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Rede von Martin Dörmann in der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 21. September 2006.

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Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Bereich der Telekommunikation zählt zu den dynamischsten Wirtschaftszweigen. Er ist ein wichtiger Motor für Innovation und Wachstum in Deutschland. Wir als Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren hiervon, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Neue Produkte und Anwendungen bereichern unsern Lebensalltag. Zudem freuen wir uns über sinkende Telefonpreise aufgrund des funktionierenden Wettbewerbs. Die SPD will, dass dies so bleibt und dass die Erfolgsgeschichte der Telekommunikation in Deutschland fortgeschrieben wird.

(Beifall bei der SPD)

Diesem übergeordneten Ziel dient der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Er stärkt den Verbraucherschutz und will die Rahmenbedingungen für zusätzliche Investitionen und Innovationen verbessern.
Lassen Sie mich zunächst auf die Gesichtspunkte des Verbraucherschutzes eingehen. Von einem funktionierenden Verbraucherschutz profitieren nicht nur die Kunden. Auch die Telekommunikationsunternehmen werden ihre Produkte nur dann dauerhaft und erfolgreich platzieren können, wenn die Menschen wissen, dass sie nicht abgezockt werden. Es ist gut, dass die Branche insgesamt dies erkannt hat und Verbraucherschutz durch Selbstverpflichtungen umsetzt. Dennoch bedarf es klarer gesetzlicher Regelungen, um schwarzen Schafen von Anfang an keine Chance zu geben und die Kunden vor Übervorteilung und Verschuldung zu schützen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unter diesen Gesichtspunkten werden wir im neuen Telekommunikationsgesetz bereits bestehende Kundenschutzregelungen neuen Geschäftsmodellen anpassen und sie weiter verbessern. Wir wollen mehr Preistransparenz, mehr Kostenkontrolle und Jugendschutz. Die Regelungen reichen beispielsweise von Preisobergrenzen und Preisansagepflichten bei Mehrwertdiensten bis hin zu einem besseren Zugang behinderter Menschen zu Telekommunikationsleistungen.

(Otto Fricke (FDP): Menschen mit Behinderungen!)

Ich möchte einen zweiten Punkt erwähnen, der bislang weniger im Fokus der öffentlichen Debatte steht, mir aber dennoch wichtig ist. Es geht um die Entschädigung von Unternehmen, die im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsarbeiten in Anspruch genommen werden, indem sie den Behörden bestimmte Daten zur Verfügung stellen. Dadurch entstehen den Unternehmen nicht unerhebliche Kosten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht hierzu eine vernünftige Regelung zur gesetzlichen Anknüpfung der noch zu beschließenden Verordnung an das TKG vor.
Im Hinblick auf die im nächsten Jahr anstehende gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung haben die Koalitionsfraktionen bereits im Bundestagsbeschluss vom 16. Februar dieses Jahres deutlich gemacht, dass wir eine angemessene Entschädigung der Unternehmen sicherstellen werden. Dies will ich noch einmal bekräftigen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In der aktuellen Debatte hat die Frage, ob und inwieweit neue Märkte im Bereich der Telekommunikation reguliert werden sollen, eine besondere Bedeutung. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf geeinigt, insbesondere Anreize für den Aufbau bzw. Ausbau moderner und breitbandiger Telekommunikationsnetze zu schaffen. Zu diesem Zweck sollen entsprechende Investitionen für einen gewissen Zeitraum von Regulierungseingriffen freigestellt werden, um dem Investor die notwendige Planungssicherheit zu geben.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Was ist der neue Markt?)

Dies soll jedoch nur für solche Investitionen gelten, durch die neue Märkte entstehen. Herr Kollege Otto, es handelt sich nicht um eine Lex Telekom,
(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Ich erinnere an die Koalitionsvereinbarung!)
sondern um ein Gesetz, das wir allgemein gültig formulieren müssen und das entsprechende Anforderungen enthält.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Jetzt lügen wir uns nicht in die Tasche!)

