vor das Unternehmen mit den meisten Auszubildenden in Deutschland.
Ich denke, diese Einigung gibt Hoffnung. Sie sollte auch Vorbild für andere sein.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)