Kategorie Rede

Rede von Martin Dörmann in der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 18. Januar 2007.

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Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Otto, zunächst einmal bedanke ich mich für das Angebot, das Sie unterbreitet haben. Auf dieses Angebot werden wir im Laufe des Jahres sicherlich zurückkommen.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Ich bin beglückt!)

Ich bedanke mich insbesondere für die Zustimmung der FDP zu unserem Gesetzentwurf. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bedeutung des Internets für Wirtschaft und Verbraucher nimmt täglich zu. Ende 2006 verfügten rund 68 Prozent der erwachsenen Deutschen über einen Internetzugang. Die Anwendungen im Internet sind vielfältig. Fast drei Viertel der deutschen Internetnutzer stellten Preisvergleiche an. 60 Prozent kauften Produkte und Dienstleistungen. 50 Prozent tätigten ihre Bankgeschäfte online. Millionen besuchen täglich Suchmaschinen und Internetforen. Allein bei Ebay sind in Deutschland 20 Millionen Mitglieder registriert. Dort werden alle 50 Sekunden eine Digitalkamera, alle 2 Minuten ein Fahrzeug und täglich immerhin 13 Bagger verkauft. Die Bedeutung der Internetbranche als wichtiger Zukunfts- und Wachstumsmarkt in Deutschland wird weiterhin steigen. Die neuen Möglichkeiten schaffen jedoch auch vielfältige praktische und rechtliche Problemstellungen. Neue Kommunikationsforen und Geschäftsmodelle sowie die massenhafte Nutzung des Internets stellen besondere Herausforderungen dar. Wir alle wollen, dass im Internet kein rechtsfreier Raum entsteht und dass rechtswidrige Handlungen auch dort wirksam bekämpft werden können. Zugleich sind wir darauf angewiesen, dass mit den von uns gewonnenen Daten sorgfältig umgegangen wird. Es darf nicht zum gläsernen Menschen kommen. Schließlich geht es auch darum, die Offenheit und Meinungsvielfalt dieses neuen Mediums zu bewahren und zu befördern.Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stellt sich die Bundesregierung diesen Herausforderungen. Im Kern geht es dabei um das neue Telemediengesetz. In ihm sind jetzt die grundlegenden wirtschaftsbezogenen Regelungen sowohl für die Tele- als auch für die Mediendienste zusammengefasst, die bislang in unterschiedlichen Gesetzen bzw. im Mediendienste-Staatsvertrag normiert wurden. Die bisherige Unterscheidung hat sich angesichts der immer weiter fortschreitenden Konvergenz im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie weitgehend überlebt. Mit diesem Gesetz wird jetzt ein vereinfachter, einheitlicher und entwicklungsoffener Rechtsrahmen geschaffen, durch den die komplizierte Abgrenzung entfallen kann. Das schafft mehr Klarheit und Rechtssicherheit sowohl für die Nutzer als auch für die Diensteanbieter.Mit dem Telemediengesetz wird zudem ein übergreifendes und einheitliches Datenschutzkonzept für Rundfunk und Telemedien in Abgrenzung zum Datenschutz für Telekommunikation normiert. Das soll ebenfalls zusätzliche Rechtssicherheit schaffen. Diesem Ziel dienen auch die klarer geregelten Befugnisse der Diensteanbieter zur Auskunftserteilung über Nutzerdaten. Es wurde gerade schon erwähnt: Ein besonderes Ärgernis im Internet ist das sogenannte Spamming, also das Senden unerwünschter E-Mails. Schutzvorschriften gibt es bereits in mehreren Gesetzen. Einerseits gibt es strafrechtliche Verbote und Sanktionen. Zudem gibt es im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zivilrechtliche Vorschriften. So können beispielsweise Verbraucherverbände gegen Spammer gerichtlich vorgehen, insbesondere auch durch schnell wirksame einstweilige Verfügungen. Die bereits bestehenden Anti-Spam-Vorschriften werden nun in dem neuen Telemediengesetz um einen Ordnungswidrigkeitentatbestand erweitert. Danach kann mit einem Bußgeld in Höhe von 50 000 Euro belegt werden, wer in der Kopf- oder Betreffzeile einer Werbe-E-Mail den kommerziellen Charakter der Nachricht absichtlich verschleiert oder verheimlicht. In der vom Wirtschaftsausschuss durchgeführten Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf hat sich im Wesentlichen zweierlei ergeben: Einerseits gibt es für die Zusammenführung der Vorschriften in einem einheitlichen Telemediengesetz eine einhellige Zustimmung, übrigens auch hier im Hause; Kollege Otto hat darauf hingewiesen. Andererseits werden bezüglich einiger Detailregelungen Verbesserungsvorschläge unterbreitet, wobei diese Vorschläge jedoch sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob die Experten eher die Gesichtspunkte des Verbraucherschutzes und des Datenschutzes oder die Interessen von verschiedenen Unternehmen vertreten. Bei der Anhörung wurden insbesondere folgende Fragestellungen beleuchtet: Ist eine noch schärfere Antispamregelung sinnvoll und zielführend, auch vor dem Hintergrund, dass etwa 85 Prozent der Spammails aus dem Ausland versendet werden, sodass ein direkter Zugriff auf die Absender faktisch nicht möglich ist? Bedarf es einer Präzisierung der Datenschutzvorschriften? Müssen einzelne Begriffsbestimmungen gesetzlich noch näher definiert werden? Und schließlich: Müssen die Verantwortlichkeitsvorschriften im Telemediengesetz, die gegenüber dem geltenden Recht unverändert geblieben sind, weiterentwickelt werden?

