Standpunkt aus Berlin Depesche Nr. 93

Nach den Terroranschlägen von Paris muss Europa zusammenrücken und seine Werte leben

Die brutalen Terroranschläge in Paris vom 13. November mit mindestens 129 Toten sind ein Schock für uns alle und ein Anschlag auf die westliche Welt. Es macht traurig und fassungslos, zu was Menschen aus Fanatismus fähig sind, völlig rücksichtslos gegenüber dem eigenen Leben und dem Leben anderer.

Es liegt auf der Hand, dass eine freie Gesellschaft hierfür letztlich immer verwundbar bleibt, trotz vielfältiger Sicherheitsmaßnahmen. Totale Sicherheit wird es nicht geben. Denn mit Brutalität und Waffengewalt können mit relativ wenig Aufwand viele Menschen getötet werden, wenn man dabei den eigenen Tod in Kauf nimmt.

Wir dürfen uns davon nicht einschüchtern lassen. Die wichtigste Reaktion muss sein, unsere Werte weiterhin selbstbewusst zu leben und zusammenzustehen. Ich bin davon überzeugt: Freiheit und Solidarität sind letztlich stärker als Hass und Gewalt.

Was wollen die Terroristen erreichen? Sie können kaum annehmen, dass der Westen seinen Kampf gegen den IS aufgibt. Es geht ihnen wohl darum, unsere Gesellschaft zu verunsichern und zu spalten und damit zu schwächen. Genau das dürfen sie nicht erreichen. Deshalb kommt es jetzt darauf an, sowohl entschlossen als auch besonnen zu reagieren.

Der Irak-Krieg war ein Fehler und hat gezeigt, dass blindes Zurückschlagen nach hinten losgehen kann. Mögliche Sicherheitslücken müssen konsequent analysiert und abgestellt werden. Zur Beendigung des Syrienkrieges und im Kampf gegen den IS müssen alle angemessenen Mittel genutzt werden. Bloßer Aktionismus hilft aber nicht, sondern nur eine nachhaltige Strategie.

In deren Zentrum muss ein Zusammenrücken Europas stehen – und das Hochhalten unserer gemeinsamen Werte. Schon die Flüchtlingsfrage zeigt, dass es nationale Lösungen nicht geben kann. Die Krise sollte als Chance gesehen werden, dass sich Europa besinnt. In den letzten Monaten ist der Kontinent leider allzu sehr auseinander gedriftet.

Auch wir in Deutschland müssen aufpassen, dass unser gesellschaftlicher Zusammenhalt nicht gefährdet wird. Wer die Anschläge dafür nutzen will, um verschärft gegen Flüchtlinge zu argumentieren, betreibt letztlich genau das Spiel der Terroristen. Profitieren werden von einer solchen Stimmung vor allem sie und die rechtsextremen Kräfte in unserem Land. Dabei fliehen doch die Flüchtlinge vor eben den Terroristen, die auch uns bedrohen.

Wir müssen an einer positiven Willkommenskultur festhalten. Gleichzeitig ist klar, dass die Aufnahmefähigkeit Deutschlands gewahrt werden muss: damit wir Flüchtlingen nachhaltig helfen und sie integrieren können und der notwendige gesellschaftliche Konsens über Hilfe und Zuwanderung erhalten bleibt bzw. geschaffen wird.

Dazu gehören schnellere Verfahren, solidarische Lösungen in Europa, die Sicherung der EU-Außengrenzen und die Bekämpfung von Fluchtursachen. All das wird nicht von heute auf morgen perfekt umsetzbar sein, sondern ist ein Prozess. Es hilft dabei nicht, jeden Tag neue Vorschläge zu diskutieren, die  nicht umsetzbar oder zielführend sind und so die Verunsicherung der Bevölkerung zusätzlich anzuheizen. Mögliche Probleme dürfen weder ignoriert noch herbeigeredet werden, sondern müssen durch sinnvolle Maßnahmen angepackt werden. Manches ist auf dem Weg, Weiteres wird folgen, auch um die Flüchtlingszahlen besser steuern und begrenzen zu können.

Wir müssen insgesamt Wege und Lösungen finden, die unsere Werte nicht infrage stellen. Dabei brauchen wir Geschlossenheit und ein Zusammenrücken: in der Bundesregierung, in unserer Gesellschaft und in Europa.