Ganz wichtig ist, dass es keinesfalls darum geht, Regulierung prinzipiell infrage zu stellen. Im Gegenteil, gerade die Regulierung im Telekommunikationsmarkt war und ist eine echte Erfolgsgeschichte. Die gesetzlich verankerten Ma�nahmen der Regulierungsbeh�rde, also der Bundesnetzagentur, haben in entscheidendem Ma�e dazu beigetragen, dass wir im Telekommunikationsmarkt einen funktionierenden Wettbewerb haben, durch den die Kunden erheblich profitieren, insbesondere durch dramatisch gesunkene Preise f�r das Telefonieren oder f�r das Surfen im Internet.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Dann brauchen wir doch nicht einzugreifen!)

Dennoch sind die Umsatzerl�se im TK-Bereich seit Beginn der Liberalisierung deutlich gestiegen, nicht zuletzt deshalb, weil Innovationen und neue Produkte hinzugekommen sind. Der Wettbewerb funktioniert also und wir wollen ihn erhalten.

(Otto Fricke (FDP): Dann darf man auch keine Ausnahme machen!)

Gerade weil die Regulierung in Deutschland jedoch so erfolgreich ist, gibt es an einer anderen Stelle ein Problem, �ber das wir reden m�ssen, n�mlich bei einem neuen, gerade erst entstehenden Markt, der zun�chst hohe Investitionen in neue Infrastrukturen erfordert. Hier ist das Gleichgewicht zwischen dem Risiko einerseits und dem m�glichen Ertrag f�r das Unternehmen andererseits fraglich. F�r das investierende Unternehmen lohnt sich das Investment m�glicherweise nicht, wenn es sofort reguliert wird. Denn Regulierung bedeutet erheblich geringere M�glichkeiten, f�r ein neues Produkt einen guten Preis zu erzielen. In einem neuen Markt liegt das spezifische Investitionsrisiko gerade darin, dass sich die Akzeptanz der neuen Produkte erst erweisen muss und sich nur schwer absch�tzen l�sst.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Wo sind denn die neuen Produkte?)

Dies kann letzten Endes den Vorteil einer solchen Investition von vornherein infrage stellen. Die Konsequenz w�re – ich wei� nicht, ob Sie das wollen -: Das Unternehmen investiert gerade nicht und es entstehen keine neuen Arbeitspl�tze.
Diese Folge gilt es zu vermeiden. Aus diesem Grunde sieht bereits der europ�ische Rechtsrahmen vor, dass in Bereichen neuer M�rkte zun�chst nicht reguliert wird, um Investitionen nicht zu behindern. Ich finde es schade, dass das in der �ffentlichen Diskussion und leider auch von manchen Diskutanten, Herr Otto, �bersehen wird.
Genau darum geht es im Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der neue � 9 a des TKG sieht vor, dass neue M�rkte nur dann in die Marktregulierung einbezogen werden sollen, wenn ansonsten ein nachhaltig wettbewerbsorientierter Markt langfristig behindert w�rde. Damit ist das Spannungsverh�ltnis, um das es hier geht, beschrieben.

Vizepr�sidentin Katrin G�ring-Eckardt:
Herr Kollege, w�ren Sie mit einer Zwischenfrage des Kollegen Fricke einverstanden?
Martin D�rmann (SPD):
Gerne.
Vizepr�sidentin Katrin G�ring-Eckardt:
Bitte sch�n.
Otto Fricke (FDP):
Herr Kollege, ich gestehe Ihnen ja zu, dass Sie Gutes wollen. Aber weil Sie wiederholt die Begriffe „neue Produkte“ und „neue M�rkte“ verwendet haben – bei den neuen M�rkten kann ich mich Ihnen sogar vollkommen anschlie�en -, frage ich ausdr�cklich: Wo grenzen Sie zwischen einem neuen Produkt und einem neuen Markt ab? Ist f�r Sie zum Beispiel VDSL ein neues Produkt oder er�ffnet es gleichzeitig auch einen neuen Markt?
Martin D�rmann (SPD):
Herr Kollege, ich bin f�r die Zwischenfrage dankbar.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Verl�ngert die Redezeit!)