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Machen wir es doch!)

Gerade der letztgenannte Bereich der Verantwortlichkeit kennzeichnet einen wichtigen und entscheidenden Zielkonflikt. Einerseits wird in Teilen der Internetwirtschaft das Bedürfnis gesehen, einzelne Diensteanbieter, beispielsweise Suchmaschinen, von Verantwortlichkeiten möglichst freizustellen, unter anderem mit der Begründung, man könne anhand der Vielzahl der potenziellen Fälle das Problem nur schwer handhaben. Andererseits stehen dem die berechtigten Interessen der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber, die beispielsweise Unterlassungsansprüche aufgrund der Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder auch Eigentumsrechten wirksam geltend machen wollen. Eines ist klar: Allein vor der Masse dürfen wir nicht kapitulieren, wenn es um Rechtsverstöße geht. Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Probleme betreffen einen zentralen Bestandteil der Umsetzung der europäischen E-Commerce-Richtlinie, der hier einschlägig ist. Hierzu wird gerade eine Studie der EU erarbeitet, die bis Mitte 2007 fertiggestellt sein soll. In ihr werden die Erfahrungen der einzelnen Mitgliedsländer mit den Verantwortlichkeitsvorschriften ausgewertet. Die Koalitionsfraktionen haben bereits im Wirtschaftsausschuss deutlich gemacht, dass sie die in der Anhörung aufgeworfenen Fragen, Herr Otto, sehr ernst nehmen

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Wir auch!)

und an der einen oder anderen Stelle durchaus Präzisierungs- und Änderungsbedarf sehen. Dennoch haben wir darauf verzichtet, bereits in diesem Gesetzgebungsverfahren wesentliche Änderungen an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vorzunehmen, und uns in unserem Änderungsantrag auf wenige, nicht so gravierende Punkte beschränkt. Dies hat einen besonderen Grund: In dem Telemediengesetz fassen wir nämlich die wirtschaftsbezogenen Vorschriften bei den Tele- und Mediendiensten zusammen, während die medienrechtlichen Bestimmungen im neunten Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien normiert sind, der am 1. März dieses Jahres in Kraft tritt. Bund und Länder hatten sich nämlich im Vorfeld darauf verständigt, gemeinsam für einen entsprechenden rechtlichen Rahmen zu sorgen, um auch hier eine klare Zuordnung vorzunehmen. Um aber keinen rechtsfreien Raum zu schaffen, müssen das Telemediengesetz und der Rundfunkstaatsvertrag zur gleichen Zeit in Kraft treten. Dies stellen wir mit der heutigen Verabschiedung des Telemediengesetzes sicher. Würden wir in diesem Gesetzgebungsverfahren wesentliche Änderungen an dem Gesetzentwurf vornehmen, müssten diese bei der EU notifiziert werden, was zu erheblichen Zeitverzögerungen führen würde, sodass ein gleichzeitiges Inkrafttreten nicht mehr möglich wäre. Deshalb, sehr geehrter Herr Otto, haben sich die Koalitionsfraktionen dafür entschieden, zusätzliche Änderungswünsche in diesem Gesetzgebungsverfahren zunächst zurückzustellen. Wir tun dies übrigens guten Gewissens, weil das neue Telemediengesetz zu einer deutlichen Verbesserung gegenüber dem heutigen Rechtszustand führt, was letzten Endes unbestritten ist. Bei der späteren Novellierung können wir dann die Ergebnisse der aktuellen EU-Studie zur E-Commerce-Richtlinie berücksichtigen, aus der sich aller Voraussicht nach ohnehin Änderungsbedarf ergeben wird. Mit dem neuen Telemediengesetz schaffen wir erstmals einen einheitlichen Rechtsrahmen für Tele- und Mediendienste. Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Rechtssicherheit, und es ist ein wirksamer Beitrag für die Fortentwicklung des Internets. Das ist letztendlich gut für uns Nutzer und für die positive Entwicklung der Internetwirtschaft. Daher bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)