Kategorie Rede

Rede von Martin Dörmann in der Plenardebatte des Deutschen Bundestages vom 16. Februar 2006.

Rede als Download

Rede als Video im Parlamentsfernsehen – Web-TV

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bei politischen Entscheidungen müssen wir oft eine Abwägung zwischen unterschiedlichen Gesichtspunkten und Zielen treffen, die in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Die Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten im Telekommunikationsbereich ist hierfür ein geradezu klassisches Beispiel. Auf der einen Seite geht es um eine effektive Strafverfolgung und den Schutz vor Verbrechen durch Terroristen, auf der anderen Seite geht es um den Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger sowie der betroffenen Unternehmen. Uns ist beides wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Mit dem vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen stellen wir einen angemessenen Ausgleich beider Ziele sicher. Der auf der europäischen Ebene gefundene Kompromiss bezüglich einer neuen EU-Richtlinie wird durch ihn unterstützt und innerhalb dieses Kompromisses werden die strengstmöglichen Anforderungen formuliert.
Hierdurch leisten wir einen Beitrag zu einer effektiven Strafverfolgung. Es geht dabei um Verbindungsdaten und nicht um die Inhalte von Telefonaten und E-Mails.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Zurzeit haben die Strafverfolgungsbehörden bereits die Möglichkeit, bei den Telekommunikationsunternehmen solche Verbindungsdaten abzufragen, die diese zu Abrechnungszwecken bis zu sechs Monate speichern dürfen.

(Joachim Stünker [SPD]: So ist es!)

Diese Ermittlungsmöglichkeiten gehen nun jedoch immer weiter zurück, da immer mehr Kunden die so genannten Flatrates nutzen. Bei diesen Pauschaltarifen werden die Einzelverbindungen in der Regel eben nicht mehr erfasst. Diese Ermittlungsmöglichkeit ist für eine effektive Strafverfolgung jedoch geeignet und in vielen Fällen sogar erforderlich. Deshalb liegt uns sehr daran, hier eine gleichmäßige Speicherungspflicht für alle Verbindungsdaten vorzusehen.
Mit dem Antrag machen wir aber zugleich auch deutlich, dass es dabei nicht darum gehen kann, möglichst viele Daten für eine möglichst lange Zeit zu speichern und abfragen zu können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielmehr legen wir Wert darauf, den Eingriff möglichst gering zu halten, um somit die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu wahren. In der EU-Richtlinie sind im Hinblick auf die Daten, die erhoben werden dürfen, bereits deutliche Einschränkungen gegenüber den früheren Vorschlägen aus Mitgliedsländern vorgesehen. Darüber hinaus werden wir uns bei der gesetzlichen Umsetzung hier bei uns in Deutschland darauf beschränken – das ist in dem gemeinsamen Antrag der Koalition vorgesehen -, hinsichtlich der Speicherung lediglich die Mindestanforderungen umzusetzen, und uns eben nicht am oberen Rand der Möglichkeiten, die durch die EU-Richtlinie gegeben sind, zu orientieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt noch nicht!)

Konkret heißt dies: Wir sehen lediglich eine Speicherungsfrist von sechs Monaten vor. Dieser Zeitraum kommt dem bisherigen faktischen Speicherzeitraum sehr nahe. Andere Länder, wie zum Beispiel Großbritannien, wollen bis zu 24 Monate speichern lassen; ursprünglich waren es sogar 36 Monate.

(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Das ist ja nicht zu fassen!)

Außerdem werden wir die Voraussetzungen, unter denen die Ermittlungsbehörden Daten abfragen können, hoch ansetzen. Nur bei schweren Straftaten oder bei Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen werden, soll die Abfrage erlaubt werden. Damit stellen wir die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sicher.

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr rechtsklar!)

Zudem werden wir die betroffenen Telekommunikationsunternehmen auch nicht im Regen stehen lassen. Sie werden durch die Speicherungspflicht und die Abfrage zunächst ja belastet. Bei der gesetzlichen Umsetzung werden wir eine angemessene Entschädigung für die Inanspruchnahme regeln.

(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD] – Beifall bei der CDU/CSU)

Eine Totalverweigerung auf europäischer Ebene, wie sie der Opposition vorschwebt, hätte schwerwiegende Probleme aufgeworfen. Gerade in Europa kommt es darauf an, gemeinsame Standards zu verabreden,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und zwar sowohl im Hinblick auf eine effektive Strafverfolgung als auch im Hinblick auf den Grundrechtsschutz der europäischen Bürgerinnen und Bürger. Es ist der Bundesregierung und namentlich der Bundesjustizministerin Zypries zu verdanken, dass es in der EU nun zu einer angemessenen Kompromisslösung gekommen ist. Dadurch, dass wir inDeutschland die Fristen zur Speicherung der abgefragten Daten am unteren Ende der Möglichkeiten der Richtlinie ansetzen, die Anforderungen an den Eingriff jedoch heraufsetzen, wahren wir die notwendige Balance.
Diese Speicherung mit Augenmaß wird dem Zielkonflikt zwischen effektiver Strafverfolgung auf der einen Seite und der Wahrung der Grundrechte auf der anderen Seite in vollem Umfange gerecht.
Deshalb bitte ich Sie: Unterstützen Sie den ausgewogenen und sachgerechten Antrag der Koalition.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)