Wir wollen nicht nur Gutes, wir tun auch Gutes.
Die Frage, die Sie stellen, wird nicht der Gesetzgeber alleine zu entscheiden haben, sondern wir werden in der Regulierungsbeh�rde am Ende auch eine Entscheidung zu treffen haben. Wir werden uns als Gesetzgeber sicherlich der Diskussion stellen m�ssen, inwieweit wir beispielsweise definieren m�ssen, was neue M�rkte sind. Aber das muss, wenn wir dar�ber �berhaupt diskutieren, technikneutral sein. Es kann nicht einzig und allein auf den Einzelfall bezogen sein. Deshalb stellt sich diese konkrete Frage im laufenden Gesetzgebungsverfahren in einem bestimmten Licht, sicherlich aufgrund aktueller Ereignisse; aber der Gesetzgeber muss eine Regelung finden, die allgemein g�ltig ist.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): K�nnen wir den neuen Markt denn noch pr�zisieren?)

Ich komme auf diesen Gesichtspunkt �brigens gleich noch einmal zu sprechen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich habe gerade gesagt, dass das Spannungsverh�ltnis, um das es hier geht, in � 9 a beschrieben ist. Einerseits sollen Investitionen in eine effiziente Infrastruktur gef�rdert und Innovationen unterst�tzt werden. Andererseits darf eine hieraus folgende Regulierungsfreistellung nicht dazu f�hren, den Wettbewerb auf Dauer auszuhebeln. Wir werden im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu pr�fen haben, ob diese beiden Ziele durch die vorliegende Gesetzesformulierung schon optimal umgesetzt sind oder ob es im Detail noch �nderungsbedarf gibt.
Folgende Fragestellungen sollten hierbei aus meiner Sicht ber�cksichtigt werden – das ist speziell an die FDP gerichtet, deren Mitglieder sich gerade unterhalten -:

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Nein, ich lausche!)

Was ist erforderlich, damit Deutschland hinsichtlich der technischen M�glichkeiten nicht hinter vergleichbaren Staaten zur�ckbleibt und alle Potenziale f�r Innovationen wirklich genutzt werden? Wie stellen wir im Bereich neuer M�rkte sicher, dass Investitionen nicht allein deshalb unterbleiben, weil durch eine zu fr�hzeitige Regulierung die notwendige Berechenbarkeit f�r das investierende Unternehmen von vornherein nicht gegeben ist? Ist es sinnvoll, den Begriff des neuen Marktes technikneutral gesetzlich zu definieren, um die Planungssicherheit zu erh�hen?

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Aha! So ist das also!)

Schlie�lich: Mit welcher Regelung k�nnen wir einerseits dem europ�ischen Rechtsrahmen gen�gen und andererseits nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb in den bereits bestehenden M�rkten vermeiden?

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Das waren also die Fragen! Und was ist mit den Antworten?)

Um diese und andere Fragen wird es im parlamentarischen Verfahren der n�chsten Wochen und in der hierzu vorgesehenen Anh�rung gehen. Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen, auch die von der FDP, ein, daran teilzunehmen.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Das werden wir tun! Keine Sorge!)

Ich denke, wir werden interessante Diskussionen f�hren.
Wir als Regierungskoalition sind uns unserer Verantwortung sowohl f�r die technische als auch f�r die wettbewerbliche Entwicklung bewusst und werden sie wahrnehmen. Ich bin davon �berzeugt, dass es uns letztlich gelingen wird, sowohl im Hinblick auf die Verbraucherthemen als auch hinsichtlich der Regulierung einen guten Gesetzentwurf zu verabschieden – im Sinne von mehr Innovationen, Wachstum und Besch�ftigung, im Sinne eines weiterhin funktionierenden Wettbewerbs auf dem Telekommunikationsmarkt und im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Vielen Dank f�r die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)